Süddeutsche Zeitung

Sportartikel und Nachhaltigkeit:"Checken, wem man sein Geld gibt"

In Sportklamotten steckt jede Menge Gift - aber die Industrie wandelt sich. Snowboardstar Nicolas Müller über die Kraft der Kunden .

Thomas Becker

Snowboarder liegen faul auf den Pisten herum und hören laute Musik, so das gängige Vorurteil. Das Herumlungern in zu weiten Hosen zeichnet ein Bild einer hedonistischen Spaßgeneration. Das nicht immer stimmt, denn gerade in der Snowboardszene wächst das Bewusstsein, dass man das nicht zerstören darf, was man für den Spaß so dringend braucht - eine intakte Umwelt. Prominentes Beispiel dafür ist der Schweizer Nicolas Müller, 27, einer der weltbesten Snowboarder. Seinen Namen verbindet man heute vor allem mit dem EcoNico, dem sogenannten grünen Snowboard, das er als einer der ersten mit Burton im Rahmen des "Green Mountain Projects" entwickelte. Bei der US-Firma gibt es mittlerweile mehr als 60 umweltfreundliche Produkte.

SZ: Sehen Sie bei der breiten Masse einen Bewusstseinswandel hin zu nachhaltigerem Handeln oder ist es den meisten immer noch egal, woraus ihre Kleidung und Ausrüstung hergestellt sind?

Nicolas Müller: Ich würde mich schon als Esoteriker beschreiben. Aber ich glaube fest daran, dass es viele Leute leid sind, an der Nase herumgeführt zu werden und immer alles zu akzeptieren: die wirtschaftlichen Systeme, den Informationsüberfluss, durch den man manipulierbar ist, wenn man nicht aufpasst. Man hat einfach keine Zeit mehr, um auf sich selbst zu schauen. Man vergisst sich selbst. Dabei ist man selbst großartig - und kann etwas tun.

SZ: Was kann man denn tun?

Müller: Das muss man sich immer wieder selbst fragen - es gibt überhaupt keine Alternative zu dieser Einstellung. Es kommt der Punkt, an dem man entscheiden muss, ob man sein eigenes Leben führen will oder einfach nur mitmacht. Oder auf Präsidenten wartet, die die Welt verändern. Wenn man sich selbst mal checkt, was man so unterstützt, wem man sein Geld gibt, dann kann man schon sehr viel machen und für sich selbst jeden einzelnen Schritt bewusst gehen. Und wenn das alle machen, dann wird es einen Wechsel geben. Der steht bevor.

SZ: Sehen das die jungen Snowboarder ebenso?

Müller: Die checken mich noch nicht alle, weil ich nur von Umwelt, Nachhaltigkeit und Bio rede. Aber ich bin sicher, dass die auch da hinkommen und merken: Hey, um was geht es hier eigentlich?

SZ: Wie kam es bei Ihnen zum Wandel vom Wettkampfsportler zu einem Menschen, der sich intensiv mit seiner Umwelt befasst?

Müller: Das war ein Prozess. Das Leben allgemein ist ja ein steter Wandel, man entwickelt sich. Irgendwann wiederholen sich diese Snowboardwettbewerbe, und Boarden ist schließlich nicht alles im Leben.

SZ: Gab es einen konkreten Auslöser für das Umdenken?

Müller: Es fing damit an, dass ich Vegetarier wurde. Ich habe gemerkt, dass Bio-Essen einfach viel besser ist und Sinn hat. Dieser Bewegung gebe ich gern mein Geld, und dann wächst sie. Immer mehr Leute geben diesem Thema Zeit, Geld und Aufmerksamkeit, machen sich Gedanken, dass man Sachen auch anders machen kann. Auch beim Snowboarden.

SZ: Wie lief der Prozess denn bei Ihnen ab?

Müller: In dem schlechten Winter 2007 sind wir nach Amerika zum Snowboarden, haben dort die neue Burton-Kollektion bekommen - in Boxen, per Kurier, alles in Plastik verpackt. Tolle Sachen, aber so wenig nachhaltig produziert, so wenig bewusst! Bewusstsein, das ist Liebe. Da haben wir gesagt: Wir fangen jetzt anders an. Und haben begonnen, mit den Leuten bei Burton zu reden. Das ist sehr willkommen gewesen in den verschiedenen Abteilungen: Schuhe, Hardware, Klamotten. Heutzutage funktionieren Produkte und Design technisch und wissenschaftlich super, aber man achtet noch viel zu wenig auf die Rohmaterialien. Warum nicht eine Jacke produzieren, die wieder in den Kreislauf eingehen kann? Oder ein Brett? Aus diesen ersten Gedanken und Gesprächen entstand dann bis 2009 das EcoNico, das grüne Brett. Man hat sich ausgetauscht, und da ist wirklich was passiert. Das geht!

SZ: Wie schwierig ist denn nachhaltige Produktion bei der Hardware, beim Brett?

Müller: Nicht viel schwieriger als die konventionelle. Man kann Giftstoffe reduzieren, die Lackschicht komplett weglassen, sojabasierte Farben, Glasfasern und einen Holz- statt eines Epoxi-Harz-Kerns verwenden. Das mag am Anfang in der Produktion etwas teurer sein, aber spätestens in fünf Jahren wird sich das für die Firmen auch finanziell auszahlen. Meine heutige Ausrüstung besteht aus Stoffen, die zu 80 Prozent recyclebar sind. Und es geht immer weiter. Nicht alle haben im Bewusstsein schon die gleichen Schritte gemacht - aber es werden immer mehr.

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Quelle:
SZ vom 22.02.2010/bilu
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