Stilkritik: Hosenanzug:Frau Schaeffler hat die Hosen an

Textilien als Symbol: Bei der Hauptversammlung von Continental zeigte sich Maria-Elisabeth Schaeffler mutig maskulin - mit Hosenanzug und lila Krawatte.

Lena Jakat

Am Anfang war die Provokation. Im Jahr 1929 erschien Marlene Dietrich zum Presseball im noblen Berliner Hotel Adlon im Frack. Der erotische Star der Traumfabrik Ufa in Männerkleidern, das löste damals einen Skandal aus.

Maria-Elisabeth Schaeffler, AP

Hat die Unternehmerin ihr Selbstvertrauen zurück? Das Outfit von Frau Schaeffler spricht eine deutliche Sprache.

(Foto: Foto: AP)

Ganz so folgenreich blieb der Auftritt der Maria-Elisabeth Schaeffler am Dienstag bei der Hauptversammlung der Continental AG nicht. Aber die Textilien der fränkischen Unternehmerin, die mit hohen Krediten Conti übernahm, sorgten doch für viel Aufsehen: Dunkelblauer, schlichter Anzug, Einstecktuch und Krawatte. Gut, die Pumps waren klassisch, aber sonst: durch und durch maskulin.

Damenhosen als Skandal

Ihre Garderobe rund um die lila Krawatte war auf beeindruckende Art und Weise an die von Männern bestimmte Bühne angepasst - sodass sie fast schreiend aus der Menge hervorstach.

Vor Marlene Dietrichs Premiere war es Frauen lange Zeit bei Strafe verboten, sich in Männerkleidung, also Hosen, öffentlich zu zeigen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg galt der Hosenanzug lange nicht als gesellschaftsfähig. Noch 1970 löste eine SPD-Abgeordnete einen kleinen Skandal aus, als sie im Hosenkostüm ans Rednerpult des Deutschen Bundestags trat.

Inzwischen freilich ist der Hosenanzug etabliert. Wer ihn trägt, will emanzipiert wirken, selbstsicher, taff.

Taff wie Maria-Elisabeth Schaeffler.

Die "listige Witwe" von einst und die "bettelnde Milliardärin" aus dem vergangenen Jahr griff bereits früher häufig zum Hosenanzug. Was kein Wunder ist, denn schließlich musste sie, die man drei Jahrzehnte lang nur als Frau an der Seite des Unternehmers Georg Schaeffler kannte, sich erst einmal durchsetzen, als sie nach dem Tod ihres Mannes 1996 die Leitung des Autozulieferers übernahm - vor allem gegen skeptische Beobachter von außen.

Zurück zur Farbe

Bislang griff sie zu weiblich geschnittenen, unauffälligen Anzugmodellen. Dass die Ober-Chefin Schaeffler jetzt lila Krawatte und pinkes Einstecktuch wagt, könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass ihr Mut zurückgekehrt ist.

Vor einem Jahr, als ihr Konzern tief in den roten Zahlen steckte und mit der Übernahme von Continental Kopf und Kragen riskierte, wurde die stets elegant gekleidete Matriarchin für ihre Hybris geschmäht. Als sie, mitten in der Finanz- und Schaeffler-Krise, im Pelzmantel in Kitzbühel abgelichtet wurde, war die Empörung groß. Ein roter Schal, der ihren ruckartigen Kurswechsel in Richtung Arbeitnehmernähe und Mitbestimmung unterstreichen sollte, machte die Presse nicht unbedingt besser.

Demonstrative Demut

Sie schien daraus gelernt zu haben: Im denkwürdigen Gespräch mit den demonstrierenden Schaeffler-Angestellten im Februar trat sie in gedeckten Farben auf, die markante Mähne streng zurückgebunden. Ebenso verzichtete sie bei der Continental-Vollversammlung vor einem Jahr auf auffällige Accessoires. Am 23. April 2009 war noch völlig offen, wie es mit Schaeffler und Continental - und vor allem mit mehr als 200.000 Arbeitsplätzen - weitergehen würde.

Ein Jahr später scheint die 68-Jährige Mut und Zuversicht wiedergefunden zu haben - vielleicht auch angesichts der erstmals positiven Ergebnisse für Conti im ersten Quartal 2010. Die Rückkehr in die Gewinnzone scheint möglich, die Konzernspitze gibt sich optimistisch.

Und Maria-Elisabeth Schaeffler, die von den Conti-Aktionären noch immer argwöhnisch beäugt wird, unterstreicht diese Zuversicht mit fast provokanter Krawatte und Einstecktuch. Ihre Botschaft: Die Schaefflerin ist wieder da. Sie symbolisiert den ganzen Managern: Ich bin unter euch, aber etwas Besodneres. Ich bin eine Frau die sich durchsetzt, aber Sinn für Ästhetik hat. Ich bin kein "suit" wie ihr, ich mache die Show.

"Offensichtlich ist mir nicht gelungen, auf der Bühne der grau gewandeten Herren trotz Anzug und Krawatte unbemerkt zu bleiben", scherzt die Unternehmerin in der Bild-Zeitung.

Als ob sie das je gewollt hätte.

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