Süddeutsche Zeitung

Sorgerecht bei unverheirateten Paaren:Väter sollen Erzeuger und Erzieher sein

Neues Regelwerk für die wilde Ehe mit Kindern: Bei unverheirateten Eltern ist das Sorgerecht oft die Trumpfkarte der Mutter. Bislang. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will Paare ohne Trauschein dazu anhalten, gemeinsam die Verantwortung für den Nachwuchs zu übernehmen. Sie stärkt damit die Rechte lediger Väter.

Wolfgang Janisch

Das unverheiratete Zusammenleben ist mittlerweile so himmelweit von der Vorstellung einer "wilden Ehe" entfernt, dass sich damit nicht einmal mehr die Fantasien gutbürgerlicher Paare beflügeln lassen. Längst leben ordentliche Bürger ihrerseits ohne Trauschein mit untadeligen Bürgerinnen zusammen, es handelt sich um eine freundliche Übernahme der wilden Ehe durch das Bürgertum. Weil aber doch eine gewisse Ordnung herrschen soll, trägt der Gesetzgeber den unverheirateten Paaren nun jene Regeln hinterher, auf die sie zusammen mit der Ehe verzichtet haben.

Deshalb hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun, nach langen Vorarbeiten, endlich einen Referentenentwurf zum gemeinsamen Sorgerecht für ledige Mütter und Väter vorgelegt. Mit einer Mischung aus sanftem Druck und Bürokratieabbau sollen die Paare - immerhin wird inzwischen jedes dritte Kind ledig geboren - dazu gebracht werden, auch rechtlich die gemeinsame Verantwortung für die wesentlichen Entscheidungen zu übernehmen, von der Namenswahl über die Bestimmung von Wohnort und Schule bis hin zur Religionszugehörigkeit.

Möglich ist das zwar schon seit 1998, falls die Eltern sich einig sind; die Hälfte der nichtehelichen Paare macht davon inzwischen Gebrauch. Bei der anderen Hälfte dagegen hakt es noch: Viele zusammenlebende Paare, die ihren Alltag eigentlich reibungsfrei gestalten, meiden den gemeinsamen Sorgerechtsantrag. Denn bisher sei das Sorgerecht oft eine Trumpfkarte der Mütter gewesen, hat eine Untersuchung des Ministeriums ergeben: Solange der Vater sich nicht in die Hausarbeit einbringe, solle er auch nichts zu entscheiden haben, lautete das Argument.

Im Zweifel weiß die Mutter nicht, was das Beste fürs Kind ist

Weil das Bundesverfassungsgericht, angestoßen durch den Straßburger Menschenrechts-Gerichtshof, im Jahr 2010 das einstige Vetorecht der Mutter beim Sorgerecht gekippt hat, war eine Reform überfällig. Nach dem Willen der Ministerin soll der Vater (oder auch die Mutter) das gemeinsame Sorgerecht zügig beim Familiengericht oder, wenn doch noch Aussicht auf Einigung besteht, beim Jugendamt durchsetzen können. Zwar ist nach wie vor der ganz normale Gerichtsprozess mit Anhörung aller Beteiligten vorgesehen. Schweigt die Mutter allerdings, genügt ein schriftliches und damit rasch zu bewältigendes Verfahren.

Gleiches gilt, wenn sie "keine potenziell kindeswohlrelevanten Gründe vorträgt". Denn eine umfassende gerichtliche Prüfung solle nur dann in Gang gebracht werden, wenn sie wirklich nötig sei. Hier dürfte freilich der neuralgische Punkt des Vorschlags liegen. Was ist relevant für das Wohl des Kindes, was nicht? Das Ministerium will sich damit von der traditionellen Vorstellung verabschieden, im Zweifel wisse doch die Mutter am besten, was gut für das Kind sei. Das Argument, sie könne ja nicht vorhersehen, wie lange sie sich mit dem Vater des Kindes noch gut verstehe, soll jedenfalls nicht zählen, heißt es in der Entwurfsbegründung, ebenso wenig der Verweis auf schlechte Erfahrungen mit früheren Partnern.

Am Ende soll jedenfalls das Familiengericht festlegen, was am ehesten dem Kindeswohl entspricht; das könnte sogar das alleinige Sorgerecht des Vaters sein. Was im Regelfall das Beste für alle Beteiligten ist, das hat indes bereits das Bundesverfassungsgericht formuliert: Danach entspricht die gemeinsame elterliche Sorge "grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen".

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SZ vom 03.04.2012/mkoh
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