Stars "ganz privat":Die Paparazzi und ihre willigen Opfer

Es ist Sommer, und die Prominenz räkelt sich auf der Yacht, streng bewacht von Fotografen - warum schauen wir nur so gerne hin?

Christian Mayer

Schaumkronen umspielen die Füße des alternden Rocksängers, das Handtuch hat er um die nicht mehr ganz schlanken Lenden gebunden - so entsteigt Rod Stewart dem Mittelmeer am Strand von Portofino. Dagegen Michael Ballack auf Ibiza, zärtlich turtelnd mit seiner Frau Simone! An seinem klar strukturierten Oberkörper kann sich auch das jüngere Publikum delektieren. Und was macht der aufgedunsene Kollege Ronaldo, der frühere Weltfußballer? Er sieht mit seiner komischen Strandfrisur aus wie ein begossener Pudel, aber immer noch besser als Dieter Bohlen, der sich mit einem Gummiboot vergnügt. In St. Tropez urlaubt derweil der russische Freizeit-Admiral Roman Abramowitsch mit Freundin Daria, von der wir nun wissen, dass sie an Bord der Luxusyacht Pelorus, die über ein eigenes Raketenabwehrsystem verfügt, klodeckelgroße Sonnenbrillen trägt. . .

Sonst noch was? Oh ja. Giorgio Armani soll angeblich 74 Jahre alt sein, doch seine unbehaarte Designerbrust wirkt straff und wundersam gefestigt, vielleicht eine Folge seiner unendlichen Strandspaziergänge.

Es ist Sommer, auch wenn in heimischen Gefilden nicht viel davon zu spüren ist. Und wer sich die Hochsicherheitsanlagen der Oberklasse nicht leisten kann, kann sich trösten: Die Portofino-Prominenz, die Marbella-Hupfdohlen und die halbnackten Oligarchen von Capri geben in den einschlägigen Blättern auch nicht unbedingt ein schöneres Bild ab als die Nachbarn am Baggersee. Dennoch ist man immer gerne dabei, wenn sich Uma Thurman wieder mal einen Multimillionär geangelt hat, der ihr die Taschen bis zum Liegestuhl trägt.

Wir sehen uns selbst

Wie beim Blick in den Spiegel sieht man in den Klatschkolumnen vertraute Ansichten, etwas schickere Spielarten des eigenen Ferien-Ichs. Zumal die angeblichen Strand-Sensationen oft an jene Digitalbilder erinnern, die am Ende des Sommers Millionen Chipkarten füllen. Wer nicht ständig fotografiert, ist ja gar nicht weg gewesen; wer nicht im Crystal Beach Club von St. Tropez einen überteuerten Cocktail getrunken hat, soll gleich zu Hause bleiben. Zwar verfügt nicht jeder Pauschaltourist über eine Yacht, aber mit Problemzonen, Sonnenbrand und peinlichen Situationen kennen sich die meisten aus. Mit einer Mischung aus Neid und Anerkennung verfolgen wir Ivana Trump im südfranzösischen Millionärscamp: Wir wären gerne auch mal da, hätten auch gerne knackige Liebhaber aus Südeuropa, trösten uns aber damit, dass die Trump-Tussi runzlige Füße hat oder einen affigen Strohhut trägt. Oft erhöht Schadenfreude den Genuss des Betrachters ganz erheblich: Wenn der zerzauste Sardinien-Schreck Flavio Briatore seine Wampe auspackt, wenn er junge Frauen tätschelt, sind die Leser zufrieden - und Bild und Bunte auf Ballermann-Niveau.

Die heiße Ware verliert in Zeiten der Bilderinflation allerdings rasch an Wert. Früher konnte man mit unscharfen Fotos von Lady Diana und Dodi al-Fayed noch ein Vermögen verdienen; das Zeug verkaufte sich so gut wie heute die verwackelten Kunstfotos von Gerhard Richter. So richtig teuer wird es nur, wenn die wenigen Superstars den Ausstoß künstlich verknappen. Die Schauspieler Angelina Jolie und Brad Pitt zeigen in diesem Sommer, wie das geht: Fotos der beiden Jolie-Pitt-Zwillinge könnten Rekordpreise von bis zu 12,5 Millionen Euro erzielen, weil die zuständigen Hofberichterstatter ihre Lizenzware flächendeckend über den Globus verteilen. Bis es so weit ist, bleibt den Voyeuren zu Hause nichts anderes übrig, als sich an den üblichen Machwerken zu ergötzen. Meist sind das verschwommene Impressionen ("Exklusiv - die ersten Fotos nach der Geburt"), die irgendein Beuteknipser heimlich vom Nachbargrundstück aus eingefangen hat. Auf diesen Bildern sieht die Zwillings-Produzentin Angelina Jolie so aus, als hätte ein Dreijähriger draufgehalten - ohne Autofokus.

Für die Begleiter von Fußballstars und Filmgrößen wird es zunehmend schwierig, ihre frisch gefischten Prominenten gewinnbringend in den Bilderfluss einzuspeisen. Nicht selten sind es inzwischen Amateure, denen ein echter Ferien-scoop gelingt: Als Franjo Pooth kürzlich mit seiner Verona in ein Luxushotel flüchtete, wurde er gnadenlos abgeschossen - von einem Hotelgast, der nichts Besseres zu tun hatte, als der feixenden Boulevardpresse den insolventen Fünf-Sterne-Franjo zu übermitteln.

Man muss sich nur einmal ansehen, wie der amerikanische Schmusesänger James Blunt ("You're beautiful") in dieser Woche seinen Badeurlaub auf Formentera verkauft. Offenbar hat der 30-Jährige eine ganze Modelagentur gemietet, um die Sensationsgier des Publikums zu befriedigen. Das Ganze soll aussehen wie ein heimlich gefilmter Flirt, ein spontanes Po- und Busen-Theater, ist aber dermaßen perfekt inszeniert, dass man zu dem Schluss kommen muss: Viele Paparazzi von heute haben ihre Opfer längst gekauft - oder sie sind selbst Nebendarsteller in einem abgekarteten Spiel. Auch spontane Abenteuer können sehr berechnend sein, mit unberechenbaren Folgen. Der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping hat das einst bei einem Einsatz auf Mallorca vorgemacht, und zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass er wirklich schwer verliebt war. Wer sich im Hotelpool beim Plantschen mit einer Gräfin ablichten lässt, ist nicht nur nass bis auf die Haut und blamiert bis auf die Knochen - er kommt auch noch groß raus. Und sei es nur für einen Sommertag.

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