Süddeutsche Zeitung

Stilkritik: Charlenes Hochzeitskleid:Kleid zum Weiteratmen

Wie haben es geahnt: Das Hochzeitskleid der Fürstin von Monaco ist von fader Eleganz - und alles andere als gewagt. Doch die Braut hat mehr Mut, als ihre Robe vermuten lässt.

Violetta Simon

Irgendwie hat man bereits geahnt, dass es so sein würde: Die Braut betritt die Szene - und die Welt atmet weiter. Dabei hätte zumindest die Hochzeitsgesellschaft so gerne den Atem angehalten. Charlenes Brautkleid aber tut ihr den Gefallen nicht, es gibt sich unprätentiös und schlicht.

Nicht einmal Fürst Alberts Gesicht zeigt Rührung oder Ergriffenheit beim Anblick der Braut, die anmutig und mit erhobenem Kopf, am Arm ihres Vaters den roten Teppich Richtung Altar abschreitet.

Die kerzengerade geschnittene Kreation aus Satin wirkt elegant und dennoch unscheinbar. So unscheinbar wie seine Trägerin. Darüber kann auch die sich von der Brust bis zum Saum hin ausbreitende Stickerei aus 80.000 Swarovski-Steinen und 30.000 Perlen nicht hinwegtäuschen.

Das bodenlange, schulterfreie Kleid in einem türkisen Pastellton, das Charlene am Tag zuvor zur standesamtlichen Trauung trug, hatte die gebürtige Südafrikanerin selbst entworfen. Die Gestaltung ihres Hochzeitskleides für die kirchliche Trauung am Samstag hingegen übertrug die 33-Jährige ihrem Lieblings-Designer Giorgio Armani.

Armani ist bekannt für seine schlichte Eleganz, und Charlene ist eine glühende Verehrerin des 76-Jährigen: Schon oft präsentierte sie sich in seinen Kleidern - meist schulterfrei, wie zum Beispiel beim Morocco Rose Ball in Monte Carlo. Die Presse sprach von einer erfreulichen Stil-Entwicklung und bemühte das Wort "Schwan".

Doch die Braut und der italienische Couturier haben sich offenbar nicht so recht getraut: Das Dekolletée - von einer horizontal verlaufenden Krempe umrahmt - zeigt zwar einen Ansatz von Schultern. Es als schulterfrei zu bezeichnen, wäre indes übertrieben. Die Silhouette des Brautkleids ist schmal geschnitten, und doch von dem Begriff "figurbetont" meilenweit entfernt.

Auf dem Haupt der Braut glitzert kein Diadem, stattdessen umrankt ein Geschmeide ihr zusammengestecktes Haar. Der Schleier könnte schlichter nicht sein: Keinerlei Stickereien befinden sich daran, nur ein Saum aus winzig kleinen Perlen. Unter dem Schleier wirkt Charlene beinahe schutzlos, aber auch klar. Die Botschaft: Ich habe nichts zu verbergen. Doch das Lächeln wirkt wie eingefroren.

Das Kleid ist bodenlang, mehr noch als das: Charlene muss den Saum bei jedem Schritt mit den Schuhspitzen wegstupsen, um nicht daraufzutreten.

Vor allem die Schleppe wirkt unendlich lang und erfüllt ihre Aufgabe im wörtlichen Sinne: Sie verleiht der Braut, die sich auf den Arm ihres Vaters stützt, einen schleppenden Gang. Als würde der schwere Stoff sie am Laufen hindern - am Weglaufen?

Unmittelbar vor der Hochzeit hatte eine Meldung der französischen Presse für weltweite Aufregung gesorgt: Charlene Wittstock sei am Flughafen von Nizza abgefangen worden - mit einem Oneway-Ticket nach Südafrika.

Zurück zum Brautkleid: Man könnte Charlenes Hang zu Armanis schlichter Eleganz bedauerlich finden, weil sie vermeintlicherweise von einer gewissen Mutlosigkeit zeugt. Doch die einstige Leistungsschwimmerin hat sicherlich mehr Mut, als ihr Hochzeitskleid vermuten lässt.

Die Bürgerliche Charlene Wittstock hat einen Mann geheiratet, dessen Privatleben nach wie vor für Aufregung sorgt: Albert hat bereits zwei nicht eheliche Kinder, mit einer Kellnerin und einer Stewardess. Erst einige Tage vor der Hochzeit haben sich Gerüchte verdichtet, ein drittes sei unterwegs - nicht gerade optimale Voraussetzungen, um den Bund fürs Leben einzugehen.

Fazit: Charlenes Brautkleid ist aus gutem Grund alles andere als gewagt. Mit dieser Ehe ist die Braut schon genug Risiko eingegangen.

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