Süddeutsche Zeitung

Singlebörsen im Internet:Suche: Liebe, aber schnell

Vegetarier, Esoteriker, Heavy-Metal-Fans: Im Internet kann jeder Topf seinen Deckel suchen - und hat gute Chancen, fündig zu werden. Bereits jede dritte Beziehung kommt über Singlebörsen im Netz zustande. Und während der virtuellen Partnersuche anfangs noch das "Stigma der Übriggebliebenen" anhaftete, ist Online-Dating mittlerweile kein Grund mehr zum Schämen.

Charlotte Frank

Man stellt sich das ja immer so romantisch vor: Da steht ein Mann in der Vernissage vor einem Bild, neben ihm taucht eine attraktive Frau auf, auch sie verharrt, irgendwann betrachten sie gar nicht mehr das Bild, sie lächeln, sie gehen einen Kaffee trinken - und dann? Stellt sich womöglich heraus, dass sie verheiratet ist und mit ihm nur über die ästhetische Tiefe des Ausstellungskonzepts sprechen wollte. Oder dass er Botticelli für ein gefülltes Mandelkonfekt hält und die Kunsthalle lediglich als Jagdrevier nutzt.

"Im echten Leben laufen die Menschen eben nicht mit einem Schild 'Ich bin Single und auf der Suche' herum", sagt der Soziologe Hans-Peter Blossfeld, "da wird es mit steigendem Alter und steigender Bildung immer schwieriger, einen Partner zu finden."

"Neue Möglichkeiten der Brautschau"

Im unechten Leben aber, im Internet, sind die Regeln anders. Kein Wunder also, dass die Deutschen zunehmend dort ihr Glück suchen: Mehr als sieben Millionen Menschen sind in Online-Kontaktbörsen registriert, mit 2,7 Millionen neuen Paaren hat sich im vergangenen Jahr jede dritte Beziehung über das Internet angebahnt - die meisten über spezielle Single-Seiten, viele aber auch über soziale Netzwerke wie Facebook.

"Durch das Internet haben sich ganz neue Möglichkeiten der Brautschau ergeben", sagt Blossfeld, der an der Universität Bamberg das Forschungsprojekt "Prozesse der Partnerwahl bei Online-Kontaktbörsen" leitet. Ein 40-Jähriger hat also heute bessere Möglichkeiten, sich auf Brautschau mal eben bei 16-jährigen Mädchen umzusehen? Blossfeld wiegelt ab. "Das ist genauso schwierig wie früher, schließlich muss die Auserwählte auch im Internet erst einmal antworten."

Das Flirtverhalten im Netz unterscheidet sich ihm zufolge nur minimal von dem in der realen Welt, nur sei dort der Pool potentieller Partner um ein Vielfaches größer. "Mit dem Berufseinstieg sinken die Chancen, jemanden zu finden, erheblich", sagt Blossfeld, weil sich "der Markt" leere und weil der Alltag immer weniger neue Erfahrungen und Kontakte biete.

Online aber könne jeder, ob 30 oder 60 Jahre alt, im Handumdrehen Millionen Singles kennenlernen, die alle das Gleiche wollen: möglichst schnell möglichst viel Liebe finden - oder auch nur möglichst viele gemeinsame Liebesnächte.

Im Internet lässt sich zielgenau auswählen, das Angebot ist gut vorsortiert: Neben den großen Börsen gibt es Hunderte Nischen-Portale, etwa für Vegetarier, Esoteriker, Heavy-Metal-Fans, Übergewichtige, Evangelikale. Zudem sinken die Zugangshürden auch für Menschen, die es sonst oft schwerhaben, jemanden kennenzulernen, zum Beispiel Alleinerziehende oder Bewohner abgelegener Dörfer.

Und haben sich erst einmal zwei gefunden, geht meist alles ganz schnell: Laut Blossfeld bleibt es in der Regel nie lange beim virtuellen Kontakt. "Die Mehrheit derer, die online einen Partner suchen, wollen diesen offline möglichst bald treffen", hat er festgestellt.

"Nicht unromantisch, sondern schlicht effektiv"

Das bestätigt die Soziologin Christiane Schnabel. Sie leitet die wissenschaftliche Abteilung bei Parship, eigenen Angaben zufolge Europas älteste Online-Partneragentur. "Wer sich aktiv zur Partnersuche im Internet entschließt, geht sehr ergebnisorientiert vor", sagt sie. Ihre Firma erstellt Persönlichkeitsprofile, nach denen Paare gezielt einander vorgeschlagen werden. "So erfährt man schneller mehr und tiefergehende Details vom anderen", sagt Schnabel.

Anders ausgedrückt: Die Kunstliebhaberin muss ihre Zeit gar nicht erst mit einem feuilleton-abholden Maschinenbau-Ingenieur verlieren. "Das macht die Partnersuche im Internet nicht unromantischer", sagt Schnabel, "sondern schlicht effektiver."

Es sind vor allem Männer über 30, die diese Effektivität schätzen. Die Mehrheit von ihnen lebt in städtischen Gebieten und bezieht ein geregeltes, oft gutes Einkommen - schließlich fallen für die Anmeldung laut Testseite singleboersen-vergleich.de monatlich zehn bis 50 Euro an. Aber auch für Frauen wird die Online-Partnersuche immer attraktiver. Die anfängliche Geschlechter-Asymmetrie bei den registrierten Nutzern ist - von Erotik-Seiten einmal abgesehen - mittlerweile fast ausgeglichen.

Das liegt auch daran, dass Online-Dating "längst salonfähig" ist, erklärt Manfred Hassebrauck, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Wuppertal. Hassebrauck, der seit Jahren über Liebe und Beziehungen forscht, hat sich eingehend mit dem "Stigma der Übriggebliebenen" beschäftigt. Davon, meint er, ist nichts mehr übrig. "Peinlich ist Online-Dating keinem mehr", sagt er.

Und doch hält sich hartnäckig der Eindruck, dass es sich mit Online-Kontaktbörsen verhält wie mit McDonald's: Angeblich geht keiner hin - und das Geschäft läuft trotzdem blendend.

Für Christiane Schnabel von Parship liegt das weniger daran, dass Kunden das Online-Dating an sich unangenehm ist - "sondern daran, dass Partnersuche ein sensibles Thema bleibt". Niemand gibt gerne zu, dass er dringend auf der Suche ist. Man kennt das: Schon in der Tanzschule waren nicht die pickeligsten Jungs die unattraktivsten, sondern die verzweifeltsten.

In der flirtenden Online-Community ist das egal: Dort sind sieben Millionen Menschen gemeinsam auf der Suche. Großmutters Rat, "Man darf nicht suchen, man muss sich finden lassen", wurde längst abgelöst. Im Internet lautet die Devise: "Wer suchet, der findet." Und zwar schnell.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2011/jobr
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