Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.
Liebe Leserin, lieber Leser,
neulich hat meine Dreijährige mir morgens zugeschaut, als ich mich im Bad für die Arbeit fertig machte. Als ich den Concealer unter die Augen tupfte, fragte sie: „Was machst du da?“ Ich antwortete: „Mich schminken.“ Da begann meine Tochter zu strahlen und fragte: „Als Katze?“
Ich musste lachen, wusste dann aber gar nicht so recht, wie ich ihr den Unterschied erklären sollte. „Mama schminkt sich als eine Mama, die gut geschlafen hat“, sagte ich dann und erklärte ihr, dass Erwachsene manchmal Schminke benutzen, um etwas frischer auszusehen. Oder weil es ihnen Spaß macht. So wie es ihr Spaß macht, sich als Katze zu schminken. „Ich will auch“, sagte daraufhin meine Tochter und griff nach meinem Mascara.
Nun ist drei wirklich zu früh, um mit Make-up anzufangen. Der Kompromiss war schließlich, ihr eine saubere Puderbürste zu geben, mit der auch sie über ihr Gesicht streichen konnte – ohne Kosmetikprodukt. Trotzdem hatte ich ein wenig Bauschmerzen damit: Einerseits schminke ich mich ja selbst und lebe meiner Tochter diese Routine vor. Andererseits fragte ich mich, ob die Spielschminkbürste der erste Schritt in eine ungute Richtung ist. Schließlich hatte ich, wenn ich ehrlich bin, nicht mit dem Schminken begonnen, um frischer auszusehen oder weil es mir besonders Spaß gemacht hätte. Ich hatte schlicht schöner und älter aussehen wollen, damals, mit 15.
Mir fiel dann der Text von meiner Kollegin Claudia Fromme über die frühe Schminkbegeisterung von Kindern ein. Sollten Sie ihn noch nicht gelesen haben, empfehle ich es Ihnen. Darin wird klar: das Interesse am Schminken an sich ist erstmal nicht problematisch, die Beweggründe der Kinder sind entscheidend. Ein zweiter Text, den ich die vergangenen Tage nochmal gelesen habe, ist der über Männlichkeit von Mareen Linnartz. Während mir nämlich immer mehr Männer und Jungs mit Nagellack auffallen, bekomme ich gleichzeitig mit, dass alte Rollenklischees auf dem Schulhof fruchtbaren Boden finden. Wer wie ich verstehen will, wie diese Gegensätze zusammenpassen, sollte Mareens Text darüber lesen.
Ein schönes Wochenende wünscht
Marie-Louise Timcke