Sexismus-Debatte:Männer, die Männer zum Kotzen finden

Man muss schon eine sehr selektive Wahrnehmung haben, um in diesem Mash-Up so etwas wie ein Manifest zu erkennen. Wer ehrlich ist, der ist beim Lesen mal bewegt, mal angeödet, der findet hellsichtige Kommentare neben brunzdummen Stereotypen; keine Gemeinde, sondern Stämme, Sekten und Einzelkämpfer, die sich aufs tollste anpflaumen. Internet halt.

Das nächste Postulat, das ungeprüft die Runde gemacht hat, ist das der überraschten Männer. "Wie man an den Reaktionen der meisten Männer sieht, ist das nicht in deren Bewusstsein, weil sie nicht davon betroffen sind", erklärte die Miterfindern des "Aufschreis", Nicole von Horst, in einem Interview.

Echt jetzt? Männer wissen nicht, dass ältere Vorgesetzte im Umgang mit jungen Mitarbeiterinnen klebrige Witze reißen? Sie haben keine Ahnung, dass Frauen im Bus, in der Kneipe oder an der Uni dummen Sprüchen ausgesetzt sind? Wer das behauptet, sollte vielleicht mal für einen Abend aufhören über Männer zu twittern und stattdessen mit ihnen sprechen. Ganz zu schweigen davon, dass es eine Frechheit ist, zu behaupten, Männer seien "nicht betroffen". Dahinter steckt dasselbe plumpe Lagerdenken, das die Fernsehauftritte von Alice Schwarzer so schwer erträglich macht (dazu gleich mehr).

Natürlich finden auch Männer andere Männer oft zum Kotzen. Weil sie vulgäres Zeug reden. Weil sie einen Mangel an Manieren und Kinderstube mit Männlichkeit verwechseln. Weil sie Frauen von oben herab behandeln, weil sie grapschen und sabbern und alles in allem eine ästhetische Zumutung sind. Kurzum: Nur weil einer auch einen Penis hat, heißt das noch lange nicht, dass ich auf seiner Seite bin.

Verengter Blick auf "Sexismus"

Das Problem vieler, vor allem älterer Feministinnen ist, dass sie sich weigern, ihr in jüngeren Jahren geformtes Bild von Männern in Frage zu stellen: das des dauergeilen Patriarchen, der männerbündelnd seine Privilegien verteidigt. Wenn es um Sexismus geht, gibt es für sie nur eine Definition, und die steht, zum Beispiel, im "Frauenhandlexikon" von 1983: "Sexismus bezeichnet sowohl die allgemeine Vorurteilshaltung: Menschen vor allem durch die Brille von Geschlechtsstereotypen zu sehen; wie auch den konkreten Inhalt des Vorurteils: sich aufgrund des eigenen männlichen Geschlechts für besser, klüger oder wichtiger als Frauen zu halten."

Und was ist mit sexistischen Frauen? Heterophoben Schwulen und Lesben? Geschlechtsneutralen Misanthropen? Gibt's nicht. Nicht hier. Hier gibt es nur den Kampf zweier sich antagonistisch gegenüberstehenden Lager. "Jede Frau, die in einer verantwortlichen Position ist, da ist ein Mann weniger", erklärte die inzwischen 70-jährige Alice Schwarzer am Sonntag im Ersten. Im Kern gehe es auch heute noch um "Verteilerkämpfe", und der "herabwürdigende sexistische Umgang" der Männer sei letztlich nur ein Instrument. Ein "Kampfinstrument".

Arme Alice. Ein Mensch, egal ob Frau oder Mann, der so denkt, wird nie Frieden stiften. Oder finden.

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