Spreebogen:Fahrstuhl in den Krieg

Spreebogen: Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Wer mit den Berliner Politikern ganz nach oben oder nach unten will, erlebt oft die besten Geschichten. Allzu zartfühlend sollte man als Mitfahrer allerdings nicht sein - es kann auch mal ruppig zugehen zwischen zwei Stockwerken.

Von Nico Fried

Neulich habe ich einen Empfang der SPD-Bundestagsfraktion besucht. Die Veranstaltung fand im Bundestag statt, auf dem Stockwerk, wo die Sitzungsräume der Fraktionen liegen. In der Mitte der sogenannten Fraktionsebene hat man einen schönen Blick hinunter in den Plenarsaal, darüber wölbt sich die Kuppel des Reichstagsgebäudes. Der Fraktionssaal selbst war an diesem Abend voll besetzt, der Vorsitzende Thomas Oppermann hielt eine Rede.

Vor der Tür stand auf einem Schild, dass im Nebenraum eine TV-Übertragung zu sehen sei. Ich dachte, man könne das Champions-League-Hinspiel Barcelona gegen Bayern sehen. Aber es wurde nur die Rede von Oppermann gezeigt. Deshalb konnte ich nicht lange bleiben.

Wenn man von der Fraktionsebene ins Erdgeschoss will, wo sich Ein- und Ausgang der Abgeordneten und Journalisten befinden, nutzt man einen von vier Fahrstühlen. Die Türen sind aus Glas. Die beiden Seitenwände sind mit Spiegeln versehen. So sieht man unzählige Male das eigene Spiegelbild, eine lange Kolonne aus sich selbst in einem endlosen Tunnel.

Im parlamentarischen Alltag treffen sich in den Fahrstühlen gelegentlich Politiker und Journalisten. Ich verbinde mit solchen Fahrten zwei Begebenheiten. Die erste trug sich im August 2001 zu, als das Parlament über einen Bundeswehreinsatz in Mazedonien abstimmen sollte. Das hatte in allen Fraktionen Ärger gegeben, natürlich auch bei den damals mit der SPD regierenden Grünen. Außenminister Joschka Fischer musste mühsam um die Stimmen werben. Wortführer der Einsatzgegner war mal wieder Hans-Christian Ströbele. Als Fischer mit dem Lift zur Abstimmung im Plenarsaal fuhr, stieg auch Ströbele ein. "Ist das der Aufzug der Dissidenten?", fragte er, worauf Fischer antwortete: "Oh nein, hier fährt die Bundesregierung." Und mit der ihm eigenen Ironie fügte Fischer hinzu: "Dies ist der Fahrstuhl in den Krieg." Ströbeles Konter kam prompt und trocken: Darauf wäre er gut vorbereitet, "anders als du, Joschka, habe ich nämlich gedient".

Die zweite Begebenheit stammt aus den Zeiten der ersten großen Koalition unter Angela Merkel. Schon damals gab es dauernd Zoff zwischen Union und SPD. Eines Tages betrat ein sehr wichtiger Sozialdemokrat schon sichtlich verärgert den Fahrstuhl, maulte unablässig über einen genau so wichtigen Kollegen von der CDU und titulierte ihn schließlich unter beifälligem Nicken selbst der umstehenden sozialdemokratischen Damen mit einem Schimpfwort, das ich hier aus Rücksicht auf empfindliche Gemüter wie meinen ehemaligen Büroleiter, der heute mein Chefredakteur ist, nicht zitieren darf. Man kann das Wort erahnen, wenn man eine Umschreibung dafür sucht, dass jemand auf einer Ebene Schuhe putzt.

Wenn das in der Zeitung gestanden hätte, wäre der Ärger groß gewesen. Ich entschied mich aber, nicht darüber zu schreiben, weil der SPD-Politiker mich offenkundig nicht gesehen hatte. Das war wahrscheinlich ein Fehler von mir. Aber damals war ich noch jung und fair.

Kein Fehler war es übrigens von der SPD-Fraktion, auf ihrem Empfang nicht dieses elende Fußballspiel zu übertragen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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