"Schön doof": Medikamente gegen Erkältung:Es lebe der Schnupfen!

Mann mit Schnupfen

So ein Schnupfen dauert sieben Tage oder eine Woche, je nachdem, ob man Medikamente nimmt oder nicht.

(Foto: iStock)

Es ist wieder Erkältungszeit - Zeit für Medikamente, die sich als völlig sinnlos erweisen. Dafür haben wir endlich Zeit für die wichtigen Dinge. Und alle anderen Beschwerden.

Von Evelyn Roll

So eine Erkältung dauert sieben Tage; wenn man gute Medikamente einwirft, nur eine Woche. Das ist nicht neu, also weiter: Die meisten Menschen bekommen zweimal im Jahr eine Erkältung, Kinder eher häufiger. Wer 80 wird, ist am Ende also insgesamt drei Jahre seines Lebens erkältet gewesen. Drei Jahre!

Die psychologisch, soziohygienisch und pharmaumsatztechnisch interessanten Aspekte dieser drei Jahre lassen sich in drei Phasen pro Erkältung einteilen. Phase eins, auch Inkubation genannt: Alle im Büro und in der U-Bahn schniefen und krächzen. Jetzt ist es enorm wichtig, sich viel Bewegung an der frischen Luft zu verschaffen, regelmäßig in die Sauna zu gehen, guten Sex zu haben und: dreißig Mal am Tag die Hände waschen! Wenn man Journalist ist, könnte man auch wieder mal darüber schreiben, wie dringend man den Menschen das Händeschütteln abgewöhnen sollte. Medikamente der Phase eins sind: Orthomol Immun und Sterillium Virogard.

In Phase zwei, die immer trotzdem kommt, geht es darum, möglichst viele Mitmenschen anzustecken. Zum Wegdrücken und Tarnen der Symptome nimmt man tagsüber Grippostad und Nachts Medinait, vielleicht dazu noch etwas Dorithizin und Ipalat. Macht die Bundeskanzlerin auch so.

Einen Kieselstein zu lutschen würde aussreichen

Phase drei, die Kapitulation, beginnt zunächst weiter selbstmedikamentiert mit ACC 100, Mucosolvan, Nasivin, einer Panikpackung Tempotücher, einem Fläschchen JPH, rotem Tiger Balm und losem Kamillentee. Wenn leichtes Fieber, Brüllhusten und die Hypochonder-Panik dazu kommt, ob das jetzt nicht doch eine Lungenentzündung wird, ist Hausarztalarm. Auch der muss schließlich Geld verdienen und sagt: "Ruhe geben. Viel trinken. Das ist nichts ist Bakterielles, wir brauchen kein Antibiotikum." Wenn er die Enttäuschung sieht, verschreibt er vielleicht noch Diclofenac, dazu Pantoprazol, damit der Magen das Diclofenac besser verträgt. Die Teufelsaustreiberei nach dem Abklingen der schlimmsten Symptome gelingt zuverlässig mit Gelo-Myrthol, das liegt meistens noch vom letzten Jahr in der Medizinschublade.

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llustration: Bene Rohlmann

Die Pharmaindustrie lebt von diesen drei Jahren. Und es wird am Ende auch für uns nicht die schlechteste Zeit des Lebens gewesen sein. Zweimal im Jahr für eine Woche ganz aussteigen, alles absagen, innehalten, Bücher lesen, Serien gucken, einen wichtigen Wirtschaftszweig unterstützen, sich durch die Medizinseiten des Netzes klicken und wieder lernen, dass alle Medikamente nichts helfen, von kleinen Placebo-Effekten abgesehen: Ruhe geben, sehr viel trinken und gegen das Halsweh einen kleinen Kieselstein lutschen, würde vollkommen reichen. Und etwas Kopfrechnen vielleicht noch. Geld ist ja nie weg. Immer nur woanders. Wenn man also 80 Jahre lang das Geld für Erkältungsmedikamente gespart und gut angelegt hätte, vielleicht in Aktien der Firmen Merck, Procter&Gamble, Novartis oder Stada . . .

Oh, mein Gott, man wäre reich am Ende, - immer noch drei Jahre lang erkältet, aber reich. Gute Besserung.

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