Sommerzeit:Wer über das Ende der Zeitumstellung entscheidet

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Wie wahrscheinlich ist die Abschaffung der Zeitumstellung nach dem Statement von EU-Kommissionspräsident Juncker? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Max Sprick

Eigentlich war für diesen Freitag nur eine Stellungnahme der EU-Kommission zu den Ergebnissen der großen Zeitumstellungs-Umfrage angekündigt. Dann sprach Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im ZDF-Morgenmagazin von einer konkreten Entscheidung. Was bedeutet das?

Was genau hat Juncker gesagt?

"Ich werde zuerst in der Kommission dafür werben, dass man, wenn man die Bürger fragt, auch das tun muss, was die Bürger zum Ausdruck bringen. Das werden wir heute beschließen", sagte Juncker in Brüssel. Damit nahm er vorweg, dass die Kommission sich heute vermutlich entscheiden wird, eine Richtlinie aus dem Jahr 2000 zu ändern, in der die Zeitumstellung festgeschrieben wurde.

Welche Schritte müssen dann vollzogen werden?

Die Kommission selbst kann nur eine Empfehlung aussprechen, dann läuft der reguläre Gesetzgebungsprozess an: Das Parlament muss zustimmen (was wahrscheinlich ist, schließlich hatte es die Kommission ja in einer Entschließung zum Handeln aufgefordert) und auch der EU-Ministerrat, also das Gremium der Mitgliedstaaten, muss sein Einverständnis geben. Der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU), sagte schon: "Ich bin begeistert. Die EU-Kommission reagiert auf das eindeutige Votum der Online-Befragung. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir die Gesetzgebung noch vor der Europawahl im Mai 2019 durchbringen." Einige EU-Länder haben sich schon positioniert. Litauen, Estland und Lettland sprachen sich ebenso für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus wie Finnland.

Leserdiskussion
:Wie sinnvoll ist die EU-Umfrage zur Zeitumstellung?

"Die Menschen wollen das, wir machen das." EU-Kommissionspräsident Juncker will für die Abschaffung der Zeitumstellung werben. Bei einer Internet-Umfrage stimmten etwa ein Prozent der Europäer - ein Großteil aus Deutschland - ab. 80 Prozent sprachen sich gegen die Zeitumstellung aus.

Haben dann alle EU-Länder dieselbe Zeit?

Durch EU-Recht ist lediglich geregelt, dass die Mitgliedsstaaten die Uhr im Oktober um eine Stunde zurück und im März um eine Stunde vorstellen. Schafft die EU nun diese Regelung ab, tut sie das für die gesamte Union - würden einige Länder eine Zeitumstellung vornehmen und andere nicht, würde dies den europäischen Binnenmarkt beeinträchtigen. Welcher Zeitzone sich die einzelnen Staaten dann anschließen, dürfen sie, wie schon jetzt, selbst entscheiden.

Wie ist das Ergebnis der Umfrage ausgefallen?

Mehr als 500 Millionen EU-Bürger waren aufgefordert worden, ihre Meinung zu einer möglichen Abschaffung der Zeitumstellung abzugeben. 4,6 Millionen Europäer haben sich an der Umfrage beteiligt - mehr als drei Millionen davon sollen aus Deutschland sein. 84 Prozent der Teilnehmer votierten für ein Ende des Hin und Her. Nur in Griechenland und Zypern waren die Befürworter der Zeitumstellung unter den Teilnehmern in der Mehrheit. Experten kritisierten die Umfrage teils als tendenziös.

Gab es eine solche Umfrage schon mal?

Nicht auf EU-Ebene. Wohl aber in den einzelnen Mitgliedsstaaten. In Polen beispielsweise gab es schon einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Zeitumstellung für diesen Herbst, der von allen Parteien unterstützt wurde. Doch aus dem Gesetz wurde nichts, weil eine Abschaffung ausschließlich in Polen eben der EU-Richtlinie widersprochen hätte. In Deutschland gab es im vergangenen Frühjahr eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK. 73 Prozent der Befragten votierten für ein Ende der Zeitumstellung. 31 Prozent der Befragten aus der DAK-Umfrage rechneten damit, dass sie in den kommenden fünf Jahren abgeschafft wird. In Finnland forderten im vergangenen Jahr 70 000 Menschen in einer Petition das Ende der Sommerzeit - dadurch wurde Finnland zum Urheber der EU-Beschlüsse, die zu der nun revolutionären EU-Umfrage geführt haben.

Welche Reformen gab es bislang?

Schon Ende des 18. Jahrhunderts erklärte Benjamin Franklin in den USA, dass ausgedehntes Nachtleben durch künstliches Licht Energie vergeude. Früheres Aufstehen und Zubettgehen würde dagegen helfen. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. folgte Franklins Argumentation 1916 aus anderen Gründen, als er die weltweit erstmalige Zeitumstellung anordnete - Beleuchtungsmittel wie Kerzen sowie Gas zu sparen, war sein Ziel, als er während des Ersten Weltkriegs die Sommerzeit einführte. Die Kriegsgegner reagierten, indem sie es Deutschland nachmachten. Großbritannien war jedoch das einzige der involvierten Länder, dass diese Regelung auch zwischen 1918 und 1945 beibehielt. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurde die Sommerzeit verschiedentlich wieder eingeführt, danach größtenteils wieder abgeschafft. Bis 1996 vereinheitlichte die EU die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen ihrer Mitgliedsstaaten.

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