Sinus-Studie 2016:Alle wollen Mainstream sein

Four friends sitting together on steps looking at smartphone model released Symbolfoto PUBLICATIONxI

Rebellion war früher einmal: Jugendliche beschäftigen sich heute die meiste Zeit mit ihren Smartphones

(Foto: imago)
  • "Mainstream" ist kein Schimpfwort mehr. Für die heute 14- bis 17-Jährigen ist es wichtig, Teil der Mehrheitsgesellschaft zu sein.
  • Jugendliche "gehen" nicht online, sie sind es - immer. Das Internet ist eine Selbstverständlichkeit für sie, das Sinus-Institut spricht von "digitaler Sättigung".
  • Die Sinus-Studie ist eine qualitative Erhebung, die auf 72 ausführlichen Interviews mit ausgewählten Jugendlichen basiert.

Von Barbara Vorsamer

So zu sein wie alle anderen war für die 14- bis 17-Jährigen schon immer wichtig. "Alle anderen" waren aber meist die anderen Jugendlichen. Es gab Subkulturen, die sich deutlich gegen die Erwachsenen, die Mainstreamkultur und die anderen Subkulturen abgrenzten.

Heute sehen die Wissenschaftler ein Phänomen, dass sie "Neo-Konventionalismus" nennen. Der Wertekanon der jungen Menschen ist größtenteils identisch mit dem der Erwachsenen: Anpassungs- und Leistungsbereitschaft, stabile Beziehungen, Halt und Orientierung in der Gemeinschaft. Der Begriff Mainstream ist kein Schimpfwort mehr, sondern ein Begriff, mit dem sich die Jugendlichen selbst charakterisieren. Das zeigt sich auch in den einzelnen Kapiteln der Studie.

Was die Jugendlichen sagen

Mein Geschmack ist wie bei allen anderen auch. (männlich, 14 Jahre)

Ich glaube, meinen Geschmack hat jeder, also haben auch andere. Der

ist jetzt nicht so besonders. Ich bin ehrlich. (weiblich, 15 Jahre)

Ich bin ja eher so ein Mensch, der harmonisch mit anderen Menschen

zusammensitzt und sich unterhält. Streit geht bei mir gar nicht. (weiblich,

17 Jahre)

Ich versuche, mich allen anzupassen. Das gelingt mir hoffentlich.

(männlich, 16 Jahre)

Alle sind immer online

Jugendliche "gehen" nicht online, sie sind es - immer. Die bislang für jugendtypisch gehaltene Faszination für die neuen Medien gibt es daher nicht mehr, sie sind selbstverständlich geworden. Es ist eine digitale Sättigung erreicht. In allen Milieus sind die 14- bis 17-Jährigen mit ihrem Medieninventar zufrieden, mehr Digitalisierung und mehr Internet können sie sich kaum vorstellen. Weniger allerdings auch nicht, die Nutzung von Netzwerken und Messengerdiensten (Whatsapp, Facebook, Instagram und Snapchat) ist für die soziale Teilhabe unabdingbar.

Konflikte mit den Eltern gibt es in puncto Mediennutzung kaum mehr, denn auch die hängen dauernd am Smartphone. Dass Offline-Kontakte unter der massiven Smartphone-Nutzung leiden, beklagen auch die Jugendlichen. Zudem haben sich neue Benimmregeln herausgebildet, zum Beispiel gilt es als aufdringlich, einfach mal anzurufen. Jugendliche bevorzugen schriftliche Nachrichten - zumindest, um einen Anruf anzukündigen.

Mehr Hilfestellung würden sich die Jugendlichen beim Datenschutz wünschen. Sie sehen hier einerseits den Staat in der Pflicht, würden aber außerdem gerne in der Schule lernen, wie sie selbst ihre Privatsphäre richtig schützen können. Allerdings glauben sie nicht, dass ihre Lehrer die Kompetenzen dafür haben.

Die meisten schätzen religiöse und kulturelle Vielfalt

Die befragten Jugendlichen sehen sich selbst als Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft - auch die jungen Muslime und die Befragten mit Migrationshintergrund. Ihrer Meinung nach ist es Teil des Mainstreams, tolerant zu sein und religiöse und kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft zu akzeptieren. Speziell die befragten Muslime distanzierten sich vom radikalen Islamismus.

Hier muss allerdings dazugesagt werden, dass für die Studie nur Personen interviewt wurden, die sich zu den Themen äußern wollen. Die Vermutung, dass Jugendliche mit radikaleren Ansichten entweder nicht mitgemacht haben oder ihre Meinung im Interview für sich behielten, liegt nahe.

Umweltschutz, Partnerschaft und Familie

Den Schutz der Umwelt halten die Befragten für eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft. Sie sind sich allerdings unsicher, ob die Zerstörung der Erde überhaupt aufzuhalten ist. Manche zweifeln am Klimawandel, und selbst die, denen das Thema präsent ist, wissen nicht, was sie konkret tun könnten. Fair-Trade-Zertifikaten und Öko-Siegeln schenken sie wenig Vertrauen, weswegen sie auch nicht glauben, durch ihr persönliches Konsumverhalten etwas bewirken zu können.

Ihre Verkehrsmittel wählen die Jugendlichen pragmatisch, je nachdem, welches für sie verfügbar, am kostengünstigsten oder am praktischsten ist. Ein eigenes Auto wünschen sich die meisten, sie verbinden damit aber eher Unabhängigkeit und Bequemlichkeit. Ein Statussymbol ist es für die Jugend von heute nicht mehr.

Ziel: Partnerschaft und Familie

Vertrauen, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit halten schon die 14- bis 17-Jährigen für wichtig in Partnerschaften - auch für ihre aktuellen. Spätestens mit Mitte 30 wollen die meisten den Partner fürs Leben gefunden haben und eine Familie gründen. Nur in Milieus, in denen hohe Bildung und postmoderne Werte vorherrschen, wird die klassische Zweierbeziehung auf Lebenszeit etwas angezweifelt. Diese Jugendlichen fragen sich, ob Selbstverwirklichung und Partnerschaft wirklich vereinbar sind. Dass Beruf und Familie schwer vereinbar sind, ist allen klar - vor allem den Mädchen.

Was die Jugendlichen sagen

Wirklich wichtig im Leben ist, dass es mir und meiner Familie gut geht.

Und auch meiner Freundin. Und dass ich mich mit allen verstehe, mit

meinen Freunden, meiner Freundin und meiner Familie. Und dass ich

glücklich bin. Und alle anderen auch.

(männlich, 15 Jahre)

Wenn ich mit meiner Schule und meiner Ausbildung fertig bin, dann

will ich natürlich heiraten. Heiraten und dann Kinder kriegen, das will

ich natürlich. Ich liebe Kinder. (weiblich, 15 Jahre)

Anmerkungen zur Methodik

Das Sinus-Institut hat für die vorliegende Studie 72 Tiefeninterviews mit Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren geführt. Repräsentativ sind die Ergebnisse daher nicht. Da die Befragten anhand ihrer Zugehörigkeit zu zuvor definierten Milieus ausgewählt wurden, sprechen sie durchaus für ihre Generation. Jugendforscher halten die Methode für seriös und schätzen die Sinus-Studie für ihre Tiefenschärfe und manchmal auch überraschenden Ergebnisse.

SInus-Grafik

Kurzbeschreibung der Sinus-Lebenswelten

(Foto: Sinus-Institut)
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