Silikon-Skandal:Hersteller verteidigt Billig-Implantate

Jean-Claude Mas hat zum Skandal um sein früheres Unternehmen PIP lange geschwiegen. Bis jetzt. Der 72-Jährige gibt die Verwendung von Billig-Silikon über seinen Anwalt zu - und verteidigt sie.

Bislang hielt sich Jean-Claude Mas bedeckt - vor allem, weil der von Interpol gesucht wird, wegen einer Trunkenheitsfahrt in Costa Rica. Doch nachdem sich die Affäre um minderwertige Brustimplantate immer mehr ausweitet, hat sich der Gründer des Unternehmens PIP, das im Zentrum des Skandals steht, jetzt erstmals zu Wort gemeldet. Über seinen Anwalt gab Mas zu, dass er für die Produktion von Prothesen nicht zugelassenes Silikon verwenden ließ. Von dem eingesetzten Kunststoff gehe allerdings keine besondere Gefahr für die Gesundheit aus. Alle Silikongele könnten im Körper zu Irritationen führen, sagte Mas' Verteidiger Yves Haddad. Bereits am Dienstag hatte Haddad den Einsatz von Billig-Silikon mit den lapidaren Worten gerechtfertigt, es habe sich um eine "kapitalistische Vorgehensweise" gehandelt.

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Produzent Jean-Claude Mas hat sich im Skandal um Billig-Silikon für Brustimplantate erstmals zu Wort gemeldet. (Archivbild vom 17. Januar 2001)

(Foto: AFP)

Der Rentner Mas lebt Skandal und Interpol-Fahndung zum Trotz offenbar derzeit einigermaßen unbehelligt in Südfrankreich in seinem Haus in der Nähe von Toulon. Zweimal musste der 72-Jährige bisher zu den Billig-Silikoneinlagen aussagen; Ende 2012 soll der Prozess wegen "schweren Betrugs" beginnen. Ermittlungen laufen auch wegen fahrlässiger Tötung. Mas sei "nicht auf der Flucht", versichert der Jurist Haddad. "Er kann gar nicht laufen, weil er gerade operiert worden ist." Nachdem Mas' Trunkenheitsfahrt in Costa Rica im Juni 2010 bekannt geworden war, wurde zunächst vermutet, er habe sich wegen des PIP-Skandals nach Mittelamerika abgesetzt.

Seit in Frankreich neun Krebsfälle nach Implantat-Defekten bekannt wurden, sorgen sich weltweit Hunderttausende Frauen um ihre Gesundheit. In einer beispiellosen Aktion hatte das Gesundheitsministerium in Paris Ende vergangener Woche 30.000 Französinnen eine vorsorgliche Entfernung der minderwertigen Implantate empfohlen - auch wenn die Regierung bislang ein erhöhtes Tumorrisiko nicht belegt sieht. Auch in Venezuela haben die Behörden angekündigt, für die Entfernung von minderwertigen Brustimplantaten des Herstellers zu bezahlen.

Die mangelhafte Silikon-Füllung wurde von PIP fast ein Jahrzehnt vertrieben - ohne die notwendigen Genehmigungen. PIP habe seit 1991 Kissen mit minderwertigem Silikon vertrieben, gab Anwalt Haddad gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zu. Den Ämtern sei ein besseres und teureres Produkt vorgelegt und für den Vertrieb freigegeben worden. Erst im Frühjahr 2010 stellte PIP die Produktion ein, nachdem Risse in den Implantaten und damit die Verwendung von industriellen Kunststoffen aufgefallen war. Weltweit sind bis zu 300.000 Frauen von dem Skandal betroffen, viele davon in Lateinamerika.

USA warnten bereits 2000 vor PIP-Produkten

Die US-Behörden hatten offenbar schon lange vor den ersten Verdachtsfällen in Europa vor PIP-Produkten gewarnt. Die zuständige Food and Drug Administration, FDA, wies in einem Schreiben vom Juni 2000 auf "gepanschte" Einlagen hin, die damals noch mit Kochsalz gefüllt waren. In dem Brief listete die FDA eine Reihe von Problemen bei der Qualitätssicherung auf. Diese könnten auf generelle Schwierigkeiten bei der Produktion hindeuten, hieß es.

Ob die französischen Behörden damals über diese Hinweise informiert gewesen seien, ist nach Angaben des Amtes nicht mehr nachzuvollziehen. In den USA wurden die Billig-Implantate aus Frankreich nach diesem Vorfall verboten, in Europa und Südamerika konnten die Silikonkissen dagegen noch zehn Jahre lang ungestört vertrieben werden.

Kritiker gehen davon aus, dass das minderwertige Silikon der PIP-Prothesen gesundheitsschädlich ist und bei einzelnen Patientinnen sogar Krebs ausgelöst hat. Die deutschen Behörden empfehlen zwar keine pauschale Entfernung, die Frauen sollten allerdings ihren Arzt aufsuchen. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministerium sagte, es gebe noch keine abschließenden Bewertungen.

Eine Meldung der Bild-Zeitung, wonach in Deutschland 16.000 Frauen von den fehlerhaften Implantaten betroffen seien, bestätigte das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn nicht. Gleiches gilt für die vom Magazin Focus genannte Zahl von etwa 7500 Frauen. Eine BfArM-Sprecherin sagte, es gebe keinerlei Hochrechnungen und auch kein zentrales Register. Zeitweise war PIP der drittgrößte Produzent von Brustimplantaten weltweit.

Der Staatsanwaltschaft in Marseille liegen inzwischen die Beschwerden von mehr als 2000 Frauen vor; insgesamt wurden neun Krebsfälle gemeldet. Die Behörden sehen allerdings keinen Beweis, dass die PIP-Implantate krebsauslösend sind.

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