Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Im Namen des Bartes

Wohin man auch blickt: Mann trägt Vollbart. Auch Joaquin Phoenix erlaubt sich einen. Kann er das denn?

Christian Mayer

Wenn sich Männer nicht mehr rasieren, kann das mehrere Gründe haben. Manchmal ist eine Frau Schuld, eine existenzgefährdende Scheidung, ein Burn-Out-Syndrom, allgemeiner Lebensüberdruss; oder aber man versteht sich als Künstlerprophet so wie Jonathan Meese.

Manchmal fühlen sich Männer auch nur besonders männlich, wenn sie herumlaufen wie Urvater Abraham. In gewisser Weise kehrt der Bartträger, wenn er sich haarmäßig gehen lässt, zum Urzustand zurück, in eine maskuline Welt ohne Regeln und Rasierwasser.

Prinz William, der vielleicht einmal König von England wird, hat sich gerade von seinem Wildwuchs getrennt, den er sich bei einem Marine-Einsatz zugelegt hatte - ganz Britannien war nach der Notrasur erleichtert.

Bei Joaquin Phoenix verhält sich die Sache anders: Der Hollywood-Schauspieler ("Walk the Line") wirkt jeden Tag ein wenig zotteliger; er nähert sich dem Bild, das sein Kollege Tom Hanks einst als Verschollener auf einer einsamen Insel abgab.

Vor wenigen Tagen wurde Phoenix mit seinem Rauschebart in einem Nachtclub von Miami fast nicht mehr erkannt. Der 34-Jährige hat bereits angekündigt, den glattrasierten Hollywood-Produzenten den Rücken zu kehren.

Nie mehr werde er einen Film drehen, droht Phoenix. Das kann nur einen Grund haben: Als verkanntes Genie muss er sich gar nicht mehr rasieren.

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Quelle:
SZ vom 09.01.2009
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