Süddeutsche Zeitung

Stil:Fingerverstecken

Einige Politiker tun, wofür Kinder manchmal angemotzt werden: Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Was steckt dahinter?

Von Nina Himmer

"Nimm die Hände aus den Hosentaschen!" ist so ein Satz, den Eltern manchmal sagen: beim Probereferat, beim Kirchenbesuch, im schicken Restaurant - dann eben, wenn es ein bisschen offizieller wird. Früher galt es als sehr unhöflich und respektlos, die Hände in die Hosentaschen zu verstecken. Vor allem im Gespräch mit anderen. Zum Teil kann man das mit der Vergangenheit erklären. Einst hieß Hände aus den Taschen: Ich komme in friedlicher Absicht, ohne Waffe. Auch psychologisch macht es einen Unterschied, ob man die Hände sehen kann oder nicht. Sichtbare Hände signalisieren: Ich habe nichts zu verbergen. Generell sind Hände praktisch, wenn man mit anderen spricht. Sie können mitreden, Worte betonen. Offene Hände wirken zudem viel freundlicher und zugewandter als verschränkte Arme oder versenkte Hände. Trotzdem gibt es viele berühmte Fingerverstecker. Den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama oder den französischen Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy zum Beispiel. Können die sich etwa nicht benehmen? Wahrscheinlich ist, dass sie die Geste als Zeichen der Macht verstehen und sich in manchen Situationen bewusst etwas respektlos verhalten. Vielleicht ist es aber auch einfach als Lässigkeit getarnte Aufregung? Finger verraten nämlich viel, etwa wenn sie zittern oder nervös wandern. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hat diese Woche vor dem Angriff auf die Ukraine bei einer Rede seine Hände versteckt, er umklammerte damit die Tischkante. Was könnte das bedeuten?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5536234
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.02.2022
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.