Sportartikelmesse:Surfen auf Kaffeebechern

Die Sportartikelhersteller entdecken die Natur und reiten die Öko-Welle. Mit recycelten Surfboards und Taschen aus Fischernetzen.

Birgit Lutz-Temsch

Surfer, Bergsteiger und Taucher haben eines gemeinsam: Big Waves lassen sich nicht künstlich erzeugen, die Besteigung des Matterhorns ist schwer zu simulieren und ein Schwimmbecken erinnert nur schwach an die geheimnisvolle Weite eines Ozeans. Viele Freizeitsportler brauchen für ihren Spaß vor allem eins: die Natur, echt und draußen.

Sportartikelmesse: Der Bergmönch - bergauf ein Rucksack, bergab ein Rad.

Der Bergmönch - bergauf ein Rucksack, bergab ein Rad.

(Foto: Foto: dpa)

Was dabei oft auseinanderklafft, ist die gefühlte Naturverbundenheit der Sportler und ihr in der Realität nicht besonders naturfreundliches Verhalten: Denn Surfbretter, Funktionskleidung oder Taucheranzüge sind heute Hightech-Produkte, die sowohl in der Herstellung als auch in der Entsorgung zum Großteil eher das Gegenteil von umweltfreundlich sind.

Die Internationale Sportartikelmesse (Ispo), am Sonntag in München eröffnet, hat deshalb den zahlreichen Awards, mit denen sich die Branche jährlich selbst feiert, nun erstmals den Eco Responsibility Award hinzugefügt - Auszeichnungen für Anbieter, die neben Form und Funktion auch den Umweltgedanken berücksichtigen.

In der Kategorie Footwear hat Atomic dabei den Zeh vorne: Mit einem Skischuh, der zu 80 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt ist, die außerdem wieder verwertet werden können. Gerade Skischuhe haben es sonst in sich: Ihre Kunststoffe basieren in der Regel auf Erdöl. Ungewöhnliche Materialien verwendet auch die schwedische Firma Klättermusen, die aus alten Fischernetzen und abgenutzten Teppichböden einen Rucksack produziert hat.

Mit den Giften in den Skiern hat sich der Hersteller Völkl auseinandergesetzt: Er wurde für seinen Tourenski Nanuq prämiert, der weitgehend ohne Kunstharz und andere toxische Stoffe auskommt und trotzdem gute Fahreigenschaften hat.

Hätte Ötzi Funktionskleidung getragen, er wäre vermutlich vollständig angezogen gefunden worden, so schwer abbaubar sind viele der Plastikmaterialien - aber die Firma Zimtstern hat jetzt eine atmungsaktive Sympatex-Membran konstruiert, die komplett recycelbar ist.

Den Gesamtsieg der BrandNew Awards bekam das Team von 2Imagine: Mit einem Surfboard, dessen Kern aus dem Styropor von alten Kaffeebechern und Verpackungen besteht - also aus recyceltem Material, das ebenfalls wieder verwertbar ist. Laminiert wird das Ecoboard nicht mit Fiberglas, sondern mit flexiblen Bambusfasern - dadurch soll das Brett laut Hersteller zudem bruchsicherer sein als herkömmliche Boards und lebendigere Fahreigenschaften haben.

Keine Revolution

Ansonsten ist auf der Ispo keine Revolution in Sicht. Innovationen, die einen ähnlichen Erfolg versprechen wie vor Jahren der Carvingski gibt es keine. Wohl aber immer ausgefeiltere Technologien und Materialverbesserungen, auch abseits des Öko-Trends.

Uvex hat sich mit einem Problem beschäftigt, das viele Skifahrer in den Abendstunden oder beim Wechsel aus der Sonne in den Schatten plagt: der Blindflug, bei dem man keine Erhebungen der Piste mehr wahrnimmt. Mit Skibrille ist es zu dunkel, ohne tränen die Augen beim Fahren. Mit einem Knopfdruck könnte dieses Problem gelöst sein: Bei der Uvision Variotronic kann man von hell auf dunkel umschalten und die Abdunklungsintensität den äußeren Verhältnissen anpassen.

Getüftelt hat auch Atomic - und den Ski in der Mitte geteilt. Vorne und hinten ist beim Vario Cut je eine flexible Zone eingefügt. Je mehr Druck der Fahrer auf den Ski ausübt, desto breiter wird dieser an Schaufel und Ende - dadurch verringert sich der Radius des Skis bei engen Schwüngen um bis zu sechs Meter. Die Idee dahinter: Auch technisch schwächere Skifahrer sollen in wechselndem Tempo und unterschiedlichen Kurven immer perfekt auf der Kante fahren können.

Die Materialentwicklung ist längst durch alle Schichten bis auf die Haut vorgedrungen: Funktionsunterwäsche mit unterschiedlichen Wärmezonen, die an stark schwitzenden Körperstellen dünner und an anderen dicker sind, sind nichts Neues mehr.

Der australische Wäschehersteller Skins hat jetzt zusätzlich noch Druck in seine Kollektion eingewoben und Kompressionshosen und -oberteile entwickelt, die die Blutzirkulation fördern sollen. Laut Hersteller wirken die Kleidungsstücke wie eine Pumpe, die den Rückfluss des Blutes zum Herzen unterstützt - das soll sowohl Ausdauer, Kraft als auch Regeneration nach der Belastung unterstützen.

Interessante Spielereien muss man in diesem Jahr zwar eher suchen - ein paar gibt es aber trotzdem. Der mit einem BrandNew Award ausgezeichnete Multifunktionssack Bergmönch zum Beispiel überträgt den Trend zum Klapprad in die Berge: Aus einem Rucksack, der stolze 9,5 Kilo wiegt, kann man am Gipfel zuerst die Brotzeit holen und dann ein Fahrrad auseinanderfalten - nur zwei Minuten soll es laut Hersteller dauern, bis dann ein vollgefedertes Downhill-Gerät auf dem Weg steht.

Ob sich die Freeline Skates durchsetzen werden, ist fraglich: Sie sind im Grunde Rollschuhe ohne Schuhe; man steht völlig lose auf einer kleinen Plattform mit Rollen. Mehr Standfläche bietet das SoulArc Skateboard: Das geschwungene Board ist der neueste Versuch, das sanfte Gefühl des Wellenreitens auf den harten Asphalt zu bringen. Aber ganz wird es wohl auch hier mit der Simulation der Natur nicht klappen.

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