Süddeutsche Zeitung

Schwedisches Königshaus:Königspalast als Container

Der Kulturjournalist Per Svensson erklärt den Zusammenhang von Celebrity-Monarchie, schwedischem Königshaus und "Big Brother".

Thomas Steinfeld

Als König Harald von Norwegen im Februar 2007 siebzig Jahre alt wurde, stellten sich vier Kronprinzenpaare und eine noch nicht verlobte Kronprinzessin zum Gruppenbild auf: die zukünftigen Monarchen von Belgien, Norwegen, Dänemark, Schweden und den Niederlanden.

Der Auftritt wurde königlich, aber es waren vor allem Bürgerkinder darauf zu sehen: die Enkelin eines deutschen Fabrikanten, eine gewesene Kellnerin, eine Betriebswirtin, die Tochter eines Politikers. In diesen Familien haben sich Adel und Monarchie getrennt, und "Riddarhuset", die ständische Organisation des schwedischen Adels, legt großen Wert darauf, dass die Familie Bernadotte nicht zu ihren Mitgliedern gehört.

Wenige Wochen vor der Hochzeit der schwedischen Kronprinzessin mit Daniel Westling, einem jungen Mann aus ganz und gar kleinbürgerlicher Familie, ist in Schweden eine Debatte über die Zukunft des Königshauses entbrannt. "Nein", sagt Per Svensson, einer der bekanntesten Kulturjournalisten des Landes, die Monarchie sei "nie gefährlicher gewesen als heute" (Nej. Monarkin har aldrig varit farligare än nu, Bonnier Verlag, 2010). Denn es handele sich bei ihr um ein privat geführtes Familienunternehmen, das ungeheure Privilegien genieße.

Seine vornehmliche Aufgabe bestehe darin, sich um den Erhalt und die Vergrößerung des Vermögens zu bemühen, sich biologisch zu reproduzieren und sich begucken zu lassen. Das alles sei nicht besonders vernünftig, wodurch die besondere Schädlichkeit der schwedischen Monarchie entstehe. Denn sie möge sich noch so gewöhnlich geben, sie möge ungebildet und ungeschickt sein - allein dadurch, dass sie der puren Unvernunft eine greifbare, beständige und stets abrufbare Existenz im öffentlichen Leben einer Demokratie verleihe, sei sie etwas nicht nur Überflüssiges, sondern direkt Schädliches.

An Belegen fehlt es Per Svensson nicht. Vor allem um Carl XVI. Gustaf und seine diversen Zerstreuungen rankt sich eine Vielzahl von Anekdoten, und es ist bekannt, dass seine Eltern und Großeltern dem "Dritten Reich" und seinen Funktionären näherstanden, als es werdenden schwedischen Monarchen angestanden hätte.

Interessanter aber sind seine Ausführungen zur Verbindung zwischen einer Kultur der medialen Prominenz und der Monarchie. In vielerlei Weise glichen die Mitglieder der königlichen Familie den Stars und Sternchen der Unterhaltungsindustrie, erklärt Per Svensson: darin, dass sie berühmt sind, ohne Außerordentliches geleistet zu haben, darin, dass sie für pure Anwesenheit bezahlt werden, darin auch, dass ihre Möglichkeiten, über das eigene Leben zu entscheiden, rigoros beschnitten sind. De facto sei nämlich auch das Königshaus eine Art Big-Brother-Container.

Von den Prominenten der Unterhaltungsindustrie unterschieden sich die Mitglieder der schwedischen Königsfamilie jedoch dadurch, dass sie für all diese Aufmerksamkeit überhaupt nichts tun müssten. Im Pop müsse man sich anstrengen, müsse Interesse wecken, alberne Prüfungen bestehen und sich gegenseitig aus dem Spiel befördern. All diese Mühen seien in einem Königshaus überflüssig - die mediale Präsenz sei von vornherein gegeben, als gleichsam natürliche Voraussetzung. Dagegen empfiehlt Per Svensson die rigorose Privatisierung nach dem Vorbild von Post und Bahn: "Lasst den König werden, was er immer schon war, ein etwas tollpatschiger Chef eines Familienunternehmens in der PR-Branche."

Da fragt es sich indessen, warum sich so viele Menschen so heftig für einen Stoffel und dessen Verwandtschaft interessieren. Es wird daran liegen, dass Ruhm und Achtung ohne Leistung als etwas Erstrebenswertes erscheinen - und dass, trotz allem, gerade in einer Demokratie die Unvernunft einen festen Ort benötigt.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2010/che
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