Schwedisches Königshaus:Königlicher Spagat

Victorias Hochzeit ist ein bedeutender Schritt hin zum Thronwechsel in Schweden. Ihr Beispiel lehrt: Eine Monarchie überlebt nur, wenn sie volksnah bleibt.

Gunnar Herrmann

Wenn Kronprinzessin Victoria und Prinz Daniel als Mann und Frau durch die Pforte des Stockholmer Doms treten, beginnt auch für die schwedische Monarchie ein neuer Lebensabschnitt. Mit ihrem Jawort können die beiden die traditionsschwere Institution beleben. Denn die Hochzeit, mit der Victoria ihre eigene Familie und ihr eigenes Schloss bekommt, ist ein bedeutender Schritt hin zu einem Thronwechsel. Königstreue Schweden hoffen, die große Feier möge der Auftakt zu einer Generalüberholung des Herrscherhauses werden, das nach mehr als 30 Jahren mit Carl XVI. Gustaf an der Spitze eine Renovierung auch ganz gut vertragen könnte.

Koenigin Silvia von Schweden, Koenig Carl Gustaf von Schweden, Kronprinzessin Victoria, Daniel Westling, Lars-Goran Lonnermark

Königin Silvia und König Carl Gustaf vor Kronprinzessin Victoria und ihrem Bräutigam Daniel Westling: Viele Anhänger erhoffen sich von der Hochzeit eine Generalüberholung des Königshauses.

(Foto: ap)

Der Wechsel von Altem zu Neuem ist stets der schwächste Moment im Dasein eines Herrschergeschlechts. In der Geschichte der europäischen Dynastien waren diese Übergangsmomente oft mit Unruhen verbunden. Einst nutzten sie konkurrierende Sippen für einen Staatsstreich, einen kleinen Giftmord oder einen Bürgerkrieg.

Die Monarchen im heutigen Europa leben sicherer. Niemand will ihnen mit Gewalt die Macht entreißen, von der sie allemal nur noch wenig haben. Dennoch ist die Phase der Übergabe der Krone von einer Generation auf die nächste, wie sie nun in Schweden beginnt, eine heikle Sache. Und selten konnte man das so deutlich beobachten wie in den vergangenen Wochen in Stockholm.

Statt sich einem kollektiven Hochzeitsrausch hinzugeben, haben die schwedische Bevölkerung und allen voran die Presse vor dem Festakt eine bemerkenswerte Distanz zum Königshaus gewahrt. Kaum ein Tag verging, an dem nicht Details der Trauungsplanung bekrittelt wurden. Die Diskussion um das Für und Wider der Monarchie wurde auf allen Kanälen mit einer Energie und Ausdauer geführt, als stünde das Land kurz vor einer Volksabstimmung über seine zukünftige Staatsform. Umfragen zeigen sogar, dass der Rückhalt des Königshauses in der Bevölkerung während der Hochzeitsvorbereitungen leicht gesunken ist. Allerdings verharrt die Zustimmung auf hohem Niveau.

Die kritische Debatte in Schweden hat immerhin gezeigt, dass der Fortbestand der Königshäuser in modernen Demokratien alles andere als selbstverständlich ist. Auch heute noch müssen die Herrschergeschlechter sich immer wieder behaupten und dabei nicht nur ihre eigene Stellung, sondern zugleich auch das monarchische Element im Staat verteidigen. Das ist nicht leicht.

Eine Gesellschaft, in der die meisten Positionen nach dem Leistungsprinzip besetzt werden, muss das Erbprivileg als Provokation, als Fremdkörper empfinden. Damit der nicht abgestoßen wird, muss er sich in das demokratische Staatsgebilde einfügen. Das funktioniert nur, wenn der Erbmonarch herausragende Leistungen erbringt, die seine Privilegien rechtfertigen. Zum anderen darf ein König aber auch nicht zu sehr herausragen, sonst würde er die Akzeptanz im Volk verlieren, auf dessen Gunst er angewiesen ist wie jeder andere Staatsdiener auch. Wollen moderne Monarchen ihre Stellung behalten, müssen sie einen ständigen Spagat meistern zwischen royaler Würde und bürgerlicher Normalität.

In diese Stellenbeschreibung passt sehr gut, dass die königliche Victoria einen "Mann aus dem Volk" ehelicht. Sie liegt mit ihrer Wahl genau im europäischen Trend: Kaum ein Thronfolger aus ihrer Generation heiratet heutzutage noch einen Partner aus dem Hochadel. Den Menschen gefällt das - in Schweden ebenso wie in Norwegen oder Dänemark.

Wenn Victoria aus dem Stockholmer Dom tritt, dann hat sie einen großen Schritt auf dem Weg zum Thron getan. Die Menschen werden wohl die Kritik der vergangenen Wochen erst einmal vergessen. Sie werden ihrer künftigen Königin zujubeln. Der Fortbestand der schwedischen Monarchie scheint gesichert zu sein - für eine weitere Generation.

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