Stilkritik: die Adilette:Proll-Schlappe ohne Schuld

Wäre sie nicht von einem Tennissocken-Träger zweckentfremdet worden, das Image der Adilette wäre bis heute unbeschädigt geblieben.

Violetta Simon

Als Adolf Dassler 1963 die Adilette erfand, tat er das sicher in bester Absicht. Der Adidas-Gründer wollte den Athleten einen Gefallen tun, die immer öfter jammerten und sich einen Schuh wünschten, den sie nicht nur in der Umkleide, sondern auch in der Dusche tragen konnten. Damit das Gejammere ein Ende hatte, schuf Dassler eine Badelatsche aus blauem Gummi mit vorgeformtem Fußbett und gefüttertem Riemen. Das Profil an der Sohle bestand aus Saugnäpfen, und aus Gewohnheit verpasste er dem Schuh drei weiße Streifen.

adilette

Ein Sinnbild für den Deutschen im Dauerurlaub: die Adilette.

(Foto: Foto: Adidas)

Damals konnte Dassler nicht ahnen, dass die Adidas-Pantolette die heiligen Räume der Olympioniken so schnell verlassen und die Saunalandschaften der Normalbürger erobern würde. Dass sie es von dort auf die Campingplätze und auf die Straßen deutscher Kleinstädte und schließlich nach Mallorca schaffte. So verschmolz die Adilette mit uns Deutschen und ruinierte unseren Ruf. Sorgte dafür, dass unsere Nachbarn noch heute glauben, wir seien im Dauerurlaub, sitzen den ganzen Tag auf der Couch und bewegen uns nur, um nach den Chips zu greifen.

Dabei kann sie gar nichts dafür, die Adilette. Ja, selbst ihren Schöpfer trifft keine Schuld. Mit der Adilette ist es wie mit den Hunden. Was hat das Tier damit zu tun, wenn sein Besitzer den Hundehaufen nicht wegräumt? Ebensowenig war es die blaue Pantolette mit den drei weißen Streifen, die unseren Ruf runiniert hat.

Schuld an dem Stil-Gau war jener Mensch, der als erster auf die Idee kam, seine weißbestrumpften Füße in die Badelatsche zu stecken und in diesem Aufzug zum Bierholen an die Tanke zu fahren. Bis dahin waren Tennissocken in Adiletten nur Leistungssportlern mit verstauchten Knöcheln vorbehalten, so lange sie nicht in ihre Turnschuhe passten. Nur so kann es die Adilette von der Umkleidekabine in die Zivilisation geschafft haben, nur so wurde es möglich, dass sie - völlig unabsichtlich und gegen ihren Willen - ihren Zuständigkeitsbereich und ihre Kompetenz überschritt.

Innerhalb kurzer Zeit gehörte die Adilette zum Straßenbild, entwickelte sich zu dem, was heute nur die Crocs geschafft haben. Ebenso wie der entenfüßige Schaumschuh, der eigentlich als Boot- und Outdoorschuh gedacht war, wurde die Adilette zweckentfremdet und galt von da an als Unterbodenschutz für Menschen, die in offenen Gummilatschen einen Ersatz für korrektes Schuhwerk sahen. Doch die Träger der Proll-Schlappe befanden sich damit nicht nur optisch auf Mallorca. Sie schadeten unserem Image, und zwar nachhaltig.

Die ursprüngliche Aufgabe der Adilette war es, den Träger vor Fußpilz zu schützen. Die Aufgabe des Trägers konnte nur die sein: sich vor sich selbst zu schützen und die Latsche nach Gebrauch wieder in den Spind zu schließen. So wie es die Crocs niemals über den Gartenzaun ihres Besitzers hätten schaffen dürfen, sollte ein Adiletten-Träger bei der Anschaffung eine Unterlassungserklärung unterschreiben, die den Einsatz in der Öffentlichkeit unterbindet.

Könnte sie sprechen, sie würde ihre Scham über ihren chronischen Fehleinsatz zum Ausdruck bringen, wo auch immer sie ans Licht gezerrt wird. Und hätte sie die Wahl, sie würde sich zurückziehen und verkriechen in die rustikalen Holzwelten deutscher Saunalandschaften. Und nirgendwo passt sie besser hin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: