Spreebogen:Schröders Leben

Spreebogen: Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Wer behauptet, dass Journalisten eitel sind, hat wirklich überhaupt keine Ahnung. Zum Beispiel nachzuschauen, wie oft man in der neuen Schröder-Biografie zitiert wird, hat nun wirklich gar nichts mit Eitelkeit zu tun.

Von Nico Fried

Neulich habe ich die Biografie von Gregor Schöllgen über Gerhard Schröder auf den Tisch bekommen. Der Wälzer hat 1040 Seiten, und weil Schöllgen ein ordentlicher Historiker ist, enthält das Buch auch ein Personenregister. Ich habe selbstverständlich als Erstes nachgesehen, ob ich drin stehe. Und da schau her: Nico Fried, 821f.

Ich bin nicht eitel, ach wo, überhaupt nicht. Aber wenn man in einem historischen Werk erwähnt wird, hat man Geschichte geschrieben. Logisch. Mein Name findet sich im Personenverzeichnis zwischen dem früheren Wirtschaftsminister Hans Friederichs und Friedrich Wilhelm III., König von Preußen. Keine Ahnung, was die in einem Buch über Schröder zu suchen haben. Trotzdem bin ich über Friederichs ganz froh, obwohl er mal wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Aber ohne ihn wäre ich im Verzeichnis noch näher an Roland Freisler herangerückt. Das aber ist eine Nachbarschaft, auf die ich gut verzichten kann.

821f. Das f steht bekanntlich dafür, dass die Seite 821 allein für die mit meinem Namen verbundene Episode nicht ausgereicht hat, sondern auch noch die folgende Seite 822 notwendig war. Es muss also schon etwas Bedeutendes gewesen sein, wenn es so viel Platz in Anspruch nimmt. Auf zwei Seiten von Gerhard Schröders etwa 1000-seitigem Leben spiele ich eine Rolle, das sind 0,2 Prozent vom Dasein des ehemaligen Kanzlers. Um es mit Schröder selbst zu sagen: Das wurde mir nicht an der Wiege gesungen. Und ihm auch nicht.

Meine offenbar bemerkenswerte Rolle in Schröders Leben wird noch beachtlicher, wenn man bedenkt, dass ich während seiner Kanzlerschaft ein junger, unerfahrener Korrespondent und auch gar nicht für den Bundeskanzler zuständig war. Ich erinnere mich, dass ich erst in Schröders letztem Amtsjahr mal die Gelegenheit bekam, im Hubschrauber mit ihm nach Schleswig-Holstein zu fliegen. Ich hatte mir eine ganze Liste mit Fragen notiert und saß ihm auch die ganze Zeit gegenüber, nur leider war an ein Gespräch wegen der donnernden Rotoren nicht zu denken. Er hat fast den ganzen Flug aus dem Fenster geschaut.

Normalerweise aber schrieben andere über Schröder, zum Beispiel mein damaliger Büroleiter, der heute mein Chefredakteur ist: Kister, Kurt 220, 581, 617, 635, 670, 684, 761, 851, 868, 873, 877, 880, 946 - dreizehn Erwähnungen, genau wie Günter Bannas von der FAZ. Dank des fs erscheine ich in Schröders Leben aber immerhin wichtiger als Hubert Burda (460, ohne f), Bill Gates (317, ohne f) oder Sabine Christiansen (848, ohne f, außerdem wird sie erst nach mir erwähnt).

Ich habe dann mal nachgeschaut, was auf den Seiten 821f eigentlich steht. Es handelt sich um einen Bericht der SZ über eine Bundestagsdebatte am 17. März 2005. Die Autoren sind Nico Fried und Christoph Schwennicke. Aus diesem Bericht zitiert Schöllgen eine längere Passage, die den Auftritt Schröders schildert, sehr anschaulich, gut beobachtet, schön geschrieben. Ich erinnere mich an diesen Artikel. Ich weiß genau, wer diese Passage geschrieben hat. Ich war's nicht.

Bloß gut, dass ich wirklich überhaupt nicht eitel bin.

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