Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Hilfe, die Deutschen kommen!

Eine Berliner Regierungsdelegation war Anfang der Woche in Paris und machte dabei stilistisch keine gute Figur - bis auf eine grüne Ausnahme.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Grün ist die Hoffnung

Wir leben in einem Land, in dem darüber diskutiert wird, ob es okay ist, dass die Außenministerin sich eine Visagistin leistet. Dabei ist das nicht nur okay, sondern klug, denn Politik ist auch Showbusiness, und wenn das Aussehen nicht stimmig ist, dann kann man das Verhandeln vergessen. Als Land aber, wo so eine Visagistin zur Schlagzeile wird, darf man nicht meckern, wenn das Kabinett anlässlich des Jubiläums des Elysée-Vertrags nach Paris fährt und dann neben den französischen Kollegen so nüchtern wirkt wie eine Kaufhausabteilung für Funktionshosen. Während in Frankreich etwas von Chanel in die Garderobe jeder Politikerin gehört, wäre so viel Luxus in Deutschland Wahnsinn, ja politischer Amoklauf. Zwar verfügen auch wir über ein paar Modehäuser, in deren schönen Kleidern man sich wirklich nicht verstecken muss (Odeeh, William Fan, Dorothee Schumacher, um nur einige wenige zu nennen) - aber die Wahl der deutschen Politikerin fällt aus Sicherheitsgründen immer noch lieber auf sogenannte Businessmode der allerhöchstens mittleren Preisklasse. Denn den Wähler macht ja nicht Inkompetenz, sondern Eitelkeit fuchsteufelswild. Familienministerin Lisa Paus wollen wir an dieser Stelle also ausdrücklich loben. Sie kann aus oben genannten Gründen nichts dafür, dass ihr Kleid im Stehen so blöde Sitzfalten wirft, alles andere wäre zu eitel rübergekommen. Aber die Ärmel des Shift Dress leisten sich mit diesen Schlitzen eine frivole, völlig undeutsche Verspieltheit, die wir dringend brauchen. Weiter so, Frau Ministerin.

Für ihn: Pardon, liebe Franzosen!

Bei allem Verständnis für die hemdsärmelige Komponente in Robert Habecks Politikstil: Das geht so nicht. So kann man nicht in Paris im Kreise hochrangiger Regierungsvertreter und vor allem im Kreise von Franzosen herumstehen und 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft feiern. Wenn etwas gefeiert wird, muss auch die Garderobe irgendeine festliche Komponente haben. Ohne Krawatte und insgesamt ungebügelt aus dem Flugzeug zu steigen oder im Bundestag rumzusitzen, mag zulässig sein. Neben dem messerscharf betuchten Präsident Macron aber im schlecht sitzenden V-Pullover und mit offenem Hemdkragen unterm klaffenden Anzugoberteil das Gruppenfoto zu sabotieren, ist hingegen unschön. So kriegen wir nicht noch mal 60 Jahre Freundschaft mit der Grande Nation hin. Ja, es gibt derzeit vier Dutzend wichtigere Angelegenheiten, aber vielleicht springt einen der empörende Unernst dieses Outfits gerade auch deshalb so störend an - so sieht keine wehrhafte Demokratie aus, das ist einfach Schlabberlook. Jeder Mann kennt das Problem des Smart Casual im Winter: Die bewährte Hemd-Jackett-Kombi ist zu kalt, also kommt ein Pullover ins Spiel. Das ist ganz gemütlich, man lässt ihn an und denkt, geht schon. Es gibt Pullover, sehr teuer, sehr fein gestrickt, sehr gut sitzend, sehr dunkelblau, in denen das noch halbwegs smart funktioniert. Aber grundsätzlich ist ein Pullover ein fusseliges, auftragendes Störelement unter einem Anzug, das seine Linie zerhaut. Man leiert damit beides aus: erst den Pullover und dann die Smart-Casual-Regel. Die freilich für Besucher im Élysée-Palast sowieso noch nie gegolten hat.

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