Skandal im britischen Königshaus:Stier Royal

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Er beleidigt Angestellte, ist mit Gaddafis Sohn befreundet und zeigt sich gerne mit minderjährigen Mädchen im Arm: Die Vorwürfe gegen Prinz Andrew würden für das Drehbuch eines schlechten Films ausreichen. Vor der Hochzeit ihres Enkels wird es der Queen zu bunt.

Wolfgang Koydl

Dass die englische Königin Elisabeth II. es nicht immer leicht mit ihrer Familie hatte, ist hinlänglich bekannt. Doch manchmal werden auch die Probleme mit Kindern, die sich selbst inzwischen dem Seniorenalter nähern, noch so groß, dass sie zum nationalen Aufreger reichen. Besonders wenn einmal wieder das Image des Königshauses bedroht ist. Und das scheint im Fall des Prinzen Andrew, 51, eindeutig zu sein. Die Vorwürfe gegen den zweitältesten Sohn der Queen würden für das Drehbuch eines schlechten Films ausreichen.

Prinz Andrew: Der zweitälteste Sohn der Queen hat zweifelhafte Kontakte und gerät dauernd in die Schlagzeilen der britischen Presse. (Foto: dpa)

Sie lauten: schmierige Freunde, schmuddelige Sexgeschichten und das alles garniert mit schwindelerregend ruppigen Umgangsformen und einer schamlosen Selbstbedienungsmentalität.

Zugegeben: Diese Eigenheiten des Prinzen waren nicht nur Eingeweihten schon lange bekannt. Doch nun haben die Volksaufstände in der arabischen Welt zusätzlich eine unangenehm intime Nähe des Prinzen zu einigen besonders unappetitlichen Machthabern in der Region enthüllt, die als politisch nicht mehr tragbar gelten.

Zudem ist Andrew nicht nur einfach ein Royal und der Vierte in der englischen Thronfolge; seit zehn Jahren vertritt er als offizieller Repräsentant der britischen Exportwirtschaft auch den Staat und die Regierung im Ausland. Einige Unterhausabgeordnete und der ehemalige Leiter der Nahostabteilung des Außenministeriums haben seine Entfernung von dieser einem Ehrenamt vergleichbaren Position gefordert, weil seine Peinlichkeiten dem Land mehr Schaden als Nutzen bereiteten.

Vor ein paar Tagen hat die Queen ihren Sohn denn auch in den Buckingham-Palast gebeten, um ihm die Leviten zu lesen. Bei Tee und Gurken-Sandwiches wollte sie von ihm wissen, ob demnächst mit weiteren Enthüllungen zu rechnen sei. Ihre Sorge ist, dass Andrew - der nicht von ungefähr den Spitznamen "Randy Andy" (der geile Andy) trägt - und seine anrüchigen Skandale einen Schatten auf die Hochzeit ihres Enkels William mit Kate Middleton werfen könnten. Die Vermählung Ende April sollte eigentlich einen Schlussstrich unter die negativen Schlagzeilen ziehen, welche die königliche Familie seit Jahren begleiten. Nun drohen Andrews Eskapaden alle sorgfältigen PR-Planungen über den Haufen zu werfen.

Kein Schatten soll auf die Hochzeit von William und Kate fallen

In vielen Familien gibt es einen legendär unangenehmen Onkel, der manchmal zu tief ins Glas guckt, junge Kellnerinnen in den Po kneift und zu laut über seine eigenen halbseidenen Witze lacht. Bei den Windsors erfüllt Andrew, der Onkel der Prinzen William und Harry, diese Rolle - und dies nicht erst seit der Scheidung von seiner Frau Sarah, der noch peinlicheren Herzogin von York, vulgo Fergie genannt. "Er ist die schlimmste Kombination aus Arroganz und Dummheit", lautete das vernichtende Urteil eines Hofschranzen, über den Prinzen.

Seine schlechten Manieren sind seit langem legendär und Stoff zahlloser Anekdoten. Jener Diener etwa, der morgens sein Schlafzimmer betritt und die Vorhänge aufzieht, werde, so heißt es, Tag für Tag von einem Grunzen aus dem prinzlichen Bett heraus sowie von der Aufforderung begrüßt: "Verpiss dich." Einmal fanden Sicherheitsbeamte - alarmiert von Bewegungsmeldern im Palast - Andrew im Korridor vor dem Schlafgemach der Königin. Unbeherrscht fuhr er sie an: "Das ist mein gottverdammtes Haus, ich kann hingehen, wo ich will, und jetzt verpisst euch." Offenbar nicht nur Domestiken bekommen die Ausfälle des Herzogs von York zu spüren. "Er redet mit mir, als ob ich sein verflixter Caddie wäre", wunderte sich William Whitelaw, ein Lord und hoch angesehener Minister im Kabinett von Margaret Thatcher einmal.

Seiner Tätigkeit als Botschafter des britischen Business, von der er nur selbst zurücktreten könnte, scheint dieses Benehmen indes nicht zu schaden. "Er kann gut mit Leuten", lobte James O'Sullivan, der Vorsitzende des Verbandes britischer Exportwirtschaft. "Er hat Humor, ... und er weiß genau, welche Knöpfe man drücken muss." Britanniens Exporteure unterstützten den Prinzen "zu 110 Prozent". Und was einige seiner zweifelhaften Freunde betreffe, fügte O'Sullivan schulterzuckend hinzu, "wer hat die nicht".

An dieser Einschätzung freilich sind Zweifel erlaubt, denn zu Andrews engerem Bekanntenkreis gehören Leute, mit denen man sich ungern sehen lassen würde. Jeffrey Epstein etwa, ein amerikanischen Multimillionär und selbsternannter Philanthrop mit einer - gerichtsbekannten - Vorliebe für minderjährige Mädchen, deren Bekanntschaft auch Andrew in zumindest einem Fall machte. Epstein selbst saß für 18 Monate im Gefängnis.

Und britische Zeitungen veröffentlichten ein Foto, das Prinz Andrew Arm in Arm mit einer damals 17-Jährigen zeigte, die nach eigenen Worten von dem US-Geschäftsmann für erotische Massagen gebucht worden war. Auch andere Freunde Andrews sind mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Der Libyer Tarek Kaituni etwa ist ein rechtskräftig verurteilter Waffenschmuggler.

Enge Bande pflegte Andrew auch zu Saif al-Islam Gaddafi, dem Sohn des libyschen Diktators, und zu Sacher el-Materi, dem als durch und durch korrupt beschriebenen Schwiegersohn des gestürzten tunesischen Staatspräsidenten Zine el-Abidin Ben Ali. Hervorragende Kontakte unterhält der Prinz zudem nach Zentralasien, die mitunter nicht so sehr dem Vereinigten Königreich als vielmehr ihm selbst zugutekommen: Für 15 Millionen Pfund kaufte ihm der zwielichtige kasachische Geschäftsmann Timur Kulibajew sein Anwesen Sunninghill Park ab. Kaum jemand bezweifelt, dass dies eine Gefälligkeit war. Denn der Kasache zahlte drei Millionen Pfund über dem Marktwert für eine Immobilie, für die sich jahrelang kein Käufer gefunden hatte und die seitdem leersteht und verfällt.

Zwölf Reisen in 19 Länder hat Andrew im vergangenen Jahr für die britische Wirtschaft unternommen - übrigens oft begleitet von einem Diener mit einem 1,80 Meter langen Spezialbügelbrett für die Hosen seiner königlichen Hoheit. Die meisten Reisen führten ihn nach Arabien oder in die wilde postsowjetische Welt des Kaukasus und Zentralasiens.

Gut möglich, dass in diesen Weltgegenden ein ruppiger Royal mit den Manieren eines Kolchosbauern besser ankommt als ein nüchterner, blasser und zugeknöpfter Schweizer Banker. Das scheint inzwischen auch die britische Regierung so zu sehen. Die Downing Street jedenfalls hat sich voll hinter den Prinzen gestellt. Hauptsache, er schafft Aufträge ran.

© SZ vom 12.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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