Spreebogen:Der Abschied

Spreebogen: Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Nico Fried wurde 1966 in Ulm geboren. Er leitet seit 2008 das Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin und trägt auch im Sommer meistens feste Halbschuhe.

Unser Autor hat sich schon mit den verschiedensten Formen des Rücktritts von Politikern beschäftigt. Dem angekündigten, dem herbeigesehnten und dem nie thematisierten. Nun stellt sich die Frage, wie geht man eigentlich damit um, wenn ...

Von Nico Fried

Neulich habe ich darüber nachgedacht, mit welchen Politikern ich schon über das Aufhören geredet habe. Ich meine damit nicht die Forderung: Treten Sie zurück! Die habe ich persönlich gar nicht oft erhoben, weil ich mal von einem klugen Kollegen gelernt habe, dass man als Journalist ein bisschen blöd dasteht, wenn der Politiker dann sagt: Nö. Besser ist es, er kommt selber drauf. Oder sie. Dann kann man immer noch schreiben, dass es höchste Zeit gewesen sei.

Der erste, mit dem ich übers Aufhören geredet habe, war 2007 der damalige Vizekanzler Franz Müntefering. Ein Kollege und ich fragten ihn, es war kurz nach dem Ende der Ära Edmund Stoiber, welche Bedeutung ein guter Abgang für einen Politiker habe. Müntefering antwortete, das sei bestimmt wichtig, aber jetzt wolle er an der Reckstange der Politik noch ein paar Runden drehen. Das hat er in den Jahren danach auch gemacht, ziemlich schwungvoll sogar, um nicht zu sagen wild. Müntefering ist ja bis heute der Einzige, der sogar den doppelten SPD-Vorsitz geturnt hat.

Der letzte, mit dem ich übers Aufhören geredet habe, war der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Genauer gesagt, sprachen wir über das Aufhören von Angela Merkel. Seehofer erweckte damals - die Flüchtlingskrise hatte noch nicht richtig begonnen - den Eindruck, dass Merkel noch viele, viele Jahre weitermachen könne. Mittlerweile scheint er sich da nicht mehr ganz so sicher zu sein. Umgekehrt hat man das Gefühl, dass Seehofer sich gerne von seinem eigenen angekündigten Abschied verabschieden würde. Der Ich-bin-wohl-doch-unersetzlich-Keim ist in der Politik inzwischen eben ziemlich multiresistent.

Mit Angela Merkel übers Aufhören zu reden ist eine aussichtslose und sehr kurze Veranstaltung. Sie redet gar nicht darüber. Bei ganz wichtigen Politikern ist nämlich das belangloseste Darüberreden schon der Anfang vom Ende, weil dann alle nur noch übers Aufhören reden, selbst wenn der Politiker nichts mehr dazu sagt.

Ein Kolumnist hat's da leichter. Irgendwann geht einfach der Vorrat an Anekdoten zur Neige. Selbst wenn man einen heutigen Chefredakteur hat, der früher mal mein Büroleiter war, der einen immer wieder zu überraschen vermag. Irgendwann, ganz ehrlich, fällt einem einfach immer weniger ein. Und der Vergleich mit dem Reckturnen scheitert bei mir ohnehin schon am Felgaufschwung.

Deshalb habe ich neulich ein ernstes Gespräch mit mir geführt. Ich habe nicht gesagt: Tritt zurück. Ich wollte nicht blöd dastehen, wenn ich geantwortet hätte: Nö. Stattdessen habe ich mich dazu gebracht, von selbst draufzukommen. Deshalb ist dieser Spreebogen der letzte.

Sonst schreibt noch einer, es sei auch höchste Zeit gewesen.

Auch in Zukunft wird an dieser Stelle eine Kolumne stehen. Aber bis sich der Neue an die Arbeit macht, ist erst einmal Kolumnenpause.

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