Spreebogen:Das Hauptgespenst

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Kurt Kister ist Leitender Redakteur und Autor der Süddeutschen Zeitung. Von 2011 bis zum Sommer 2020 war er auch deren Chefredakteur. (Foto: SZ)

Franz Josef Strauß war einer der wenigen Politiker, die kaum jemanden kalt ließen. Entweder die Menschen verehrten ihn oder sie lehnten ihn ab. Die einen hielten ihn für einen Mauschler, die anderen für den besten Landesvater.

Von Kurt Kister

Es reicht eigentlich aus, die Songs von Bob Dylan und Joan Baez zu kennen, wenn man die Welt verstehen will. Die beiden hatten sogar mal was miteinander, und Joan Baez hat als memento amoris das wunderbare Lied "Diamonds and Rust" geschrieben. Es beginnt mit den Zeilen: Well, I'll be damned/ here comes your ghost again . . . verdammt noch mal, hier ist schon wieder dein Geist.

Genauso kann es einem in diesen Wochen gehen, wenn man in München lebt und mal was mit Franz Josef Strauß hatte. Keine, um Gottes willen, Affäre, aber alle politisch interessierten Westdeutschen, die älter sind als, sagen wir, um die fünfzig, hatten was mit Strauß. Sie verehrten ihn oder lehnten ihn ab, sie hielten ihn für einen korrupten Mauschler oder für den besten Landesvater, den Bayern je hatte. Strauß war einer der wenigen Politiker, die kaum jemanden kaltließen. Er war einer aus der Kriegsgeneration, Offizier, und vertrat Ansichten über Frauen, Andersdenkende, Transparenz oder politische Moral, die, verträte heute einer solche Ansichten, in jedem Fall verhindern würden, dass der ein politisches Amt bekäme - nicht mal in der CSU.

Strauß jedenfalls ist am 6. September vor hundert Jahren geboren worden, und es gibt Ausstellungen, Plakate, Veranstaltungen. Ich kämpfe mich gegenwärtig durch eine dickleibige Biografie eines Historikers, die stellenweise so apologetisch ausfällt, dass man den Eindruck hat, an der Spiegel-Affäre seien eigentlich Adenauer und Augstein schuld gewesen. Dies ist gerade heute komisch, da ein seltsamer Verfassungsschutzpräsident nach jenem scheuen Tier Landesverrat suchen lassen wollte, das Strauß schon 1962 in nicht nur einer Redaktion witterte.

So anstrengend deutsche Historiker auch manchmal schreiben, sie sind dennoch fleißig. In der Strauß-Biografie werden jede Menge Geister heraufbeschworen, nicht nur das Hauptgespenst FJS, historiografisch und moralisch etwas gebotoxt, sondern eine ganze Menagerie Gewesener, darunter Erich Mende, der mit dem Ritterkreuz, Baron Guttenberg, Opa des jungen Blenders und CSU-Strauß-Antipode, oder Alfons Goppel selig.

Es waren wirklich andere Zeiten damals. An einem wie Strauß wird das sehr deutlich. Zwar war der Mann auch üblen Angriffen ausgesetzt, Beleidigungen, Drohungen. Er bolzte aber nach Kräften zurück und manchmal voraus. In der RAF-Krise während der Schleyer-Entführung schwadronierte er laut Helmut Schmidt davon, dass der Staat doch auch "Geiseln" habe. Mehr als jeder andere verkörperte Strauß manchmal jenes "gesunde Volksempfinden", vor dem sich viele Westdeutsche angesichts der Volksempfindens-Geschichte in unserem Lande eher fürchteten.

Für die CSU ist Strauß heute ein Säulenheiliger, auch wenn niemand die Säule sein möchte, auf der Strauß sitzt. Nach ihm gab es keinen mehr wie ihn. Das pflegt die Partei und gleichzeitig ist sie froh darüber. Edmund Stoiber ist, im Vergleich zu ihm, zumal im Alter, ein nachdenklicher Staatspositivist; Huber und Beckstein waren eher Herbert und Schnipsi, und der Horsti Seehofer ist eigentlich Markus Söder, nur 18 Jahre älter.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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