Süddeutsche Zeitung

Streit der Winzer um Gault Millau:Bitter im Abgang

Der Weinführer Gault Millau ist bei deutschen Winzern wegen seiner Bewertungen umstritten - nun soll es ein Konkurrenzprodukt geben. Die Weinszene in Deutschland steht vor der Spaltung.

Robert Lücke

Die Aufregung in der deutschen Weinszene war groß: Der Weinführer Gault Millau, nach eigenen Angaben so etwas wie die Bibel für Weinfreunde, verlangte per Brief im Juni von den Weinbauern einen "freiwilligen Unkostenbeitrag" von 195 Euro. Dafür sollte es eine Urkunde, zwei Frei-Exemplare und ein Türschild geben - für alle Winzer, die im Weinführer für 2010 genannt werden.

Nach eigenen Angaben wollte der Münchner Christian-Verlag, der das Buch herausgibt, auf diese Weise Kosten sparen. Der Brief aber blieb nicht ohne Folgen. Mehrere namhafte Winzer begehrten auf, sprachen öffentlich von "gekauften Bewertungen" und wollten künftig nicht mehr im Führer genannt werden. Vergangene Woche schmiss dann Armin Diel, Chefredakteur und Herausgeber des Gault Millau, entnervt hin und kündigte.

Doch die wahren Gründe für die Winzer-Revolte liegen offenbar anderswo. Es geht weniger um die 195 Euro und die - selbst nach Meinung des Verlags - "unglücklich formulierte" Marketingaktion. Es geht um einen handfesten Streit zwischen Winzern, die sich schon lange vom Gault Millau ungerechtet behandelt fühlen. Besonders von der Spitze des Weinführers in Person von Armin Diel.

Diel war einigen Kollegen wohl schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge, schließlich ist er selbst ein erfolgreicher, ziemlich selbstbewusst auftretender Weingutsbesitzer. Im Gault Millau kamen seine Weine zwar vor, wurden aber nicht bewertet - in diesem Punkt kann man ihm nichts vorwerfen. Aber einige Winzer hätten im Gault Millau sicher gerne besser abgeschnitten.

Offiziell schrieben sie in einem offenen Brief am 30. Juni an den Christian-Verlag, dass sie nicht zu zahlen bereit seien. Unterzeichner des Briefes sind Topwinzer wie Werner Knipser, Gunderloch, Fürst, Philippi, Heger, Dönnhoff, Künstler, Johner, Meyer-Näkel und Heymann-Löwenstein. Erstaunlicherweise fehlen aber einige der vom Gault Millau am besten bewerteten Weinbauern. Ein Zufall? In Blogs von Weinkennern wird darüber spekuliert, ob in dem Beschwerdebrief vor allem jene Winzer aufbegehren, die sich in der Vergangenheit von Gault Millau nicht immer gut genug bewertet fühlten.

Bezeichnenderweise verkündete am Mittwoch der Hamburger Jahreszeiten-Verlag, in dem das Genießer-Magazin Der Feinschmecker erscheint und auch der inzwischen eingestellte Wein Gourmet publiziert wurde, man wolle ab Dezember einen eigenen Weinführer als direkte Konkurrenz zum Gault Millau auf den Markt bringen. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist die Feinschmecker-Chefin Madeleine Jakits, sie will deutsche Weine unter "klösterlichen Bedingungen" testen lassen und dann die besten 800 Weingüter präsentieren.

Auf der nächsten Seite: Warum die Weinbranche vor einer Spaltung steht - und schon länger im Zwielicht liegt.

Auffallend ist: Ein Großteil der Winzer, die den Protestbrief an die Gault-Millau-Redaktion unterzeichneten, tritt mit dem Feinschmecker regelmäßig gemeinsam auf Messen auf. Die Weinszene in Deutschland steht also vor der Spaltung. Werner Knipser, einer der Wortführer der Revolte, spricht beim Gault-Millau-Weinführer von "einigen Merkwürdigkeiten".

Die Höchstnote von fünf Trauben werde in ganz Süddeutschland - in Baden, der Pfalz, Rheinhessen und im Rheingau - nur sechsmal verliehen, an der Mosel aber allein fünfmal. "Und das bei einem viel kleineren Anbaugebiet. Offenbar sind die Weine dort eher für Tester gemacht als anderswo", sagt der Pfälzer Winzer, selbst mit vier Trauben zwar exzellent, aber nicht bestens bewertet: "Wenn einige der besten Winzer Deutschlands nur drei von fünf Trauben bekommen, ist das ein Verriss."

Die Stars von der Mosel

Eine gewisse Vorliebe der Tester für restsüße Rieslinge von der Mosel könnte dazu geführt haben, dass manche Weingüter mit trockenen Weinen nicht so gut getestet wurden und sich folglich schlechter verkaufen ließen. International stehen die Moselwinzer fast immer im Mittelpunkt, ihre Weine werden auch von ausländischen Weinführern oft besser bewertet als andere. Nicht wenige Weinkenner sagen, die süddeutschen Winzer wagten zu wenig; sie arbeiteten zu kontrolliert mit genormten Hefen anstatt zu experimentieren und echte Weltklasseweine zu erzeugen, wie es die Stars von der Mosel tun. So gesehen scheint der Gault Millau nicht ganz falsch zu liegen.

Über die Motive einzelner Winzer mag der ehemalige Chefredakteur nicht spekulieren. Offenbar fanden viele den Zeitpunkt für geeignet, sich an Diel zu rächen. "Es ist doch merkwürdig, dass keiner der Herren sich jahrelang zu schade war, Urkunden und Auszeichnungen entgegenzunehmen und kräftig mit den Einträgen im Gault Millau zu werben", beklagt Diel sich nun.

Ganz ohne Beigeschmack ist der Streit der Winzer nicht. Schließlich steht die Weinbranche seit längerem im Zwielicht. So hält sich bei Top-Winzern seit Jahren erstaunlich hartnäckig das Gerücht, dass der einflussreichste Weinkritiker der Welt, Robert M. Parker, von den Weingütern immer "Sonderabfüllungen" mit besonders gut gelungenen Weinen bekäme, die kein Normalsterblicher je kaufen könnte.

Auch in Deutschland gibt es offenbar für normale Konsumenten undurchschaubare und oftmals anrüchige Verbindungen zwischen Testern und Getesteten. Wer vom Feinschmecker oder Feinschmecker Wein Gourmet als Winzer, Gastronom oder Feinkosthändler empfohlen wird, muss in der Regel nicht lange auf einen Anruf der Vertriebsabteilung warten, die zu günstigen Konditionen Abonnements zu verticken versucht. Zwar betonen alle Verlage und Redaktionen, dass dies rein gar nichts mit der Bewertung in ihren jeweiligen Führern zu tun habe und dass der Kauf eines Abos, Fotos oder Türschildes keinen positiven Einfluss auf die jeweilige Bewertung habe. Das mag stimmen, muss aber nicht.

Der Münchner Christian-Verlag jedenfalls setzt nun auf Diplomatie. "Ich hoffe, die Winzer mit ins Boot zu kriegen, jetzt, wo die Reizfigur Armin Diel nicht mehr dabei ist", sagt Verlagsbereichsleiter Clemens Hahn.

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SZ vom 17.07.2009/bre
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