Süddeutsche Zeitung

Stilduell: Spielerfrau werden:Kick it like Victoria

Im Bild der Öffentlichkeit gehört die Spielerfrau zum Fußballer wie der Stollen an dessen Schuh. Jetzt heiratet Philipp Lahm seine Claudia. Doch ist die Position der Spielerfrau wirklich erstrebenswert? Ein Pro und Contra.

Christina Herbert und Franziska Seng

Spielerfrau werden könnte eigentlich ganz nett sein, findet Franziska Seng.

Über das Dasein als Spielerfrau können Normalmenschen nur vage Vermutungen anstellen. Wie holde Erscheinungen wirken sie, die weit weg von Kameraobjektiven und Richtmikros auf den Tribünen thronen. Was sie flüstern, wenn sie sich an eine ihre Sitznachbarinnen wenden? Wir wissen es nicht. Wie sehr sie leiden, wenn ihr Mann einen Elfmeter an die Latte knallt? Wir werden es nie erfahren. Über manche von ihnen lesen wir in einschlägigen Postillen. Doch an deren Wahrheitsgehalt glauben wir ebenso wenig wie an die Existenz leiser Vuvuzelas.

Also müssen wir uns mit der Vorstellungskraft behelfen. Die kann beim Gedanken an ein Spielerfrauen-Dasein wunderbare Blüten treiben, wenn man etwa in einem typischen, vorstädtischen deutschen Bürohochhaus sitzt und tagtäglich zum Beispiel auf den suburbanen Güterwagenverschiebebahnhof oder einen Gnadenhof für altersschwache Tiere blickt.

Wie aufregend erscheint von hier das Leben einer Spielerfrau. Jedes zweite Wochenende Stilettos und Adiletten einpacken und im Komfort-Bus deutschlandweit verreisen, nach Wolfsburg, Frankfurt, Gelsenkirchen! Übernachten in Hotels mit kosmopolitem Flair (Best Western, Holiday Inn). Besuche beim Friseur und Nageldesignstudio werden als Werbekosten von der Steuer absetzbar!

Auch aus familienorganisatorischen Gründen scheint die Verbindung mit jeglicher Art von Ballexperten als vorteilhaft. Sobald die Kinder halbwegs auf zwei Beinen stehen, kann man alle zusammen nach draußen in den Garten zum Spielen schicken, während die Spielerfrau in Ruhe in ihrer goldrandigen Stieg-Larsson-Prachtausgabe schmökert oder die Strasssteinchen der Ed-Hardy-Kollektion aufpoliert. Für wertvolle Produktpflegetipps kurze SMS an Claudia Effenberg.

Am Abend haben sich die großen und kleinen Spieler nach der vielen Bewegung an der frischen Luft ausgetobt. Mit geröteten Bäckchen stürmen sie die gute Stube, sie sind hungrig und essen brav die angebrannten Makkaroni auf, bevor sie Trikots tauschen und sich ohne "Mami-wir-wissen-wo-dein-Auto-steht"-Protestgesänge gegenseitig zu Bett bringen. Jetzt hat die Spielerfrau Muße, um Fanpost und Werbevertragsangebote zu sortieren und zuzusehen, wie die großen und kleinen schlammverkrusteten Jogginghosen auf der Heizung ganz starr werden.

Und dann ist der Rasen immer so schön grün im Stadion. Als Spielerfrau wäre man umgeben von Feiervolk und dem herb-süßen Duft frischgetrimmten Grases. Im Leben dürften niemals mehr trübe Gedanken aufkommen.

In der Theorie hört sich das alles recht nett an. Doch was kann man tun, wenn man in einem vorstädtischen Bürohochhaus sitzt? Zum Beispiel das Zimmer des Kollegen mit Allianz-Arena-Blick besuchen, zusehen, wie die makellose Stadionhaut in der Sonne schillert und seufzen, weil das Spielerfrauenglück wohl ebenso unerreichbar ist wie eine FC-Bayern-Dauerkarte.

Abseits des morgendlichen Nutella-Fluchs auf Lebenszeit, ergeben sich für eine Spielerfrau noch ganz andere Nachteile, findet Christina Herbert.

Zugegeben: Bisher haben sich die deutschen Kicker im internationalen Trend des Seitenspringens noch nicht so sehr hervorgetan wie etwa ihre englischen Kollegen. Aber früher oder später wird auch diese Welle zu uns herüberschwappen und wenn es soweit ist, will ich nicht dabei sein.

Durch die körperliche Betätigung bleibt ein Profifußballer sehr lange sehr attraktiv - eben nicht nur seines Geldes wegen. Die kicken mitunter noch mit Ende 30, als hätten sie sich nicht knappe drei Jahrzehnte durchs Leben geschwalbt und gefoult. An der Seite des hoch attraktiven Profisportlers steht man als Spielerfrau also unter anhaltendem Konkurrenzdruck. Noch dazu werden die Fans immer jünger und straffer - zumindest im Vergleich zum eigenen fortschreitend krähenfußgesichtigen Erscheinungsbild.

Man stelle sich die Situation außerhalb der Stadien einmal vor: Gut blondierte Damen in unsportlich eng sitzenden Tops warten allwöchentlich darauf, meinem Angetrauten in die bestplatzierte Bild-Schlagzeile zu verhelfen. Das innere Auge titelt für den Erfolgsfall mit: "Erwischt! Die süße Lisa von Seite eins im Kicker-Hotel!" oder schlimmer noch: "Fußballer betrügt seine Frau - kein Wunder!". Selbst wenn dies reine Hirngespinste von öffentlicher und privater Demütigung bleiben sollten - die Zweifel sind da. Vor allem morgens, im Spiegel.

Und diese Bedenken nur, weil man weltweit als Accessoire wahrgenommen wird. Wenige Beispiele sind bekannt, bei denen es sich andersherum verhalten hat. Allein dafür gebührt Victoria Beckham Respekt.

Das Styling-Dilemma als Accesoire ist nur schwer zu umgehen: Macht man sich schick, wird einem insgeheim sowie öffentlich nur ein Berufsziel mit entsprechendem IQ-Klischee angedichtet - Model. Bestenfalls Moderatorin. Lässt man Natur und Zufall freien Lauf und lächelt nicht bei jeder Gelegenheit verzückt der Kamera entgegen, fragt sich jeder - im Glücksfalle nicht öffentlich -, was denn ein Fußballstar mit einer so ausstrahlungsfreien Person anfängt.

Nach wenigen Jahren und vielen Transfers, müsste man als Spielerfrau wahrscheinlich auch noch einsehen, dass Model oder Moderatorin die beste Wahl ist, will man überhaupt einen Beruf ausüben. Als Psychologin, Philosophin oder Grundschullehrerin hätte man in Chelsea und Barcelona wohl eher schlechte Karten. Bleibt nur noch die mehrfache Gebärtätigkeit und anschließende Dauerdiät - denn das angetraute Sixpack steht immer noch auf dem Platz und sieht immer noch verdammt heldenhaft aus, wenn er nach dem Foul inklusive schmerzverzehrtem Gesicht einfach weiterspielt.

Mit einem starken Charakter und einem mehr als guten Selbstbewusstsein mag man diese auf Äußerlichkeiten beschränkten Bedenken über Bord werfen. Schlimmer noch ist dabei eine ganz andere Aussicht: Man wird die innere Rangliste des Liebsten niemals anführen. Die härteste Konkurrenz ist immer noch namenlos, rund und schnöde schwarz-weiß. Im Grunde ergeht es der Spielerfrau wie der deutschen Nationalmannschaft - was fürs Herz, aber am Ende doch nicht Nummer eins.

Selbst in diesem Vergleich hat der Sport den entscheidenden Vorteil: Die Nationalmannschaft hat wenigstens noch eine Chance.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.973667
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/pfau
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.