Stilkritik: Trendhund Mops:Ode an den Mops

Zuversicht, Solidarität, Gelassenheit. Der Mops ist genau das, was wir in Zeiten wie diesen brauchen. Unerschrocken führt er uns auf seinen Stummelbeinchen durch die Krise.

Violetta Simon

Kürzer als seine Beine ist nur noch die Nase, weswegen er meistens schnarchende Atemgeräusche von sich gibt. An der Leine kämpft er tippelnd um jeden Meter und röchelt so mitleiderregend, als würde er jeden Moment das Zeitliche segnen. Und doch behauptet Loriot steif und fest: "Ein Leben ohne Mops ist vielleicht möglich, aber sinnlos."

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Immer an unserer Seite: der Mops, des Menschen bester Freund.

(Foto: Foto: dpa)

Ein Blick auf die Straßen deutscher Großstädte sagt uns: Immer mehr Menschen sehen das genauso. Mit seinen Stummelbeinchen hat das glotzäugige Knautschgesicht dem Golden Retriever längst den Rang abgelaufen und sich zum Trendhund etabliert. Auch wenn manche Mops-Anhänger behaupten, der Kurzbeiner sei kein "Modehund", sondern ein zeitloser Klassiker: Nie war die Nachfrage so hoch wie jetzt. Nicht jeder Züchter ist von dieser Entwicklung erfreut: "Unseriöse Händler nutzen den Boom, um Geschäfte zu machen", erklärt Inge Wessling, Zuchtleiterin des Deutschen Mopsclubs. Das Ergebnis seien Züchtungen mit ungeeigneten Tieren und Wagenladungen an Welpen.

Das war vor 2000 Jahren anders: In China, wo die evolutionäre Wiege des Mopses steht, galt es als Privileg der Könige, eines der faltigen Pummelchen im Ärmel ihrer seidenen Gewänder umher zu tragen. Anhänger behaupten gerne, seine Stirnfalten würden dem chinesischen Schriftzeichen für das Wort "Prinz" entsprechen. Noch im 12. Jahrhundert ritt der Mops in Dschingis Khans Satteltaschen über die mongolischen Steppen und hechelte sich über den Handelsweg in die Herzen der Fürsten und Adelsträger.

Mit anderen Worten: Wer einen Mops besaß, hatte es geschafft. Und so hat es der kleine Dicke durch all die Epochen hinweg in unsere Gegenwart geschafft, irgendwie. Seelenruhig sah er dabei zu, wie Jagdhunde, Schoßhunde, Wachhunde, Trendhunde kamen und gingen. Geduldig wartete er, bis Schnoodle, Labradoodle und andere Designerhunde von der Bildfläche verschwanden. Dann kam die Krise, und mit ihr der Kleinhund.

Der beste Freund der Mittelschicht wurde der Chihuahua - eine vorübergehende Fehlentscheidung, wie sich schon bald herausstellte. Jämmerlich dünn, vor Angst oder Kälte zitternd und albern gekleidet, wurde der Zwei-Kilo-Köter vom Schoß- zum Achselhund degradiert und in getigerten Plüschbeuteln getragen, zu schwach, um sich auf den eigenen Beinchen zu halten. Schneller, als die Leichtgewichte sich in ihrer Designertasche umdrehen konnten, umwehte ihre Besitzerinnen der Ruch des Billigen.

Während man sich bemühte, nicht auf das kleine Ding zu treten, fragte man sich, warum jemand sich ein Tier anschafft, das die Bedürfnisse eines Hundes mit dem Aussehen eines Nagers und der Psyche einer degenerierten Siamkatze in sich vereint. Eines war klar: Mit einem Chihuahua konnte man sich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen. Der fürchtete sich ja vor der Welt noch mehr als man selbst!

Und genau hier kommt der Mops ins Spiel. Auch wenn wir alle sparen müssen - das muss uns ja keiner ansehen! Wohlgenährt, seelisch ausgeglichen und Gelassenheit ausstrahlend, verkörpert er all das, was sich der von Zukunftsängsten geplagte Großstädter wünscht.

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Den Mops wirft so leicht nichts um

Der Mops ist kräftig, ein Fels in der Brandung. Trotz seiner krisenkompatiblen Größe verfügt der Mops über ein beeindruckendes Körpergewicht von rund acht Kilogramm. Wer einen Mops an der Leine führt, kann sich den Hund noch leisten. Der Mops frisst gerne, und deshalb gehört nicht viel dazu, ihn zu einer lächerlichen Wurst zu mästen. Dafür wird er auch nicht weggeblasen, wenn der Wind einmal stärker weht. Und niemals wird er als "gedopte Ratte" beschimpft oder in ein pinkfarbenes Strickmäntelchen gesteckt - nunja, außer vielleicht von ein paar Münchner Society-Damen, die Mopspartys feiern und ihre Tierchen dann als Spiderman oder Lederdomina verkleiden. Doch selbst das trägt der Mops mit Fassung. Er ist nämlich überaus tolerant und begegnet auch den befremdlichsten menschlichen Eigenarten gänzlich unkritisch.

Mops; dpa

Auf der Suche nach der passenden "Trend-Töle" gehen manche Hundeliebhaber an Grenzen. Sie kreuzen schonmal Schnauzer und Pudel, um einen besonders schicken Begleiter an der Leine zu haben.

(Foto: Foto: dpa)

Höchstens die tiefen Sorgenfalten erzählen von den Bedenken, die hinter seiner krausen Stirn kreisen. Und wunderbarerweise machen sie unsere eigenen Probleme kleiner. Fiese Kollegen, Umweltprobleme, Finanzkrise - all das fällt ab von uns, wenn der Dicke seinen Nacken in Falten schlägt und mit seinem besorgten Blick zu uns emporsieht, der zu fragen scheint: "Alles ok, geht's Dir auch gut?" Und während jeder andere Hund sich angegriffen fühlt, wenn man ihm in die Augen sieht, freut sich der Mops ein Loch in den Bauch, wenn er einen Blick auffängt.

Nur der Mops gibt uns das Gefühl, gemocht und verstanden zu werden. Er ist bedingungslos ergeben, sucht die Nähe des Menschen und folgt einem überall hin. Und zwar auf Schritt und Tritt: Es soll Mopshalter geben, die nicht nur Tisch, Bett und Couch mit ihrem Liebling teilen, sondern selbst bis aufs Klo verfolgt werden. Der Mops ist die Fleisch gewordene Couchpotato. Er nimmt es nicht krumm, wenn der Urlaub am Mittelmeer ausfällt und sein Zuhause keinen Garten mit Pool hat. Der Mops war nie für etwas anderes als das Sofa gedacht.

Und noch etwas tut der Mops für den Menschen: Er ist der ideale Mitläufer. Wer einen dieser wandelnden Knautschzonen an der Leine führt, findet Anschluss - in Zeiten, in denen jede zweite Ehe in die Brüche geht und immer mehr Singles die Erde bevölkern, ein unbezahlbarer Vorteil. Und so kann es schon mal vorkommen, dass ein Spaziergänger spontan vor dem Tier niederkniet - nicht zuletzt wegen seiner geringen Größe - und ihm gerührt die faltige Haut glattstreicht.

Es wäre vermessen, zu behaupten, der Mops sei schön. Aber ist es nicht gerade das skurrile Äußere, das seine inneren Werte zur Geltung bringt? Ein edler Rhodesian Ridgeback wird sicher nicht wegen seiner sozialen Kompetenzen geschätzt. Muss er auch nicht. Wer aber so aussieht, wie der Mops eben aussieht, der muss einfach nett sein. Eine andere Chance hat er nicht.

Liegt es vielleicht daran, dass er gar kein Hund ist, der Mops? Loriot hat einmal gesagt: "Möpse sind mit Hunden nicht zu vergleichen. Sie vereinigen die Vorzüge von Kindern, Katzen, Fröschen und Mäusen." In einem Punkt hat er sicherlich Recht: Kein Hund ist wie der Mops. Weil er nichts so sehr liebt wie den Menschen.

Eine Rasse gibt es, die den Mops ernsthaft an Beliebtheit übertreffen könnte. Die französische Bulldogge ist stark im Kommen. Sie ist noch bulliger als der Mops und steht noch fester im Leben mit ihren ausgestellten Beinen. Aber mal ehrlich: Wäre das gerecht?

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