Stilkritik: Guido Westerwelle:Der Kopftuchmann

Sehr dynamisch: Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle tritt in Indien mit einem traditionellen Sikh-Kopftuch auf - das stark an das Lieblings-Outdoor-Accessoire der Deutschen erinnert. In Knallorange.

Stilkritik.

Er sollte so etwas öfter tragen. Durch dieses kleine Stückchen Stoff kommen die inneren Qualitäten eines Guido Westerwelle erst so richtig zur Geltung: Dieses Kämpferische! Anpackende! Zupackende!

Außenminister Westerwelle in Indien

Außenminister Guido Westerwelle beim Besuch des Gurudwara Sheesh Ganj Tempels in Neu Delhi.

(Foto: dpa)

Aber von vorne: Außenminister Guido Westwerwelle tourt momentan durch Indien, als Auftakt seiner Reise besuchte er einen Sikh-Tempel. Den dürfen Angehörige anderer Religionen betreten - allerdings nur, wenn sie vorher Schuhe und Socken ausziehen und ihren Kopf bedecken. Im Gurdwara Shish Ganj liegen für Besucher deshalb orangefarbene Tücher bereit.

Dieses schwungvoll drapierte Kopftuch: äußerst passend für Guido Westerwelle, den unerschrockenen Außenminister. Es erinnert die Fernsehzuschauer und Zeitungsleser daheim in Deutschland, wo man die traditionelle Kopfbedeckungen der Sikhs kaum kennt, deutlich an die "Bandanas" genannten Multifunktionsbänder, die man von Outdoor-Freaks gewohnt ist. Diese tragen sie als Halstuch, Armband, Haargummi, Stirnband oder als Kopfbedeckung. Das schützt gegen schweißnasse Strähnen im Gesicht, Sonnenstich und windbedingte Ohrenschmerzen.

Notfalls, so meint man als außenstehender Park-Spaziergänger, würde das Tuch wahrscheinlich auch zum Feuermachen und zur Armamputation in der Wildnis taugen.

Eine Aura der Unabhängigkeit

Man begegnet diesen Multifunktions-Tüchern in tropischen Regenwäldern ebenso wie in verschneiten Bergregionen, manchmal tragen sie auch Fahrradkuriere im Stadtverkehr - und ihre Wirkung ist immer gleich: Das Bandana verleiht dem Träger eine Aura der Unabhängigkeit, der Abenteuerlust, des Kampfeswillen.

So machte Guido Westerwelle im Tempel bella figura als Kopftuchmann. In seiner Heimat lästern zwar Konservative über "Kopftuchmädchen", hier aber ging es um die höheren Weihen der Diplomatie. Und dann diese Farbe! Knallorange wie die Straßenmeisterei - da verspricht es gewissermaßen von alleine, vorwärts zu gehen.

Im vergangenen Jahr hat der Außenminister nur selten Mut zur Farbe gezeigt - die Oberfläche der Anzüge changierte zwischen schwarz, dunkelschwarz, anthrazit und dunkelblau. Auf Kopfbedeckungen verzichtete Westerwelle komplett. Nie trug er Hut oder eine Baseball-Mütze. Als einziger Farblecks blieb jeweils die Krawatte. Der Start der Regierungskoalition war schwierig.

Als Lieblingsfarben taten sich in dieser Zwangslage vor allem Hellblau und FDP-Gelb hervor. Beim politischen Aschermittwoch, beim FDP-Parteitag, bei Treffen im Kanzleramt und mit dem israelischen Außenminister: Immer FDP-gelb. Vor der Uno, bei den Koalitionsverhandlungen, im Bundestag: hellblau. Hellblau und FDP-Gelb, selten abgelöst durch Blassrosa oder Dunkelblau.

So langsam aber scheint der reisende Parteichef neue Signale setzen zu wollen: Beim Treffen der Nato-Außenminister und der Eröffnung der Ausstellung "20 Jahre 2+4-Vertrag" hatte er sich schon ein Stück Stoff in Knallorange umgebunden - in Form einer Krawatte.

Außerordentlich mutig! Das aktuelle Kopftuch führt in neue Dimensionen, zum Beispiel, wenn Westerwelle den Nutzen von Zuwanderung erklären will.

Arbeiten muss Guido Westwerwelle jedoch noch am richtigen Gesamteindruck. Multifunktionstücher wirken letztlich nur so richtig, wenn sie sich nicht mit dem Rosarot des sauber gebügelten Hemds beißen, das wieder in einer beigen Hose steckt und von einem blauen Bazer flankiert wird.

So viel Farbe irritiert den Betrachter. Da wird er viel zu schnell vom Kopfschmuck abgelenkt. Und das wäre wirklich schade!

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