Sozialwissenschaftliche Studie:"Schlau ist das neue Sexy"

Nachspielzeit bei der Jobsuche: In der Probezeit wird's ernst

91 Prozent der weiblichen Befragten empfinden es als wichtig, finanziell erfolgreich zu sein

(Foto: Franziska Koark/dpa)

Die hübsche Blondine, die brav den Mund hält, ist bei den Männern out. Das zeigt eine neue Studie über die Erwartungen junger Deutscher. Sie zeigt aber auch: Die Frauen werden wütender.

Von Annette Ramelsberger

Jahrhundertelang war es Männern in erster Linie wichtig, wie ihre Frau aussieht. Attraktiv sollte sie sein, hübsch zumindest, am liebsten aber richtig schön. Intelligenz galt als verzichtbar, manchmal sogar als hinderlich. Es war besser, die Schöne versank in Anbetung vor dem Herrn Gemahl und gab zu Hause keine Widerworte. Das galt - bis jetzt.

Plötzlich wollen Männer kluge Frauen. Wenn heute junge Männer erklären sollen, welche Ansprüche sie an ihre Zukünftige stellen, dann hat die Intelligenz die Schönheit von den vordersten Plätzen verdrängt. "Blond und hübsch und hält den Mund - das geht gar nicht mehr", sagt Brigitte Huber, die Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Brigitte. "Natürlich macht es mehr Spaß, wenn man sich mit seiner Frau auch gut unterhalten kann", sagt Huber. Aber das sei noch nicht alles. "Der Mann will heute eine Frau, die er gesellschaftlich vorzeigen kann. Die kluge Frau ist das neue Statussymbol des Mannes."

Die überraschenden Ergebnisse entstammen einer Studie der Frauenzeitschrift Brigitte, die im Jahr 2007 über 2000 Männer und Frauen zwischen 17 und 29 Jahren nach ihren Zukunftswünschen befragt hatte - und nun 500 dieser jungen Leute erneut interviewte. Geleitet hat die Studie die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Jutta Allmendinger. Sie sagt in Brigitte: "Schlau ist das neue Sexy."

Väter bringen sich kaum mehr ein als früher

Die Männer von heute wollen nicht nur eine kluge Frau, sie wollen auch gleich noch eine finanziell unabhängige Gefährtin. 76 Prozent der Männer können sich der Studie zufolge eine Frau ohne Beruf gar nicht mehr vorstellen und bestärken ihre Frauen auch in Sachen Karriere. 45 Prozent der Männer wollen sogar, dass ihre Frau richtig viel Geld verdient - eine Entwicklung, die sich die Mütter dieser Generation noch kaum vorstellen konnten.

Bis weit in die Siebzigerjahre durfte eine Frau nur dann arbeiten, wenn der Ehemann zustimmte. Und wenn der fand, dass sie lieber seine Hemden bügeln sollte, dann konnte er seine Einwilligung versagen - denn zu allererst hatte die Frau ihre "häuslichen Pflichten" zu erfüllen. Erst 1977 wurde das Eherecht geändert.

Die Männer haben inzwischen die Vorteile der Frauenarbeit erkannt. Sie wollen auf die unabhängige, gut verdienende Frau, die an ihrer Seite glänzt, nicht verzichten - auch nicht zugunsten gemeinsamer Kinder. Deswegen stehen Frauen mit Kinderwunsch ziemlich allein da. Wenn Frauen Kinder wollen, müssen sie das weitgehend allein entscheiden, beim Partner durchboxen und die Folgen allein tragen. Denn der Vater bringt sich 2013 nicht viel mehr in der Familie ein als früher.

"Kinder sind die Zugabe"

Für Professorin Allmendinger ist aber eines ganz deutlich: Die Frauen sind nicht mehr zurückzuscheuchen ins Haus - auch nicht durch noch soviel Betreuungsgeld. Für junge Frauen sind Arbeit und Beruf eine Selbstverständlichkeit. Und wenn sie irgendwo zurückstecken müssen, dann tun sie das nicht bei der Karriere, sondern eher bei den Kindern. "Kinder sind die Zugabe", sagt Allmendinger.

Das hat Konsequenzen: Frauen verschieben ihren Kinderwunsch immer mehr nach hinten - weil sie sehen, wie es den Frauen mit Kindern im Beruf ergeht. Die gehen auf Teilzeitstellen. Das sei zwar alles schön flexibel, findet Allmendinger. "Aber in Wahrheit sind sie aussortiert." Karriere machen die Männer und die Frauen ohne Kinder - auch weil viele Betriebe die Frauen nicht auf Vollzeitstellen zurücklassen. 92 Prozent der Frauen in der Studie hatten vor fünf Jahren angegeben, unbedingt Kinder bekommen zu wollen. Aber nur 42 Prozent haben bisher welche bekommen - die meisten, weil sie Angst hatten, beruflich aussortiert zu werden.

Die Ergebnisse zeigen, wie viel Sprengstoff in der Gesellschaft steckt: Die jungen Frauen werden immer wütender. Sie erleben, dass sie gute Arbeit leisten, aber selten Führungspositionen bekommen. Dass sie für gleiche Arbeit noch immer weniger Geld erhalten als ihre männlichen Kollegen. Und dass auch noch die Familienarbeit an ihnen hängen bleibt.

Wut auf die Politik

Die Wut der Frauen wendet sich gegen ihre Männer - und gegen die Politik. Denn die zwingt sie durch fehlende Ganztagsschulen noch immer in die Teilzeitarbeit, und sie halst ihnen die Rolle als ständige und unbezahlte Nachhilfelehrerin auf, weil die Schulen ihren Lehrauftrag nur teilweise erfüllen.

Die Zahlen der Studie zeigen die große Zerrissenheit der jungen Frauen: 80 Prozent von ihnen glauben, dass sie es später bereuen würden, keine Kinder zu haben. Gleichzeitig aber kann sich die Hälfte vorstellen, auch ohne Kinder ein erfülltes Leben zu führen. Die Frauen im Westen übrigens sind viel wütender als die Frauen im Osten: Die sind es offenbar seit Generationen gewohnt, Beruf und Kinder allein durchzuziehen.

Die kluge unabhängige Frau an der Seite des modernen Mannes hat übrigens auch Auswirkungen auf ihn. Er legt nun ebenfalls Wert auf Schönheit. 86 Prozent aller Männer ist das eigene Aussehen wichtig, das sind nur zehn Prozentpunkte weniger als bei den Frauen. Schöne Männer und kluge Frauen: Was könnten da für Kinder rauskommen - wenn sie denn kämen.

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