Schönheits-OPs:Generation Botox

Die Patienten werden jünger, Männer unterm Messer und seltsame Experimente: Es gibt sieben Aspekte zum Trend der Schönheits-OPs. Wir stellen sie vor.

Claudia Fromme, Philipp Jedicke, Marten Rolff und Martin Zips

An diesem Freitag verabschiedet der Bundesrat ein Gesetz, das Ärzte verpflichten soll, Folgeerkrankungen von Schönheitsoperationen den Krankenkassen zu melden. Daran könnte sich künftig entscheiden, ob die Kosten für eine Behandlung übernommen werden oder nicht. Während Ärzte den "Petzparagraphen" als Angriff auf ihre Schweigepflicht verurteilen, schlagen Politiker Alarm: Weil das Geschäft mit der Schönheit boomt, mehren sich Komplikationen, die Kosten steigen.

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22 Prozent der Patientinnen und acht Prozent der Patienten klagen laut einer Studie nach einem Eingriff über Folgeschäden. Die Devise bei OPs lautet: immer öfter, immer schneller, immer unüberlegter, immer billiger.

Generation Botox

Die Akzeptanz wächst

Mama würde sich gerne ihre Nase richten und den Bauch straffen lassen. Nur: Wie erklärt sie derlei ihren Kindern? Weder bei den Brüdern Grimm noch bei Astrid Lindgren wird das Thema plastische Chirurgie kindgerecht (und positiv!) behandelt. Schönheitschirurg Michael Salzhauer aus Bel Harbour, Florida, hat sich da was ausgedacht: Sein Buch "Meine schöne Mama" (My Beautiful Mommy) ist eine comicbunte Fibel, die schon Kindern Lust auf den OP-Tisch macht. "Mama", so ruft das kleine Mädchen als die Mutter aus der Klinik zurückkehrt, "du bist der schönste Schmetterling auf der Welt."

Kritik, dass das pädagogisch völlig in die Hose geht, lässt Salzhauer nicht gelten. "Die Absicht ist es, Eltern, die durch diesen Prozess gehen, etwas an die Hand zu geben, um es ihren Kindern zu erklären." Die Schönheits-OP gehört immer mehr zum Alltag: Dem Gesundheitsausschuss des Bundestages zufolge lassen Deutsche heute 520000 ästhetische Eingriffe pro Jahr an sich vornehmen. Platon nannte das Fleisch den Kerker der Seele. Aber wer ist schon Platon?

Generation Botox

Patienten werden immer jünger

Ein neuer Busen zum Abitur, ein Satz praller Lippen zum 16. Geburtstag: Um vermeintlichen Schönheitsidealen zu entsprechen, legen sich Jugendliche - zuweilen befördert durch ihre Eltern - immer öfter unters Messer. Der Vereinigung Deutscher Plastischer Chirurgen zufolge werden bereits 100000 Schönheitsoperationen an unter 20-Jährigen vorgenommen, andere Gesellschaften gehen höchstens von der Hälfte aus.

Gesicherte Zahlen gibt es nicht. Im "LBS-Kinderbarometer Deutschland 2007" für das 6000 Jugendliche befragt wurden, sagten 40 Prozent der Mädchen zwischen neun und 14 Jahren aus, dass sie sich gerne Fett absaugen lassen würden, zehn Prozent wünschten eine Brust-OP. Politiker, Ärztevertreter und Psychologen sehen einen "medial befeuerten Schönheitskult" als Ursache und fordern ein gesetzliches Verbot der Eingriffe bei Jugendlichen. Das sei auch daher nötig, sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, weil es "zu wenig Selbstbeschränkung der Ärzte gebe".

Am Mittwoch wurde ein Verbot im Gesundheitsausschuss des Bundestages kontrovers diskutiert. Kritiker sehen es als "Eingriff in Elternrechte", chirurgische Fachgesellschaften monieren, dass schwer abzugrenzen sei, ob Eingriffe medizinisch angezeigt sind. Kinder mit Segelohren etwa litten unter enormem psychischen Leidensdruck. Aber auch eine solche Korrektur sei ein kosmetischer Eingriff.

Generation Botox

Männer unterm Messer

Britische Schönheitschirurgen prägten unlängst den Begriff für ein neues Phänomen: das Sarkozy-Syndrom. Es befalle Männer mittleren Alters, die sich eine deutlich jüngere Frau leisten und daher den Blick in den Spiegel nicht mehr ertrügen. Der, so schrieb der Daily Telegraph, treibe sie scharenweise in die Praxen, wo sie nicht nur straffe Lider und größere Brustumfänge forderten, sondern laut Sunday Times auch Sonderwünsche äußerten: Viele Briten, so verriet ein führender Chirurg, verlangten jetzt eine Denkerstirn wie Premier Gordon Brown sie habe.

Seriöse Ärzte lehnen solche Wünsche ab. Es gibt auch so genug zu tun: 15 Prozent der Kunden von Schönheitspraxen sind auch hierzulande heute Männer. Dass Macht eitler macht, fand Sonja Bischoff, Professorin für Betriebswirtschaft der Uni Hamburg in einer Studie heraus: Ein Drittel aller Männer, so Bischoff im Manager-Magazin, glaubten heute, dass die äußere Erscheinung entscheidend sei für die Karriere. Bei Managern mit einem Jahressalär von mehr als 100000 Euro waren es sogar 46 Prozent. Nota bene: Bei den Frauen glauben nur 29 Prozent daran.

Generation Botox

Seltsame Experimente

Wenn Spezialisten das Nachwachsen von Knochen nutzen, um Fehlbildungen an Extremitäten zu korrigieren, kann das orthopädisch sinnvoll sein. Wenn Frauen sich dagegen mit gezielten Brüchen aus ästhetischen Gründen die Beine schmerzhaft verlängern lassen, wird es schwierig.

Kürzlich kursierten Berichte über zweifelhafte Knochenbrecher-Kliniken in Sibirien, Japan oder China. Doch gibt es noch absurdere Methoden, Leute zu vergrößern: Der Arzt Luis De la Cruz will in seiner Klinik in Madrid bereits 17 Menschen durch ein Kopfimplantat zur gewünschten Körpergröße verholfen haben. Dabei wird den Patienten in einer 90-Minuten-OP ein Silikon-Kissen zwischen Kopfhaut und Schädel geschoben. Effekt? Bis zu fünf Zentimetern. Warnung? Für Menschen mit schmalem Kopf eher unvorteilhaft. Spätfolgen? Unbekannt.

Generation Botox

Die Botox-Gesellschaft

Als vor einigen Jahren das Phänomen der Botox-Party aus den USA nach Europa kam, reagierten viele empört. Was? Eine Veranstaltung wie eine Tupper-Party, bei der sich die Gäste ein Gift (Botulinumtoxin A) in Gesichtsmuskeln spritzen lassen, um Falten zu glätten? Unglaublich!

Längst sind solche Partys Alltag, auch Männer nehmen teil. In Großbritannien stieg die Zahl männlicher Botox-Kunden im ersten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte, berichtet die Medizinforschungsgruppe Haley. In den USA lassen sich pro Jahr 500000 Menschen unter 34 Jahren auf die Art vorübergehend glätten, selbst 19-Jährige rücken mit Botox ersten Lachfältchen zuleibe. Ein lukratives Geschäft.

In Deutschland lassen sich immer mehr Ärzte für Botox-Behandlungen schulen. Nicht immer eine gute Idee, findet Professor Christian Gapka, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC): "Wenn Promi-Chirurgen jetzt schon Zahnärzte auf Botox schulen, ist das katastrophal."

Generation Botox

Schönheit als Schnäppchen

Die Jagd nach perfekten Brüsten und vollen Lippen führt dazu, dass sich eine wachsende Zahl an Patientinnen im Ausland behandeln lässt. Zahlen gibt es keine, aber Kliniken in Osteuropa locken mit Billigangeboten, bei denen die Operation in einen Urlaub - gerne am Schwarzen Meer - integriert werden kann. Chinesische Anbieter offerieren die Partnernase zum Valentinstag.

Die Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie in Deutschland (GÄCD) warnt vor dem Trend des ,,globalen Schönheitstourismus'' mit der Begründung, dass Schönheits-OPs bei Pfusch schwere gesundheitliche Folgen haben können, deren Korrektur die gesetzlichen Kassen hierzulande nicht mehr bezahlen. Hygienevorschriften und Nachsorgekriterien, die in Deutschland seit Jahren Standard sind, werden bei Billiganbietern oft nicht erfüllt. Eine seriöse Brustvergrößerung zum Beispiel sollte mindestens 5000 Euro kosten. Bei billigeren Angeboten, so die VDÄPC, sei Vorsicht angebracht.

Generation Botox

Jeder kann es werden

Die Begriffe Schönheitsoperation, Schönheitschirurgie, kosmetische Chirurgie oder ästhetische Chirurgie sind in Deutschland nicht definiert. Zudem ist die Ausbildung unterschiedlich. Mal operiert ein Facharzt für plastische Chirurgie mit sechsjähriger Ausbildung und praktischer Erfahrung, mal ein Chirurg, der einen Wochenendkurs belegt hat und mal ein Arzt ohne Zusatzqualifikation.

Das ist erlaubt - und so besteht für die Patienten die Gefahr, an einen unqualifizierten, unerfahrenen Mediziner zu geraten. Komplikationen mit erheblichen medizinischen Nebenwirkungen können die Folge sein. Laut einer im US-Fachblatt ,,Plastic and Reconstructive Surgery'' veröffentlichten Studie kommt auf 5000 Fettabsaugungen ein Todesfall.

Dem Gesundheitsausschuss des Bundestages zufolge klagen die Hälfte aller Patienten nach dem Fettabsaugen über Probleme. Die Stiftung Warentest monierte bereits 2002 die mangelhafte Patientenberatung. Nicht einmal jeder sechste Arzt informiere vor dem Fettabsaugen über das Sterberisiko.

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