Süddeutsche Zeitung

Schwiegermütter:"Bösartig sind die wenigsten"

Klammern und kritisieren: Ein Gespräch mit Psychologin Felicitas Heyne über die Frage, welche Frauen böse Schwiegermütter werden - und was man dagegen tun kann.

Sarina Pfauth

Dass eine Kakteenart "Schwiegermuttersitz" genannt wird, sagt eigentlich alles: Schwiegermütter haben ein echtes Imageproblem. Oder sind sie tatsächlich so schwierig? Und falls ja: Wie schafft man es, trotzdem einigermaßen friedlich zusammenzuleben? Ein Gespräch mit Psychologin Felicitas Heyne über Schwiegermuttertypen, weitverbreitete Probleme - und erste Schritte zum Frieden. Heyne arbeitet als systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin und ist Autorin des Ratgebers "Hassgeliebte Schwiegermutter".

sueddeutsche.de: Frau Heyne, eine alte Bauernweisheit besagt: "Mischt der Bauer Gift zur Butter, ist sie für die Schwiegermutter."

Felicitas Heyne: Schwiegermütter hatten schon immer ein schlechtes Image - zu allen Zeiten und in allen Ländern gab und gibt es Volksweisheiten und Witze dazu. Egal, ob sie nach Spanien, Albanien oder in die Mongolei schauen.

sueddeutsche.de: Was wird den Schwiegermüttern nachgesagt?

Heyne: Dass sie klammern und ihren Sohn nicht loslassen können - was oft auch stimmt. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie herrschsüchtig sind, besitzergreifend, dass sie herumkritisieren und an der Schwiegertochter kein gutes Haar lassen.

sueddeutsche.de: Sind sie denn so schlimm wie ihr Ruf?

Heyne: Natürlich gibt es Harmonie-Beispiele, bei denen funktioniert das Zusammenleben richtig gut und man hilft sich gegenseitig. Doch bei immerhin jeder achten Scheidung hat die Schwiegermutter einen erheblichen Einfluss darauf, dass die Ehe auseinandergeht. 25 bis 30 Prozent der Frauen haben ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter. Mal heißt es: "Wahnsinnig grün sind wir uns nicht." Dann wieder: "Sie ist ein echtes Problem."

sueddeutsche.de: Sie beraten viele Frauen, die Schwierigkeiten mit ihrer Schwiegermutter haben. Ihr ungewöhnlichster Fall?

Heyne: Ein Ehepaar kam zu mir in die Paartherapie mit der klassischen Begründung: Meine Frau schläft nicht mehr mit mir. Nach einiger Zeit kam heraus, dass im Haus jeder ein- und ausging, wie es im gerade einfiel. Die Frau musste immer damit rechnen - und es passierte auch von Zeit zu Zeit - dass die Schwiegermutter im Schlafzimmer stand, weil sie irgendetwas fragen wollte. Da wurde nicht angeklopft. Das Problem ließ sich dann aber relativ schnell durch den Einbau von Türschlössern lösen.

sueddeutsche.de: Schwiegersöhne vertragen sich meist ganz gut mit ihrer Schwiegermutter. Warum klemmt es gerade zwischen den Frauen so oft?

Heyne: Es gibt einen Grundkonflikt zwischen Frau und Schwiegermutter, der in dem direkten Rollenvergleich zwischen den beiden begründet liegt. Die Schwiegermutter fragt: "Wie habe ich mein Leben gestaltet als Frau und Mutter? Wie habe ich bislang meinen Sohn versorgt - und wie macht sie das jetzt?"

sueddeutsche.de: Wo brennt es am häufigsten?

Heyne: Das am weitesten verbreitete Problem ist, dass die Schwiegermutter die Frau des Sohnes kritisiert. Diese Kritik trifft oft auf eine besondere Empfindlichkeit der Jüngeren. Viele Schwiegermütter meinen die Kommentare gar nicht böse, oft ist das eher ein ungeschicktes Hilfsangebot wenn sie Sätze sagen wie: "Ich hätte dem Jungen die Hose doch bügeln können." Egal, ob es da nun um ordentliche Kleidung, Unkraut im Garten oder die Kindererziehung geht: Es kann durchaus die gute Absicht vorliegen, zu zeigen, wie's besser funktioniert ...

sueddeutsche.de: ... kommt bei den jungen Frauen aber nicht so gut an.

Heyne: Die Schwiegertöchter hören darin oft die Botschaft: "Ich bin ihr nicht gut genug für ihren Sohn." Weil die Reaktion entsprechend ausfällt, kommt dann eine sehr ungute Dynamik in Gang. Am Ende wird sich die Schwiegertochter immer angegriffen fühlen, egal was die Ältere sagt. Und umgekehrt hat die Schwiegermutter dann das Gefühl, sie darf gar nichts mehr sagen, weil alles sofort gegen sie verwendet wird.

sueddeutsche.de: Und wo stehen die Männer in diesen Konflikten?

Heyne: Das ist das andere, weitverbreitete Problem: Männer wollen sich in den Konflikt nicht einmischen und keine Position beziehen. Das führt oft dazu, dass das Ganze eskaliert, weil die Frau sich - zu Recht - im Stich gelassen fühlt. Die Partnerin hat den Eindruck: Der macht gemeinsame Sache mit seiner Mami und lässt mich im Regen stehen. Oft steckt dahinter ein grundsätzliches Gefühl von Alleingelassenwerden, die Schwiegermutter ist dann nur der Aufhänger.

sueddeutsche.de: Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?

Heyne: Versteckte Konflikte gibt es oft bei Haushaltsfragen. Da kommt die Schwiegermutter und sagt: "Du kannst von dem armen Jungen doch nicht erwarten, dass er nach der Arbeit noch seine Hemden bügelt, ich hab das auch immer für ihn gemacht." Männer beziehen dann manchmal keine Position, weil sie sich nicht gegen ihre Mutter stellen wollen. Aber insgeheim denken sie, es wäre schön, wenn sie die Hemden bügelt. Da ist es ganz praktisch, wenn die Mami den Streit austrägt. Bei geheimen Allianzen und Machtspielchen ist die Schwiegermutter oft nur eine Randerscheinung.

sueddeutsche.de: Kommt man aus solchen Streitereien wieder heraus?

Heyne: Durchaus! Manchmal reicht ein offenes Gespräch. Es ist nicht selten so, dass Schwiegermütter gar nicht merken, was sie bei ihren Schwiegertöchtern auslösen, wenn sie zu allem ihren Senf geben. Manche sind eben nicht so sensibel.

sueddeutsche.de: Ist immer die Schwiegermutter schuld, wenn es kracht?

Heyne: Man sollte überlegen, wie viel wirklich mit der Schwiegermutter zu tun hat. Zum Beispiel reagieren Schwiegertöchter mit einem wenig ausgeprägten Selbstwertgefühl sehr empfindlich, wenn sie irgendwo Kritik wittern. Das ist dann nicht ihre Schuld. In diesem Fall sollte die Schwiegertochter Strategien entwickeln, um nicht so verletzlich zu sein.

sueddeutsche.de: Und wenn es gar nicht funktioniert?

Heyne: Dann sollte man abwägen, ob man den Kontakt zur Schwiegermutter pflegen muss oder ob man nicht besser eine Grenze zieht. Manchmal ist es sinnvoll, räumliche Distanz zu schaffen. Wer im Haus der Eltern wohnt oder auf ihr Grundstück baut, spart meist Geld. Ein günstiges Baugrundstück ist aber nicht jedes Opfer wert. Man zahlt dann zwar nicht in Euro und Cent, aber vielleicht in Sachen Ehe drauf.

sueddeutsche.de: Sind die "bösen Schwiegermütter" meist unbeabsichtigt schwierig - oder erleben sie auch welche, die ihre Schwiegertöchter bewusst aus der Familie mobben wollen?

Heyne: Nur eine kleine Minderheit beschließt: Ich werde die jetzt wegekeln - auch wenn es von Schwiegertöchtern öfters so empfunden wird. Die meisten Schwiegermütter bemühen sich, einen Weg zu finden. Bösartig sind nur die wenigsten.

sueddeutsche.de: Welcher Typ Frau neigt dazu, die böse Schwiegermutter zu geben?

Heyne: Meistens sind es Frauen, die in irgendeiner Form unterbeschäftigt sind. Bei den Frauen, die ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihren Schwiegertöchtern haben, ist oft der Sohn an die Stelle des Partners gerutscht, weil die eigene Ehe nicht besonders gut war. Die ganze Liebe und Energie dieser Frauen konzentriert sich auf den Sohn. Sie haben wenig eigene Interessen und große Angst vor dem Alleinsein. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, bleibt nichts mehr übrig. Deshalb klammern sie extrem. Dem folgt eine sehr possessive Haltung: "Ich habe den bekommen und aufgezogen, der gehört mir und muss mir zur Verfügung stehen."

sueddeutsche.de: Die meisten Mütter wollen ja kein Schwiegermonster werden. Ihr Tipp?

Heyne: Nie ungefragt die Meinung abgeben. Es ist erstaunlich, wie viel es verändert, wenn man sich nicht als Helferin und Ratgeberin aufdrängt.

sueddeutsche.de: Haben Schwiegermütter auch Rechte?

Heyne: Auf jeden Fall haben sie jederzeit ein Recht auf Kontakt zu ihrem Kind und zu ihren Enkelkindern. Wie manche Mütter nach einer Scheidung dafür sorgen, dass die Väter die Kinder nicht mehr zu sehen bekommen, so gibt es häufig Schwiegertöchter, die den Partner vor unmögliche Alternativen stellen. "Deine Mutter oder ich!" So was geht gar nicht. Eine Frau hat immer ein Recht darauf, die Enkel und das Kind zu sehen. Und andersherum sollen die Kinder und der Partner den Kontakt weiter pflegen können, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.

sueddeutsche.de: Vielleicht muss es ja aber auch gar nicht so weit kommen, dass die Fetzen fliegen. Welchen Tipp geben Sie frischvermählten Frauen?

Heyne: Nicht mit zu hohen Erwartungen an die Sache heranzugehen. Man muss nicht die dickste Freundin der Schwiegermutter werden. Ein einigermaßen zivilisierter Umgang miteinander langt schon.

sueddeutsche.de: Und was raten Sie den Männern?

Heyne: Position beziehen. Ihr habt euch die Frau ausgesucht, jetzt müsst ihr sie auch in Schutz nehmen, wenn Mutti mault. Männer können dem Konflikt die Spitze nehmen, bevor er hochkocht, indem sie ihre Mutter beiseitenehmen und sagen: "Du musst sie nicht lieben, aber ich tu's, und deshalb will ich, dass du nett mit ihr umgehst." Die meisten Mütter knicken dann ein.

Felicitas Heyne ist Psychologin und arbeitet als systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. Sie ist die Autorin des Ratgebers "Hassgeliebte Schwiegermutter", der Gründe und Motive für das Verhalten von Schwiegermüttern analysiert und Schwiegertöchtern helfen soll, Reibereien zuvorzukommen. Das Buch ist im mvg-Verlag erschienen.

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