Süddeutsche Zeitung

Schön doof:Auto-Amateure

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Wackeldackel auf der Hutablage? Gibt's nicht mehr oft. Moderne Sonntagsfahrer erkennt Max Scharnigg aber trotzdem zuverlässig.

Als die Welt noch friedlicher war, hatten die Menschen Zeit, sich über harmlose Dinge aufzuregen. Über Sonntagsfahrer zum Beispiel. Man erkannte sie lange daran, dass sie ein Auto mit Hutablage fuhren und diese Hutablage auch tatsächlich ihrer Bestimmung zuführten. Oder aber an einem nicht ironischen Wackeldackel und einem gehäkelten Klopapierrollen-Tarnding, das sie nach der Kirche in Richtung Ausflugslokal kutschierten. Samt Ehepartner und mit straffen 62 km/h außerhalb von geschlossenen Ortschaften.

Dieser Typus des gemütlich-vertrottelten Automobilisten ist heute nicht ausgestorben, aber man erkennt ihn nicht mehr an Hut und Dackel. Eine Zeit lang stellten die alten Kennzeichen eine ganz gute Ersatzwarnung dar: Wer noch kein EU-Kennzeichen an seiner Schüssel hat, folglich seit mindestens 1994 mit der gleichen Zulassung unterwegs ist, könnte nicht mehr ganz auf der Höhe seines Fahrkönnens sein. Oder eben sehr selten fahren. Beides waren gute Gründe für ein bisschen Extra-Abstand. In den letzten Jahren verbreitet sich aber in der Stadt ein neuer Typus Sonntagsfahrer auf den Straßen, zum Glück gekennzeichnet.

Es sind die Carsharing-Kunden. Sicher, Carsharing ist eine tolle Sache, überaus vernünftig und praktisch. Nur bedeutet es auch, dass eine ganze Reihe eher ungeübter Verkehrsteilnehmer in nagelneuen Fahrzeugen unterwegs ist. Die sie nicht kennen und die ihnen nicht gehören. Vertrautheit mit der Maschine, mit den ganzen Schaltern in der Mitte und dem sechsten Gang fällt also ebenso weg wie eine gewisse Sorgfaltspflicht. Das alles mündet oft in einem Fahrverhalten, das wenig mit dem fließendem Verkehr zu tun hat.

Es wimmelt also von übermotorisierten Schnupperpraktikanten auf der Straße. Einmal im Quartal navigieren sie mühsam quer durch die Innenstadt, lassen an jeder Kreuzung ängstlich ausrollen, erschrecken an jeder Ampel neu über die Start-Stopp-Automatik und sind von der Existenz von Fahrradfahrern genauso überrascht wie von der beschränkten Rundumsicht moderner Autos. Es wird abgewürgt, gezuckelt und vollgebremst, als hätten 400 neue Fahrschulen aufgemacht. Und am Ende wird mit der Nase voraus in eine zu enge Parklücke gesteuert, um Stunden später den armen 1er-BMW irgendwie zwischen Gehweg und Litfaßsäule zu verkeilen. Ist ja nicht meiner.

Wie gesagt, gut, dass Carsharer meist am Design zu erkennen sind. Schade, dass sie nicht nur am Sonntag unterwegs sind.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2016
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