Süddeutsche Zeitung

Stammzellen-Spender:Ein Designer-Baby für Felix

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Weil ihr vierjähriger Sohn an einer schweren Stoffwechselkrankheit leidet, darf ein schwedisches Paar erstmals ein Kind zeugen, das rettende Stammzellen in sich trägt.

Gunnar Herrmann

Der vierjährige Felix Richardson wird wohl erst in ein paar Jahren begreifen, wie wichtig das Frühjahr 2007 für ihn gewesen ist. Seine Eltern werden ihm bestimmt erzählen von der großen Erleichterung, mit der sie am 29.Mai die Entscheidung der schwedischen Sozialbehörde aufgenommen haben: Sie dürfen ihr drittes Kind vor der Schwangerschaft genetisch testen lassen.

Auf diese Weise können die Ärzte nach einer künstlichen Befruchtung das richtige Geschwisterchen auswählen - das Geschwisterchen, das in der Lage ist, Felix das Leben zu retten. Es ist das erste Mal, dass in Schweden gestattet wird, auf diese Weise ein Kind mit besonderen Eigenschaften zu zeugen. Mit den Richardsons erhielten noch zwei weitere Familien die Genehmigung für das umstrittene Verfahren, das in Deutschland verboten ist.

Helena und Fredrik Richardson - Felix' Eltern - hatten monatelang um die Zustimmung der Behörden gekämpft. "Ein Nein wäre gleichbedeutend mit einem Todesurteil", sagte Helena Richardson einmal in einem Zeitungsinterview. Ohne Gentechnik würde Felix an einer erblichen Stoffwechselkrankheit sterben, die schwere Schäden im Gehirn verursacht.

Für Felix' älteren Bruder können die Ärzte nichts mehr tun

Sein älterer Bruder Matthias ist vor zwei Jahren daran erkrankt. Heute ist der Elfjährige stumm, blind und taub - und sein Zustand verschlechtert sich, die Ärzte können nichts für ihn tun. Da Felix die Anlagen zu der tödlichen Krankheit in sich trägt, kann sie jederzeit auch bei ihm ausbrechen. Retten können ihn dann nur gesunde Stammzellen vom gleichen Gewebetyp. Die Eltern hatten vergeblich einen passenden Spender gesucht, ein Bruder oder eine Schwester mit dem passenden Erbmaterial ist Felix' letzte Hoffnung.

Die Zeugung eines "Designer-Babys" ist in Schweden nur unter strengen Auflagen gestattet, wenn Eltern damit das Leben eines ihrer anderen Kinder retten können. Alle Alternativen müssen zuvor ausgeschöpft worden sein. Dies war bei den Richardsons offenbar der Fall. Selbst Sozialminister Göran Hägglund, eigentlich ein Gegner des Verfahrens, ließ über eine Sprecherin ausrichten, die Entscheidung der Behörden im Falle Richardson sei sicher korrekt.

Ein paar Wochen zuvor hatte Hägglund noch erklärt, hätte er das Sagen gehabt, wäre die genetische Untersuchung von Embryos nie erlaubt worden. Die Gesetzesänderung, welche die Richardsons nun nutzen, war am 1. Juli 2006 in Kraft getreten. Das war vor der Parlamentswahl und Christdemokrat Hägglund saß damals in der Opposition.

Einer der Hauptkritikpunkte an dem Verfahren ist, dass es bei dem durch Genauslese gezeugten Kind später zu psychischen Probleme kommen könnte, wenn es herausfindet, dass es nur deshalb auf die Welt kam, um jemand anderen zu retten. Die Richardsons halten diesen Einwand für Quatsch. "Wir wollten ohnehin ein drittes Kind", sagte Vater Fredrik der Zeitung Svenska Dagbladet, "es wird genauso geliebt wie Matthias und Felix."

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Quelle:
SZ vom 4.6.2007
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