La Boum:Lauter Exzentriker

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin fragt sich, warum die französische Präsidentschaftskandidatin Valérie Pécresse von einem Fettnäpfchen ins andere tritt. Dabei fällt ihr ein früherer gefürchteter Chef ein.

Von Nadia Pantel

Der Vorteil, wenn man nicht berühmt ist: Man kann sich arg vertun, ohne dass es allzu viele Leute mitbekommen. Ich lebe zum Beispiel in der komfortablen Situation, hier nicht hinschreiben zu müssen, was ich vergangene Woche alles verbockt habe. Bei Valérie Pécresse ist das anders. Seit Pécresse Präsidentschaftskandidatin für Frankreichs Républicains ist, schauen alle sehr genau, wann und wie sie sich vertut. Spätestens seit klar ist, dass Pécresse fürs Vertun leider ein Händchen hat.

Vergangene Woche wurde Pécresse gefragt, wen sie sich denn in ihrer Regierung vorstellen würde. Sie sagte: Leïla Slimani (Schriftstellerin und Prix-Goncourt-Gewinnerin), Pierre de Villiers (Ex-Armee-Chef), Teddy Riner (Judoka und doppelter Olympia-Sieger). Kurz darauf wurde es unangenehm. Der Bruder von Pierre de Villiers, Philippe de Villiers, ist ein erzreaktionärer Knochen und macht für den Rechtsextremen Éric Zemmour Wahlkampf. Vermutlich war Philippe de Villiers sehr zufrieden, als er twitterte, es seien "Banditen-Methoden, die Namen von Leuten zu verkünden, die man vorher nicht einmal gefragt hat". Leïla Slimani sagte, sie könne sich "nichts Schlimmeres" vorstellen, als Ministerin für Pécresse zu sein. Und Teddy Riner reagierte einfach nur mit einem Emoji, das so sehr lacht, dass die Tränen fließen.

Der Chef schüttete sich eine ganze Kaffeekanne voller Entkalker rein

Pécresse' Manöver erinnerte mich an eine Idee, die ich mal als Praktikantin hatte. Mir fiel damals auf, wie eigenartig Leute sich benehmen. Und wie unterschiedlich das bewertet wird, je nachdem, wer es tut. Meine Mitpraktikantin zum Beispiel wickelte an ihrem ersten Arbeitstag ihre Computermaus in Alufolie ein, um sich vor Strahlung zu schützen. Sie hatte danach einen schweren Stand. Dabei hatte sie einfach nur klar bewiesen, dass ihr völlig egal war, was andere von ihr denken. Gleichzeitig wurde mir nicht ohne Ehrfurcht die haarsträubende Geschichte eines früheren Chefs erzählt, der den Jüngeren schon nichts mehr sagte, der die Alten aber immer noch vor Respekt zittern ließ.

Dieser Chef hatte unter anderem mal eine Kaffeekanne voll Entkalker getrunken, weil er sich angewöhnt hatte, Kaffee direkt aus der Gemeinschaftskanne in sich reinzuschütten. In seiner Gier kriegte er dann nicht mit, dass die Kanne gerade gereinigt wurde. Auch in diesem Fall war also jemandem egal, ob er noch als minimal zivilisiert galt oder nicht. Nur ist es eben viel unsympathischer, wenn sich der Chef wie ein Freak verhält, als wenn es die Praktikantin tut.

Mit einer Kollegin haben wir uns dann das Konzept der "statusunabhängigen Exzentrik" überlegt. Es sieht vor, sich zart, aber entschieden danebenzubenehmen, obwohl man noch viel zu verlieren hat. Nachdem sie von Autorin, Armeechef und Judoka eine Abfuhr bekommen hatte, sagte Pécresse, sie habe auf die Frage nach ihrer Wunschregierung geantwortet "wie auf den Fragebogen von Marcel Proust". Also in literarischem Freestyle-Modus. Pécresse könnte eine Art Maskottchen der statusunabhängigen Exzentriker werden.

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