"Schön doof": Wetter-Apps:Wunderbar ungenau

szw

Die App sagt Sonnenschein, aber es regnet? Unser Autor findet: Diese Wetter-Apps sind ja unfassbar ungenau.

Badewetter oder nicht? Wetter-Apps für das Smartphone sind grundsätzlich praktisch: Sie werden für die Tagesplanung genutzt und liefern ordentlich Gesprächsstoff. Doch man sollte sich von ihnen nicht das Hirn vernebeln lassen.

Von Martin Zips

Ach, du Schande. Die Niederschlagswahrscheinlichkeit liegt in München bei 68 Prozent. Dann wird's wohl wieder nix mit Schwimmen. Oder liegt sie vielleicht nur in Süd-München bei 68 Prozent, in Nord-München aber bei unter 50? Diese Wetter-Apps sind ja unfassbar ungenau.

Was? Auf Ihrem Smartphone liegt die Regenwahrscheinlichkeit bei 40 Prozent? Welche App benutzen Sie denn? Seien wir mal ehrlich: Die vom iPhone ist richtig Mist. Aber die hier soll ganz gut sein. Obwohl: Knapp drei Euro für eine App, die man woanders gratis kriegt? Benötigt man eigentlich noch einen Regenradar fürs Smartphone? Kennen Sie sich damit aus?

Früher waren Kachelmann und Dr. Uwe Wesp schuld

Regnete es einem früher mal aufs Handtuch, so war die Sache klar: Der Kachelmann war schuld. Oder Dr. Uwe Wesp. Ein Fernsehmeteorologe, der Fliege trägt, das kann nur ein Versager sein. Doch wer ist heute schuld am schlechten Wetter? Der Deutsche Wetterdienst? Die falsche App? Womöglich gar wir selbst? "Es gießt wie aus Kübeln", singen die Sportfreunde Stiller, "da sollte man nicht zu viel grübeln."

Aber guck mal, in Kreta haben sie morgen 30 Grad. Wollen wir nicht nach Kreta fliegen? Oder gleich nach Rio? Da ist auch die Luftfeuchtigkeit die kommenden Tage ganz angenehm. Sagt zumindest diese App. Und Wahnsinn: Fast 50 Grad in Katar! Wie will man denn da eine Fußballweltmeisterschaft austragen? Like ice in the sunshine.

Das Reden übers Wetter - bestimmt haben wir das von den Bauern. Die Bauern haben das Wetter nämlich schon vor 5000 Jahren dazu benutzt, möglichst hohe Subventionen aus Brüssel zu kriegen. Sie haben gesagt: "Diese Dürre ist für uns existenzbedrohend." Und wenn's feucht war, so haben sie gesagt: "Diese Regentropfen, die uns da aus 100 Kilometern Höhe ständig aufs Feld donnern, die vernichten uns die ganze Ernte. Entweder gebt ihr uns Geld oder wir wählen wieder CSU." So war das schon immer.

Welche Wetter-App heutige Bauern wohl benutzen? Sicher eine andere als all die jungen, erfolgreichen Büro-Menschen, die das Wetter persönlich genauso wenig kennen wie das Kalb, das sie in der Kantine essen. Weil sie ja immer nur drinnen sind. Aber demnächst ist Stadtmarathon in New York. Da muss man schon wissen, ob es gerade am Hudson schifft.

Theorie vor Praxis

Gerade weil der moderne Mensch sein Leben vor allem in klimatisierten Büros, auf Flughäfen oder im Stau verbringt, findet er Wetter-Apps so unfassbar interessant. Die Theorie liegt ihm ohnehin viel näher als die Praxis. Deshalb verbringt er sein Leben auch so gerne an Konferenztischen, auf denen er sein Smartphone wie einen Glücks-Kompass nervös hin und her schiebt. Gardasee. 29 Grad. Hier kommt die Sonne./Sie ist der hellste Stern von allen./Und wird nie vom Himmel fallen./Zwo, drei, vier.

Vor einiger Zeit ist ein vertraulicher Bericht an die Presse gelangt. Da konnte man dann nachlesen, um was es in den privaten Gesprächen so ging, die das Bundeskriminalamt ständig angezapft hat. Und klar: Es ging ums Wetter. Und um Liebe. Wetter und Liebe, das ist es eigentlich, was uns Menschen auf unserem Flug durch die Atmosphäre so antreibt. "Wenn die Leute mit mir über das Wetter reden, bin ich mir stets sicher, dass sie was ganz Anderes meinen", schrieb einmal Oscar Wilde.

Und stimmt: Eigentlich geht es um ganz was Anderes. Es geht um: die Zeichen der Zeit. "Über das Aussehen des Himmels könnt ihr urteilen", heißt es im Matthäusevangelium über alle Wetterbeobachter. "Könnt ihr dann nicht auch über die Zeichen der Zeit urteilen?" Nö. Natürlich nicht. Das ist nämlich 'ne ganz, ganz andere Baustelle.

Also kurz noch was dazu.

Statt immer nur auf die Wetter-App zu starren, könnte man nämlich zum Beispiel auch einfach mal die Kondensstreifen am Himmel betrachten. Hektisch gezogen von den Billigfliegern zwischen Phuket und Ibiza. Man könnte den Schwalben vom Liegestuhl aus zusehen, weil deren Flughöhe ja auch was übers Wetter sagt. Oder die Blätter der Wetterdistel analysieren. Während einer ausgedehnten Wanderung.

Im so neu erlernten, aufrechten, smartphonelosen Gang könnte es einem sogar gelingen, wieder im Hier und Jetzt zu leben. So wie es Aristoteles, Albertus Magnus und anderen Wetterbeobachtern einst auch einmal gelang.

Konzentriert euch auf alles Andere

Also: Setzt Frösche auf die Leiter oder wühlt im Kaffeesatz. Egal. Aber denkt dran: Euer Leben ist der eigentliche Sunshine Reggae und "Kalte Sophie" kein Mixgetränk. Überlasst die 24-Stunden-Wettervorhersage ruhig den Segelfluglehrern, Schiffskapitänen und Sven Plögers und konzentriert euch auf alles Andere.

Sicher ist am Ende nämlich nur Eines: Heut Nacht wird es wieder dunkel. Sehr dunkel. Finster sogar. Aber das weiß man natürlich auch ganz ohne App.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: