"Es geht nicht darum, besser zu sein. Es geht darum, besser zu werden"
"Vor zweieinhalb Jahren habe ich angefangen, auch Erwachsene zu trainieren. Es nervte mich, wie all die Eltern auf der Bank saßen, sich kein bisschen bewegten, den Kindern aber dauernd Ratschläge gaben. Parkour hat durch Youtube-Filmchen ein ziemlich klar definiertes Image: weite Sprünge, irre Tricks, wir erobern die Stadt und spielen Stuntman. Jeder normale Erwachsene denkt sich: Verrückt, was die Kids da machen, aber nix für mich. Und ein paar Überhebliche sagen: ,Cool, will ich auch, mach ich aus dem Stand.' Das sind dann die Typen, die mich in den ersten Stunden fragen, ob man mit 40 noch einen Rückwärtssalto lernen kann. Ja, kann man. Wie gut es funktioniert, hängt davon ab, wie beweglich man ist und wie viel man zu üben bereit ist. In den ersten Stunden merken viele erst, dass Parkour ja etwas mit Turnen zu tun hat. Manche sind dann geschockt: Das ist ja wie damals im Schulsport mit den Turnmatten. Andere genießen diese Rückkehr in die Kindheit. Ich habe zum Beispiel einen vierfachen Vater in meiner Gruppe, der unglaublich motiviert ist und einen wahnsinnigen Kampfgeist besitzt. Mittlerweile hat er auch gelernt, sich nicht zu überschätzen. Er ist nicht besonders beweglich, hat ganz viel über seine Motivation hinbekommen. Irgendwann brachte er auch seinen Arbeitskollegen zum Training mit, und dann fingen beide an, kleine Wettkämpfe zu veranstalten. Das sind diejenigen im Training, die sich in Aufgaben richtig verbeißen und fragen: ,Können wir hier noch ein bisschen weitermachen?' Dann gibt es noch die ehemalige Turnerin, Mitte 40, die zusammen mit ihren Kindern kommt. Sie hat nicht die gleiche Sprungkraft wie zu ihrer aktiven Zeit, aber ab und zu packt sie auf der Matte etwas Artistisches aus. Da kommen sofort alle Kinder aus der Nachbarhalle, und sie muss es noch mal vormachen. Für Parkour braucht man sehr viel Kraft und Koordination, aber anfangen kann man auch ohne. Ich versuche immer klarzumachen, dass es nicht darum geht, besser zu sein, sondern besser zu werden. Auf den Standardsatz 'Das kann ich nicht' reagiere ich allergisch. Bei Kindern gibt es für den Satz fünf Liegestütze zur Strafe. Ich sollte damit auch mal bei den Erwachsenen anfangen."