Sparkochbuch:Kochen mit Hartz und Liebe

Essen und Trinken für 4,40 Euro am Tag: Uwe Glinka und Kurt Meier haben ein Kochbuch geschrieben - mit Speisen à la Hartz IV. Eine der goldenen Regeln: Einkaufen im Discounter.

Johann Osel

4,40 Euro pro Tag sieht der Hartz-IV-Regelsatz für Essen und Trinken vor. Viele Kritiker sagen, davon könne man nicht leben. Erst recht nicht gesund und abwechslungsreich. Kurt Meier und Uwe Glinka sind da anderer Ansicht.

Sparkochbuch: Köche knapp bei Kasse: Kurt Meier und Uwe Glinka (links) haben ein Kochbuch für Hartz-IV-Empfänger geschrieben.

Köche knapp bei Kasse: Kurt Meier und Uwe Glinka (links) haben ein Kochbuch für Hartz-IV-Empfänger geschrieben.

(Foto: Foto: dpa)

Die beiden Hartz-IV-Empfänger haben Rezepte für Gerichte gesammelt, die man mit diesem geringen Betrag auf den Tisch bringen kann. Morgen erscheint ihr "Sparkochbuch" in einem Kölner Verlag - mit 75 Hartz-IV-Speiseplänen für Frühstück, Mittag- und Abendessen.

"Wir wissen, wie beklemmend eng es ist, mit dem Hartz-IV-Regelsatz über die Runden zu kommen. Und wir sind nicht die Einzigen, die sich am Ende des Geldes fragen, warum noch so viel Monat übrig ist. Ohne eisernen Sparzwang geht es nicht", sagen die Autoren. Aber dass deshalb bei vielen Hartz-IV-Empfängern eine vernünftige Ernährung auf der Strecke oder schlimmstenfalls die Küche tagelang kalt bleibe, sei erschreckend.

Glinka war früher Verkaufsleiter in einem Autohaus, Meier Informationselektroniker. Nun sind sie Mitte 50 und arbeitslos. Sie wissen, warum man aus der Not eine Tugend machen muss. Die Idee für die Rezeptsammlung hatten die beiden, als bei einer Fortbildung der Arbeitsagentur die Sprache auf Ernährung und Hartz IV gekommen war.

Am Anfang des Projekts stand die Recherchearbeit. Mit Zettel und Stift ausgerüstet klapperten sie Discounter-Märkte ab, um mit den genauen Lebensmittelpreisen die Kosten auf jedes einzelne Rezept herunterzubrechen.

Bei Landfrauenverbänden haben die beiden Autoren nach alten Kochbüchern gefragt - schließlich müsse die Nachkriegsgeneration doch wissen, wie man sich preisgünstig ernährt, dachten sie. Und sie erinnerten sich an die eigene Kindheit in der Nachkriegszeit, etwa an die Steckrübensuppe von Muttern. Vom Grünkohl bis zum Hühnerfrikassee sind nun im "Sparkochbuch" Hartz-IV-kompatible Mahlzeiten aufgelistet.

Auf der nächsten Seite: Wie man für 4,71 Euro ein Putengulasch kocht - und wie die Zukunft der beiden Buchautoren aussehen könnte.

Putengulasch à la Hartz IV

Beispiel Putengulasch zum Mittagessen: Für zwei Personen listen Glinka und Meier haarklein die Kosten auf. 400 Gramm Putenfleisch schlägt in dem Rezept mit 2,40 Euro zu Buche, 250 Gramm Reis mit 24 Cent. 100 Gramm saure Sahne für anteilig 15 Cent, eine Tüte Zwiebelsuppe für 45 Cent, jeweils eine Prise Salz, Pfeffer und Curry summieren sich auf 30 Cent. Ein paar andere Kleinigkeiten noch, fertig: Für zwei Personen kostet das Putengulasch à la Hartz dann 4,71 Euro.

Sparkochbuch: Discounter-Einkauf als "goldene Regel": Wochenmarkt oder Bioladen ist für die Hartz-IV-Rezepte ein Tabu. Von 4,40 Euro am Tag muss sich ein Leistungsbezieher schließlich ernähren können.

Discounter-Einkauf als "goldene Regel": Wochenmarkt oder Bioladen ist für die Hartz-IV-Rezepte ein Tabu. Von 4,40 Euro am Tag muss sich ein Leistungsbezieher schließlich ernähren können.

(Foto: Foto: AP)

Discounter als goldene Regel

Zutaten vom Wochenmarkt oder aus dem Bioladen sind in diesem Preis-Raster nicht vorgesehen. Das Hartz-IV-Kochbuch macht den Einkauf beim Discounter zur Selbstverständlichkeit und wird von den Autoren als "goldene Regel" benannt.

Die andere Frage ist natürlich, ob man sein Putengulasch gerne mit einer Zwiebelsuppe aus der Tüte geschmort haben möchte. Ein selbstgemachter Fond aus frischem Gemüse wäre sicher schmackhafter. Oder frisch zerstoßener Cayenne-Pfeffer anstelle des abgepackten Discount-Gewürzes. Doch: Das alles würde Geld kosten. Geld, das nach Erfahrung der Kochbuchautoren Hartz-IV-Empfänger nicht zur Verfügung haben.

Recherchen im Supermarkt

Glinka und Meier wollten Behörden für ihr Projekt gewinnen - ohne Erfolg. Zugänglicher zeigte sich die Redaktion der RTL-Sendung "Stern TV". Dort waren Glinka und Meier zu Gast und stellten ihr Projekt vor. Eine Ernährungsberaterin beurteilte die Pläne in der Sendung zwar nicht als ideal, aber - abgesehen von zu viel Speck und Eiern - doch als brauchbar.

Und auch eine Hartz-IV-Testfamilie, von RTL angeheuert, gab sich begeistert. Die Gerichte seien häufig so üppig, dass für den nächsten Tag noch etwas übrig bliebe. Durch die RTL-Werbetrommel fand sich nun auch ein Verlag für das Kochbuch. Und Jauch persönlich schnupperte in die Kochtöpfe, als er Glinka und Meier in seiner Sendung ein zweites Mal zu Gast hatte - diesmal am Herd.

Eine Online-Broschüre mit den Kochrezepten, der Vorläufer des Kochbuchs, war ein Riesenerfolg. Laut den Autoren wurde sie mittlerweile eine Million Mal heruntergeladen. Vom Buch selbst ist nun Ähnliches zu erwarten. Die Autoren geben Hartz-IV-Empfängern offenbar die Möglichkeit, sich als Gruppe zu identifizieren. Das ist fast schon eine Marktlücke.

Als Berater im Fernsehen

Eines stellen die Autoren bei all dem Trubel aber klar. Es gehe ihnen auf gar keinen Fall darum, zu beweisen, dass die Hartz-IV-Sätze locker ausreichend für eine gute Ernährung seien. Aussagen umstrittener Wissenschaftler und Politiker, dass die Sätze sogar noch niedriger sein könnten, weisen Glinka und Meier scharf zurück.

Vielleicht haben die beiden Autoren die Sparsamkeit bei der Ernährung aber bald nicht mehr nötig - vorausgesetzt, das Buch verkauft sich entsprechend gut. Angeblich soll ihnen auch schon eine eigene Fernsehsendung angeboten worden sein, in der sie Familien beraten, die von Hartz IV leben müssen.

Verhandlungen gebe es auch mit einer US-Produktionsfirma, die mit den Sparfüchsen eine zweisprachige Kochshow für Rezepte mit Discounter-Ware starten will. Dann könnte das Discounter-Putengulasch in ihrem persönlichen Speiseplan schon bald üppiger ausfallen.

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