Süddeutsche Zeitung

Schmachtwort der Woche von Dustin Hoffman:"Ehe funktioniert nur, wenn er eine Heidenangst vor ihr hat"

Dustin Hoffman ist der Meinung, die Furcht vor dem Weibe sei eine hervorragende Basis für die Beziehung zwischen Mann und Frau. Wenn das stimmt, dann ahnen wir zumindest, was Rainer Brüderle dazu getrieben haben könnte, eine junge Frau mit einer Altherrenhumor-Attacke zu bestürmen.

von Violetta Simon

Die Silberne Hochzeit liegt schon etwas zurück, bis zur Goldenen ist es nicht mehr lang hin, und immer noch sitzen sie, weißhaarig und händchenhaltend, auf der Parkbank - wie machen die das nur, fragt man sich bei manchen Paaren, die auch nach Jahrzehnten noch verliebt wie am ersten Tag scheinen. Was braucht es, um eine glückliche Ehe zu führen, bis dass der Tod sie scheidet?

Liebe, Vertrauen, Respekt - schön und gut. Erotische Anziehung, gleicher Musikgeschmack, getrennte Schlafzimmer - schadet wohl alles nicht. Lebenslange Treue - jetzt wollen wir mal nicht übertreiben. Wenn man Dustin Hoffman glauben darf, braucht es aber noch etwas ganz anderes. Ein Freund habe ihm erklärt, "dass eine Ehe nur funktioniert, wenn der Mann eine Heidenangst vor seiner Frau hat", sagte der Schauspieler im Gespräch mit der Bunten. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Wahrheit so einfach sei.

Ist die Ehefrau von heute also das, was in grauer Vorzeit der Säbelzahntiger für den Höhlenmenschen war? Wenn man der Männerwelt den Puls fühlt, hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass die Herren sich beim Anblick ihrer Gattin vor Angst in die Boxershorts machen. Zumal das Nudelholz in den meisten Haushalten gar nicht mehr zum Inventar gehört. Da gibt es heutzutage ganz andere Bedrohungen, die ihnen den Schweiß auf die Stirn treten lassen, wie zum Beispiel: spontane Aufforderungen zum Tanzen in der Öffentlichkeit, Durchhänger im Bett, zu enge Krawattenknoten und vegetarische Menükarten. Oder unvorhersehbare Konfrontationen mit Reporterinnen an einer Hotelbar.

Und doch, so belegen Umfragen, fürchten sich 88 Prozent der Männer vor Frauen - und nicht nur vor ihrer eigenen. Sie fürchten sich vor klugen und erfolgreichen Frauen, vor kreischenden, wütenden Frauen und vor Frauen, die gerade eine Diät machen - oder ihre fruchtbaren Tage haben. Der Sozialpsychologe Rolf Pohl erklärt die Ursache in einem Interview so: "Unser vorherrschendes Männlichkeitskonzept lautet: Sei autonom, hab alles unter Kontrolle." Im Alltag habe der Mann aber, besonders in der Sexualität, weder seine Sexualfunktionen noch die Frau unter Kontrolle. "Diese Diskrepanz macht den Männern Angst."

Keine Kontrolle, nirgends. Nicht über das andere Geschlecht. Und über das eigene schon gleich gar nicht. Ist es ein Wunder, dass Männer sich in nadelgestreifte Rüstungen werfen und sich gegen die Weiblichkeit zusammenrotten? Dass ältere Herren den brünstigen Don Juan geben und sich jungen Frauen aufdrängen, weil sie deren brüskiertes Zurückweichen als Unterwerfung missdeuten? Und da haben Frauen die Stirn und fordern eine Quote! So fühlen sich die Jungs in den Vorstandsetagen doch gleich noch mehr eingeschüchtert!

Wie um alles in der Welt kommt also gerade ein Mann auf die Idee, zu behaupten, die Angst vor dem Weibe sei die Basis für eine gute Beziehung? Das wäre ja, als würde man sich in der Höhle des Löwen verstecken, um zu verhindern, dass er einen frisst. Dem ängstlichen Mann kann die Ehe bestenfalls als abhärtendes Trainingscamp für den erbarmungslosen Berufsalltag dienen.

Die erste Lektion würde in dem Fall lauten: Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, umarme ihn. Vermutlich war es genau das, was Rainer Brüderle damals an der Hotelbar dazu getrieben hat, die Journalistin mit seinem Altherrenhumor zu molestieren: Er hatte so eine Heidenangst vor ihr.

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