Stilkritik: Andeutungen:Ein Ring, sie zu verwirren

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Wenn Wettermoderator Jörg Kachelmann dieser Tage vor Gericht mit einem Ring an seinem Finger auftaucht, ist eigentlich klar, was das Schmuckstück zu bedeuten hat. Oder doch nicht?

Martin Zips

Die Andeutung ist der Tod des klaren Gedankens. Andeutungen können einen wirklich verrückt machen, denn sie geben einem zu verstehen: Wenn Du das jetzt nicht kapierst, dann lass es einfach.

Sorgte mit seinem Ring für viel Aufregung: der wegen Vergewaltigung angeklagte Wettermoderator Jörg Kachelmann im Auto seiner Verteidigerin. (Foto: dapd)

In der Wissenschaft findet sich in diesem Fall oft der beim römischen Komödiendichter Plautus geklaute Hinweis "Sapienti sat", das heißt: "Für den Verständigen ist genug gesagt."

Ein Beispiel: Wenn Wettermoderator K. dieser Tage vor Gericht mit einem Ring an seinem Finger auftaucht, den er zuvor nicht getragen hat, dann ist damit zwar einerseits dem Verständigen genug gesagt. Ein Ring heißt höchstwahrscheinlich: verheiratet. Sapienti sat.

Bild informiert weiter: Sie heißt Miriam, ist 25 und Psychologiestudentin. Mag sein. Nur: Ist es Liebe? Ist es Rache? Ist es ein Zeichen für Schuld? Für Unschuld? Ist es nicht zum Verrücktwerden?

Oder: Was, bitte, soll der tätowierte Elfen-Kopf am linken Oberarm von Fußballer Timo Gebhardt? Ist Lady Dianas Ring am Finger von Kate Middleton wirklich ein Ausdruck vorbehaltloser Liebe? Und was bedeutet diese sehr, sehr schwarze Brille auf der Nase von Norbert Röttgen? Die schlimmste Antwort ist und bleibt: "Kein Kommentar." Der Verständige wird's schon verstehen.

Zu viel Wissen kann aber auch gefährlich sein. In der Geschichte Das Fass Amontillado beschreibt Edgar Allan Poe, wie ein Experte namens Fortunato in eine Falle gelockt wird. Er solle mit in den Keller kommen, bittet ihn Montrésor. Dort müsse von einem wahren Sachverständigen der Sherry probiert werden. Wenn Fortunato ihn nicht begleite, so Montrésor, so müsse er halt einen anderen bitten. Das will Fortunato natürlich nicht, also geht er mit und wird von Montrésor im Keller auf ewig eingemauert.

Ach, wäre er doch nur ein Depp geblieben!

© SZ vom 30.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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