Schriller Modemacher:Ein Herz und eine Krone

Wenn der schrille Designer Harald Glöckler im Fernsehen für Produkte wirbt, schnellen die Verkaufszahlen in die Höhe - sogar, wenn es sich dabei um Bauchkontrollslips handelt.

Claudia Fromme

Als der Bauchkontrollslip präsentiert wird, ist Hollywood plötzlich ganz nah. Ein Krönchen schimmert auf dem Gummibund, der Busen der Moderatorin Frau Kossowski erzittert, und Harald Glöckler schreit spitz: "Meine Damen, dafür brauchen Sie einen Waffenschein!" Er klatscht in die Hände, erzählt von seiner Freundin Gina Lollobrigida und ruft: "Das ist der Look der Reichen und Schönen!"

Harald Glöckler, Modedesigner, dpa

Harald Glööckler, der Mann mit den vielen Gesichtern: schriller Modedesigner, Botschafter des Deutschen Kinderhilfswerks, verkaufssteigernder Fernsehmoderator.

(Foto: Foto: dpa)

Die Anrufer stauen sich in den Telefonleitungen des Einkaufssenders HSE24. "Die Leitung brennt!", ruft Glöckler alarmiert. Der Hosenzähler am Bildrand läuft nun fast so schnell wie die Schuldenuhr vom Bund der Steuerzahler. In nur 1,8 Minuten sind 123 Bauchkontrollslips zu je 22,99 Euro weg. Und die bringen nicht nur Figuren in Form. "Herr Glöckler, Sie haben meine Ehe gerettet", berichtet Herr Glöckler von einer dankbaren Anruferin. Frau Kossowski strahlt.

Die große Welt zum kleinen Preis

Harald Glöckler, der sich Harald Glööckler mit Doppel-ö nennt und von HSE 24 als "Modemacher, Visionär, Luxuspapst" annonciert wird, sitzt in einem schwarz-weißen Anzug mit korrespondierenden Lackschuhen in einem Konferenzraum des Senders und klimpert mit den Händen, an denen gefühlte drei Kilo Modeschmuck hängen.

"Für mich ist jede Frau schön, jede kann eine Prinzessin sein", exklamiert er. Nachts zuvor hat er bereits eine Show moderiert, um nach drei Stunden Schlaf wieder Frauen zu adeln, in Ismaning bei München, wo er seit fünf Jahren Miederwaren, Mode, Schmuck und Bettwäsche seines Labels Pompöös im Minutentakt verkauft.

In guten Stunden rufen 3000 Kundinnen an. Damen jenseits der 60 honorieren treu, dass seine Mode erst bei Größe 56 endet. Und wohl auch, dass er sich so schrill geriert. Einer, der von Freundinnen wie Brigitte Nielsen und Chaka Khan erzählt und die große Welt zum kleinen Preis anbietet. 22,99Euro für einen flachen Bauch "wie die Reichen und Schönen". Mit Krönchen und von Herzen.

Glöckler mag durch die Studiokulisse gockeln wie eine Heimsuchung aus Marie Antoinette und Louis XIV., und zuweilen wähnt man ihn auch der Ohnmacht nahe, möchte Riechsalz reichen. Aber dann lacht er ganz laut über sich selbst und sagt schöne Sätze wie diese: "Mit 20 ist der Teufel ja schön, aber wenn man älter ist und morgens in den Spiegel guckt, dann denkt man: Was hat denn da für eine Bombe eingeschlagen? Das ist ja Körperwelten!" Glöckler hilft nach: Die Augenbrauen, die ihn immer erstaunt aussehen lassen, sind tätowiert, Botox strafft die Unteraugenpartie, Collagen formt Ö-Lippen. Seine TV-Auftritte schaut er sich nie an. "Das würde ich nicht aushalten", sagt er.

Disziplinierter Prinz Karneval

Harald Glöckler wirkt wie ein Prinz Karneval der Mode, vor allem aber ist er solider Geschäftemacher - was ihn von anderen Impresarios wie dem seligen Rudolph Moshammer unterscheidet. "Privat bin ich nicht so wahwahwah", sagt er. Geboren vor 43 Jahren im schwäbischen Maulbronn als Sohn eines Gastwirts, lernte er früh, Haltung anzunehmen. "Ohne Disziplin wird man nichts", sagt er. Auf den Pariser und Mailänder Laufstegen ist er kein Thema, auf dem Boulevard der großen Träume sehr wohl.

Und so designt er in seinem Atelier in Berlin zwar für reife Damen wie die Jacob Sisters, zitierte Filmfreundinnen und den Parkett-Adel wie Erina von Sachsen, vor allem aber vergibt er Lizenzen. Glöckler entwirft, andere stellen her, lagern ein, tragen das Risiko. "Die kleinen Sachen bringen das Geld", gibt er zu. Auf dem Flughafen von Dubai führen 20 Händler seinen Modeschmuck, in Hongkong ebenso, von August an wird er in England beim Shoppingsender QVC verkaufen, im Mai heuerte er beim japanischen Shop Channel an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Glöckler im Alter von 14 Jahren den Tod der Mutter erleben musste.

Botschafter mit trauriger Kindheit

Auf dem Videomitschnitt ist zu sehen, wie der Moderator ihn als Harald Glööckler-san vorstellt. Der verbeugt sich artig und spricht Deutsch, eine Dolmetscherin übersetzt. Selten hat man ihn so zurückgenommen gesehen, fast starr steht er dort, verkauft Schmuck, als wären es Versicherungspolicen. Natürlich sei vorher besprochen worden, wie er in Japan auftreten soll. Weniger wahwahwah, bloß keine Tätowierungen zeigen. Die gelten in Japan als Ausweis der Unterwelt.

Harald Glöckler, Designer, Mode, ddp

Hauptsache schrill, pompös und bunt: Der Designer Harald Glöckler posiert 2004 in seinem Berliner Atelier.

(Foto: Foto: ddp)

Große Kolliers sind der Renner, vor allem eines mit einem Kreuz, "das auch Bonnie Tyler so liebt". Zum Ende der ersten Show wirft er einen Kuss in die Kameras und haucht: "Ich komme wieder!" Vor dem Sender standen Autogrammjäger, Zuseher forderten später, "dass mehr Harald Glöckler" und weniger der Moderator zu sehen sein soll. Der sagt, dass Japaner "Trash" lieben und Barockes. Harald Glöckler als personifiziertes Neuschwanstein.

Vielleicht mögen sie ihn aber auch so, weil er durchaus Ähnlichkeit mit einem hat, der gerade durchs Kino geistert: der schwule österreichische Modereporter Brüno. Zwar gibt es die Kunstfigur schon lange, aber einige Dinge könnte sich Sacha Baron Cohen von ihm abgeschaut haben. Vor zwei Jahren jedenfalls klingelte er bei Glöckler und seinem Freund und Geschäftspartner Dieter Schroth, 61, an der Tür ihrer barocken Wohnwelt in Charlottenburg. Cohen hatte auf ein Treffen gedrungen, und so plauderte man die halbe Nacht lang. Am nächsten Morgen ließ Cohen einen Präsentkorb der Galeries Lafayette schicken. "Was für ein netter Typ!", ruft Glöckler. Herr Schroth sagt, dass Cohen zwar kreuzhetero sei, den Gockelgang aber glänzend draufhabe.

Botschafter mit trauriger Kindheit

Harald Glöckler war erst Modeverkäufer in Mühlacker, 1987 eröffnete er dann mit seinem Partner, den er stets mit "Herr Schroth" anspricht, einen Jeansladen in Stuttgart, 1990 gründeten sie das Label Pompöös, vier Jahre später zeigten sie ihre Roben im Neuen Schloss in Stuttgart. Chaka Khan trug ein Rokokokleid mit Schmetterlingen und sang "I'm Every Woman".

So sei das losgegangen mit den "Weltstars", sagt Glöckler. Danach hüllten sich die Weather Girls in den Schwaben-Versace, Gina Lollobrigida empfing ihn, Brigitte Nielsen trägt mit Vorliebe seine Kreationen mit den typischen Schößchen, Rüschen und Corsagen. Heute sind die "Weltstars" eine gute Verkaufshilfe fürs Lizenzgeschäft. Er telefoniere oft mit ihnen, sagt Glöckler. Dass nicht alle etwas mit seinem Kitschdesign anfangen können, stört ihn nicht. "Ich mache viel, darum mache ich vielleicht auch viel falsch, ich mache aber auch viel richtig."

Harald Glöckler ist Botschafter des Deutschen Kinderhilfswerks, auch, weil seine eigene Kindheit schwer war. "Mein Vater war ein Tyrann, er schlug ständig meine Mutter", sagt er. Schon als Sechsjähriger habe er sich seine eigene Welt aufgebaut, sagt Glöckler. In der habe es nur Prinzessinnen gegeben, und da habe er sich vorgenommen: "Ich möchte, dass alle Frauen schön sind und nie mehr weinen."

Als er 14 war, habe sein Vater seine Mutter die Treppe hinuntergestoßen, drei Tage später war sie tot. Mit seinem Vater redete er bis zu dessen Tod 1992 kein Wort mehr. Diesen Teil der Biographie erwähnt HSE 24 im Internet vorsichtshalber nicht. Es soll um Träume gehen, Realität haben die Kundinnen schon genug zu Hause.

Harald Glöckler klatscht in die Hände, die nächste Show wartet. Diesmal zeigt er mit Frau Thomas Hosenanzüge und Röcke, üppig verziert mit Strass. "Das sieht nach zehn Millionen Dollar aus, das ist so wie bei den Damen aus der High Society", ruft er. Der Hosenanzugszähler dreht durch. Frau Thomas strahlt. Die Regie hat ihr neue Zahlen durchgegeben. 2300 Hosenanzüge zu je 59,99 Euro sind weg.

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