Schuhdesignerin Charlotte Dellal:Alles, nur nicht niedlich

Die Schuhdesignerin Charlotte Dellal ist die neue Louboutin: die derzeit umjubeltste Frau im männerdominierten Luxusschuh-Geschäft. Und der lebende Beweis, dass nicht alle Jetset-Kids faul sind.

Alex Bohn

Charlotte Dellal ist die neue Louboutin: die derzeit umjubeltste Frau im männerdominierten Luxusschuh-Geschäft. Wer ihren ersten Laden im Londoner Stadtteil Mayfair besucht, kann mit ein bisschen Glück Kate Moss oder Daphne Guiness treffen - sie sind beide Fans von Dellals Label "Charlotte Olympia". Ihre Schuhe erkennt man sofort: Sie sind wahnsinnig hoch und wahnsinnig femininin, sie zitieren den Hollywood-Glamour der 1940er Jahre. Dellal entstammt einer der glamourösesten Familien Londons: Ihr Vater ist ein britischer Immobilien-Magnat, die Mutter ein ehemaliges brasilianisches Topmodell, ihre kleine Schwester Alice ist das Punk-It-Girl mit der Undercut-Frisur, Bruder Alex ist mit Charlotte Casiraghi liiert. Die 30-Jährige trägt ihre Kreationen auch selber - nur nicht während dieses Interviews.

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Die Kreationen der Schuhdesignerin haben Glamour.

SZ: Frau Dellal, Ihr Markenzeichen sind Schuhe mit schwindelerregend hohen Absätzen: zwölf Zentimeter und mehr. Sie sind gerade hochschwanger - bleiben Sie den Highheels trotzdem treu?

Charlotte Dellal: Nein. Meine Mutter hat mich ganz eindringlich gewarnt, schon als ich zum ersten Mal schwanger war. Sie hat wohl Angst, ich könnte auf hohen Haken vorne überkippen und das Baby verletzen. Ich laufe seit dem dritten Monat fast ausschließlich in Turnschuhen von Converse herum. Chucks sind für mich ein Klassiker. Die trage ich auch, wenn ich nicht schwanger bin.

SZ: Sie sehen sonst immer sehr glamourös aus. Sie tragen Ihre rötlich gefärbten Haare in Wellen gelegt, man sieht Sie selten ohne tiefrot geschminkte Lippen. Ihr Motto ist: "The higher the heel, the better I feel." Sind Turnschuhe da nicht profan?

Charlotte Dellal: Stimmt, das Zitat stammt von Ellen von Unwerth. Ich meine das aber nicht bierernst. Ich denke nicht, dass Frauen immer hohe Schuhe tragen sollten. Ich habe eine Schwäche für den Glamour der 1930er und 1940er Jahre, für Hollywood-Diven wie Rita Hayworth. Daher meine Frisur, mein Make-up und die Leidenschaft für Leoparden-Muster. Ich entwerfe hohe Schuhe, weil ich sie schön finde. Für meine Label Charlotte Olympia musste ich erstmal eine eigene Ästhetik entwickeln - das waren dann eben sehr hohe Schuhe. Mittlerweile entwerfe ich zu jedem hohen Schuh auch ein flaches Pendant.

SZ: Ihre jungen, männlichen Kollegen - wie zum Beispiel Brian Atwood und Nicolas Kirkwood - entwerfen Schuhe, die aussehen wie Skulpturen: geometrisch, abstrakt, mörderhoch. Was machen Sie anders?

Charlotte Dellal: Ich bin eine Frau. Ich trage diese Schuhe! Meine wichtigste Vorgabe ist: Man muss in den Schuhen noch bequem laufen können. Nur dekorativ in der Ecke herum zu stehen, macht keinen Spaß. Und ich entwerfe Schuhe, die in irgendeiner Form klassisch sind. Die Silhouette ist immer ein Pumps oder Plateau-Pumps. An den Materialien, die ich verwende - Leder, Leinen, bedruckte Stoffe - sieht man, dass ich ziemlich nostalgisch bin.

SZ: Ihre Mutter, Andrea Dellal, hat als Model international erfolgreich gearbeitet, auf der letzten London Fashion Week war sie gemeinsam mit Yasmin Le Bon auf dem Laufsteg zu sehen. Hat Sie Ihnen beigebracht, wie man in Highheels läuft?

Charlotte Dellal: Im Gegenteil. Meine Mutter hat mir immer verboten, hohe Schuhe zu tragen. Sie wollte, dass ich Birkenstock-Sandalen trage.

SZ: Wie bitte?

Charlotte Dellal: Sie hat ja recht. Highheels machen auf Dauer keine schönen Füße. Ich bin durch meine Mutter zur Mode gekommen, das schon. Sie hat mich mit zu den Schauen genommen, und ich wusste schnell, dass ich selbst gestalten wollte.

Entwürfe für drei Generationen

SZ: Wie sieht Ihre Traumkundin aus?

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Keine Angst vor Leo-Print: Charlotte Dellal hat sich mit ihren Entwürfen im Luxusschuhsegment einen Namen gemacht.

(Foto: Jacob Lillis)

Charlotte Dellal: Wenn ich Schuhe entwerfe, denke ich immer an meine Großmutter, meine Mutter und meine Schwester Alice - das sind drei Generationen Frauen. Sie sollen alle meine Schuhe tragen können. Es nervt mich, wenn man so tut als wären bestimmte Moden nur für eine bestimmte Altersgruppe geeignet. Ob jemand etwas tragen kann, liegt ganz an seinem Selbstverständnis und daran, wie er sich gerade fühlt.

SZ: Ihre Sommerkollektion bewerben Sie mit einem Pin-up-Motiv, inspiriert von dem brasilianischen Pin-up-Superstar Carmen Miranda. Für die Herbstkollektion haben Sie eine Art Agatha-Christie-Kurzfilm gedreht, mit ausschließlich weiblichen Protagonisten. Männer tauchen im Universum von Charlotte Olympia gar nicht auf.

Charlotte Dellal: So habe ich darüber noch gar nicht nachgedacht. Okay, Schauspielerin Portia Freeman, die in dem aktuellen Film und allen Kampagnen zu sehen ist, ist tatsächlich eine starke, unabhängige Frau. Und mädchenhaft niedlich ist meine Arbeit sicher nicht. Und auch in meiner Familie sind alle Frauen selbstgenügsam und unabhängig.

SZ: Sie selber sind der Inbegriff der modernen Frau.

Charlotte Dellal: Wie meinen Sie das?

SZ: Nun ja, Sie entwerfen zwei Kollektionen pro Jahr, führen die gesamten Geschäfte, kürzlich haben Sie ihre erste Boutique eröffnet und Ihre Kollektion außerdem im renommierten Kaufhaus Bergdorf Goodman in New York untergebracht . Nebenbei erziehen Sie Ihren dreijährigen Sohn, vor ein paar Monaten haben Sie geheiratet, und in Kürze erwarten Sie Ihr zweites Kind ...

Charlotte Dellal: Ja, eine richtige "Charlie's-Angels"-Phantasie! Dass ich gleichzeitig Mutter, Designerin und Unternehmerin bin, funktioniert nur, weil ich selbständig bin. Ich hatte keinen Mutterschaftsurlaub. Wenn ich wollte, dass der Laden läuft, musste ich mich schon selbst darum kümmern. Am Anfang habe ich meinen kleinen Sohn Ray immer mit ins Büro und auch ins Atelier mitgenommen. Wer angestellt ist, kann das nicht so locker machen. Einfach ist das trotzdem nicht, eher ein Balance-Akt. Meine Familie hilft mir auch, vor allem meine Mutter und meine Schwiegermutter. Wir stehen uns sehr nah - die Männer eingeschlossen. Ray hat mittlerweile eine Nanny, den Tag über. Wie das alles funktioniert, wenn mein zweites Kind auf die Welt kommt - das werde ich dann sehen.

SZ: Hat es eigentlich mit Ihrem Sohn zu tun, dass Sie seit einiger Zeit auch flache Schuhe entwerfen? Ist man als Mutter gezwungen, praktischer zu denken?

Charlotte Dellal: Wie gesagt, meine Converse-Turnschuhe habe ich auch schon vor Rays Geburt getragen. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich auf Zwölf-Zentimeter-Absätzen mit ihm auf den Spielplatz gehe. Dann ziehe ich eher Sandalen aus meiner Kollektion an - am liebsten die mit Leoparden-Muster, damit ich nicht zu sittsam aussehe. Aber guter Stil steht und fällt nicht mit der Höhe der Absätze.

SZ: Was ist für Sie denn guter Stil?

Charlotte Dellal: Dinge zu tragen, in denen man sich wohlfühlt. Für mich bedeutet das einen hübschen Hut und ein schönes Paar Schuhe. Accessoires machen ein Outfit komplett. Ich glaube nicht, dass man sich in jeder Saison komplett neu einkleiden muss, nur weil es neue Trends gibt. Man braucht ein paar unverwüstliche Dinge, die man liebt. Und die kann man mit Accessoires immer wieder neu inszenieren.

SZ: Gehören Schuhe zu den unverwüstlichen Dingen, die eine Frau lieben sollte?

Charlotte Dellal: Für mich schon. Ich trage sie, bis sie auseinanderfallen. Und ich glaube auch nicht, dass jemand meine Highheels wegwirft, nur weil gerade ein halbhoher Haken angesagt ist.

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