Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Schenken oder spenden?

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Eine alte Freundin lädt zu ihrer Silberhochzeit ein, und alle Gäste wollen ihr Geld geben. Unsere Leserin würde das Geld aber lieber an die Ukraine spenden. Ist das in Ordnung? Unsere Experten wissen Rat.

Ich bin auf der Silberhochzeit einer alten Schulfreundin eingeladen. Nun ist es üblich in unserer Clique, bei solchen Anlässen Geld zu schenken. Meine Freundin und ihr Mann habe beide gut dotierte Jobs, die Kinder studieren in nicht zu teuren Städten, das Haus ist längst abbezahlt. Ich würde das Geld lieber für einen guten Zweck spenden, für Geflüchtete aus der Ukraine zum Beispiel. Darf ich das?

Therese F., München

Margit Auer:

Wollen Sie künftig jedes Mal darüber nachdenken, wer von Ihren Freunden das Geld dringend braucht und wer eher nicht? Wer will so taxiert werden? Nach meiner Erfahrung sollte man Dinge, die sich eingespielt haben und gut funktionieren, nicht ändern. Ihr System klappt doch wunderbar! Man könnte natürlich kritisieren, dass ein Geldgeschenk ziemlich unpersönlich ist. Das stimmt, trotzdem hat es unbestritten einige Vorteile: Die Gäste müssen sich nicht jedes Mal den Kopf zerbrechen, was sie schenken sollen. Und die Gastgeber müssen sich nicht künstlich freuen, wenn es Geschmacksverirrungen gibt. Ich würde jetzt nicht anfangen, das System über den Haufen zu werfen. Jeder kennt die Spielregeln, jeder weiß, was ihn erwartet. Die einen nehmen den Betrag, um die Rechnung im Restaurant zu begleichen, die anderen, um sich einen Wunsch zu erfüllen, andere spenden ihn vielleicht. Überlassen Sie es der Schulfreundin, was sie mit dem Geld macht. Umgekehrt können Sie, wenn Sie an der Reihe sind, Ihr Geschenk dann spenden.

Herbert Renz-Polster:

Wenn das bisher so üblich war, Geldgeschenke zu machen, dann heißt das ja nicht, dass sich das nicht auch ändern kann und darf. Zum Beispiel, wenn das Übliche entweder lästig wird oder schal, oder es auf einmal einfach bessere Ideen gibt. Und hier steht ja offenbar eine solche neue Idee im Raum. Um die gut auf die Reise zu bringen, gälte es dann allerdings, offen miteinander zu reden und den Vorschlag nachvollziehbar zu begründen, denn Sie wollen ja bestimmt vermeiden, dass Ihr Wunsch nach einer neuen Geschenkkultur (hier passt das Wort ja auch dann wirklich) missverstanden oder gar als mangelnde Wertschätzung aufgefasst wird. Und um die Wertschätzungsebene eines Geschenks zu bekräftigen oder zu symbolisiere, gibt es ja glücklicherweise viele Möglichkeiten. Etwa, indem Sie sich ein besonders individuelles und persönliches Kommt-von-Herzen-Geschenk überlegen. Dann wären Sie ja auch wieder bei dem, was Geschenke eigentlich ausmacht und in der bisherigen Version offenbar verkümmert ist: dass sich nämlich sowohl die schenkende Person auch die Beschenkte an der Gabe erfreut.

Collien Ulmen-Fernandes:

Ihr Engagement ehrt Sie, und das meine ich wirklich vollkommen ironiefrei. Sie bewegt, was in der Welt passiert, Sie bemerken, wie gut es Ihnen und Ihrer Freundin geht im Vergleich zu anderen und wollen etwas tun. Alles daran ist gut und richtig, nichts daran ist falsch. Ich möchte daher lediglich mit einer kleinen Anekdote, besser gesagt mit einer Parabel antworten, an die ich mich gerade erinnert fühle bei Ihrer Frage: Eine gute Freundin erzählte mir vor ein paar Jahren von einer Weihnachtsfeier mit ihrer Firma. Alle in dem Unternehmen (eine bekannte Kunstgalerie) freuten sich immer sehr auf diese Feier, denn nicht nur war es ein besonders schönes Fest mit netten Kolleginnen und Kollegen, auch zeigten sich Chef und Chefin stets ausgesprochen spendabel. Es gab üppiges Weihnachtsgeld und immer noch das ein oder andere wertvolle, überraschende Geschenk für alle in dem Unternehmen. Kurzum, die Erwartungshaltung war jedes Mal groß, und genauso groß fiel die Enttäuschung aus, als in besagtem Jahr auf dem Höhepunkt der Feier plötzlich verkündet wurde, dass man diesmal auf klassische Geschenke verzichten wolle und das Geld an ein Aufforstungsprogramm gehe, weshalb jeder Mitarbeiter eine Baumpatenschaft erhalte oder so. Alle nickten pflichtschuldig und versuchten, sich zu freuen, denn natürlich wusste jeder, wie wichtig Naturschutz ist, aber doch gingen alle ein bisschen weniger beschwingt nach Hause als sonst. Vielleicht wurde auch die ein oder andere Träne verdrückt. Was ich damit sagen will? Man muss die Menschen eben manchmal zu ihrem Glück ZWINGEN! Spenden Sie in jedem Fall an die Ukraine!

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Quelle:
SZ vom 28.05.2022
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