Schönheits-Ideal:Das Problem ist nicht die Nase

Schönheits-Ideal: Handy, Handy in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?

Handy, Handy in der Hand, wer ist die Schönste im ganzen Land?

(Foto: Natalie Neomi Isser, Mauritius / SZ Grafik)

Mit den Smartphones kamen die Komplexe: Weil die Nase auf Selfies größer wirkt, als sie ist, lassen sich immer mehr Menschen operieren. Ein Anruf bei einem Schönheitschirurgen.

Von Violetta Simon

US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Nase auf Selfies bis zu 30 Prozent größer wirkt als sie ist. Der Hintergrund der Untersuchung: Immer mehr Menschen legen sich unters Messer, damit sie auf digitalen Selbstportraits attraktiver aussehen. Ein Gespräch mit Jens Baetge, der die Nürnberger Klinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie leitet.

SZ: Ich habe mir Ihr Portraitfoto angesehen und finde Ihre Nase super. Was sagen Sie - gefällt Ihnen, was Sie sehen?

Jens Baetke: Ich bin immer etwas unzufrieden. Sie sehen ja, ich hab nicht so viele Haare, und meine Nase ist auch nicht gerade unauffällig. Aber lassen wir die Kirche im Dorf: Ich würde mich deswegen nicht operieren lassen.

Schönheits-Ideal: Jens Baetge, Nürnberger Klinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie

Jens Baetge, Nürnberger Klinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie

(Foto: privat)

Dennoch leben Sie von denen, die das tun wollen?

Wenn jemand in den Spiegel guckt und dabei seit Jahren immer wieder leidet, sollte er sich operieren lassen, damit endlich Ruhe ist.

Inzwischen gucken die Leute öfter ins Handy als in den Spiegel.

Es gibt definitiv einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Fotos und der Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen. Heutzutage fotografiert man sich ständig und postet das auch. Der Druck, einem uniformen Schönheitsideal zu entsprechen, ist durch die sozialen Medien gestiegen. So bahnt sich der Zweifel über die Selfies seinen Weg.

Und am Ende auch in ihre Praxis?

Gerade betreue ich zwei Personen, die deswegen zu mir gekommen sind. Die eine Patientin hat im Herbst ihre Hochzeit geplant und wollte, dass ich ihr noch schnell die Nase mache, damit die Fotos besser aussehen.

Was sagen Sie zu so jemandem?

Ich sage: "Sie finden sicher jemand anderen. Ich finde Ihre Nase schön so wie sie ist und werde das nicht tun."

Nach welchen Kriterien treffen Sie so eine Entscheidung?

Ein gewisser Zwiespalt gehört bei meinem Beruf dazu, genau wie die Verantwortung, weil so eine OP eine Lebensentscheidung ist. Deshalb beginne ich Beratungsgespräche nicht mit der Form der Nase. Sondern mit dem Eingriff - und was er genau bedeutet: die Fraktur, das Öffnen, die Heilungsphase, die bis zu einem Jahr dauern kann. Ich erkläre das, damit klar ist: Die Operation ist kein Reifenwechsel, und sie kostet mehr als nur Geld.

Was sind das für Leute, die zu Ihnen kommen?

Ich operiere Menschen, die wollen, dass ein Makel im Gesicht beseitigt wird, etwa weil ihre Nase besonders lang, dick oder schief ist. Bei uns gibt es keine Modelle nach dem Vorbild von Kardashian oder ein Stupsnäschen, weil das so gut zu dicken Lippen und aufgespritzten Wangenknochen passt. Allerdings muss ich schon sagen: Es gibt wenig, was so hübsch macht wie eine schöne Nase.

Wann ist eine Nase oder ein Gesicht schön?

Da Vinci und Dürer orientierten sich an den perfekten Proportionen, dem sogenannten Goldenen Schnitt. Das Gesicht wird in Raster unterteilt - von oben nach unten in Drittel, von links nach rechts in Fünftel. So erkennt man, ob eine Nase zu lang oder zu breit ist. Ob der Abstand zwischen Nase und Lippe, zwischen Nasenwurzel und Augen, optimal ist. Im Grunde jedoch ist jeder ist auf seine Art hübsch.

Dann ist die Haltung zur eigenen Nase also mitunter auch eine Frage der Sichtweise?

Durchaus. Vor allem, wenn das Problem das Selfie ist und nicht die Nase. Dann sollten die Leute lieber üben, das Handy so zu nutzen, dass sie auf den Fotos gut aussehen. Die meisten Blogger wissen durchaus, wie das geht.

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