Der Schlaf hat neue Brüder bekommen: Sie heißen "Power Nap", "Uberman" und "Everyman". Sie gehören zu den "Schlafmustern" und machen Schluss mit dem allabendlichen Getue um Pyjamaanziehen, Kissenzurechtrücken, Nachtgebet und was es sonst noch für Rituale gibt. Sie hassen die stundenlange Willenlosigkeit in den Federn und beharren auf einer neuen Art des Schlummerns: ohne Umschweife, effektiv und vor allem kurz.
In Manhattan eröffnete vor kurzem ein öffentliches Schlafzentrum. Den gesamten Tag über können müde New Yorker in den Kabinen des "YeloNap"-Centers ein Nickerchen halten - auch sonntags. Doch mit müßigem Wochenendschlummer zwischen Matinee und Nachmittagstee hat dies wenig zu tun. Nach maximal 40 Minuten wird der Gast aus den Schlafkabinen geworfen. In der Stadt, die niemals schläft, erklärt das Schlafzentrum den "Power Nap" zu seiner Ideologie. Dies ist ein Turbo-Nickerchen von 20 bis 40 Minuten Länge, das für mehr Erquickung sorge als ein ausgedehnter Mittagsschlaf, so das Unternehmen. Und der New Yorker hält sich dran, er verlässt die Schlafkabine wie der Springteufel die Kiste.
Denn "Power Nap" ist in Mode. Und wie jede Mode hat auch sie ihre Extremform. So gibt es Menschen, die nur noch "Power Naps" machen: Alle vier Stunden ein 20-minütiges Nickerchen muss reichen. Macht total: zwei Stunden Schlaf und 22 Stunden zur freien Verfügung. Das Ganze nennt sich "Uberman"-Schlafmuster und gehört zu den Mehrphasen-Schlafmustern, die jede Menge Anhänger aber kaum ein wissenschaftliches Fundament haben.
Der "Uberman" tauchte Anfang des Jahrtausends im Internet auf, als eine Amerikanerin unter dem Pseudonym PureDoxyK berichtete, sie habe als Collegestudentin monatelang dieses Schlafmuster praktiziert. Das übermenschliche Muster habe allerdings zwei Voraussetzungen: Unbedingte Disziplin beim Einhalten der Nickerchen und Stehvermögen in der rund zehntägigen Übergangsphase. In der, so PureDoxyK, fühlt man sich, als ob einen permanent ein Bus überfahre. Danach aber war die Studentin auf jeder Party.
Die ökonomische Komponente erkannte Ende 2005 der Geschäftsmann Steve Pavlina. Der Mann aus Las Vegas nahm sich eine reichliche Woche frei, hielt sich die ersten Nächte in den Casinos wach und befand nach elf Tagen "Uberman": "äußerst praktisch" das Ganze. Schlaf sei nun für ihn nichts anderes als ein Gang zur Toilette. Zeit strecke sich im Überfluss vor ihm aus, ohne die lästige Begrenzung von heute und morgen. Pavlina setzte diese Zeit gewinnbringend ein. Sein Blog über das "Uberman"-Experiment und andere Lehren zum "Wachstum der Persönlichkeit" brachte ihm täglich 1000 Dollar ein.
Steve Pavlina wurde zum Star der Mehrphasen-Schläfer. Mindestens 2000 Menschen liebäugeln mit dem "Uberman" oder einem ähnlichen Schlafmuster, etliche von ihnen versuchen in diesen Tagen, ihre Schlafgewohnheiten umzustellen. Man weiß von ihnen, denn sie nutzen einen beträchtlichen Teil ihrer freien Zeit, um sich in Internetforen über ihre Müdigkeit und gelegentlichen Hochstimmungen auszutauschen. Um Zahlen geht es ihnen dabei hauptsächlich: Daten, Uhrzeiten, Phasenlängen - zehn Minuten mehr oder weniger Schlaf sind für alle ein großes Thema.
Und auch PureDoxyK wollte es im Zuge von Pavlinas Erfolg noch einmal schaffen und dokumentierte ihr Experiment im Internet. Als mittlerweile berufstätige Mutter versuchte sie, quasi im Galopp, das Schlafmuster zu wechseln. Familie, Job, Fortbildung, Haus, Garten, Auto, wiederkehrende Kopfschmerzen - alles presste sie von einem Tag auf den anderen in den "Uberman".
Doch ihr Plan, statt zu schlafen, endlich die Garage aufzuräumen, schlug schon in Nacht Nummer zwei fehl, misslang erneut in Nacht acht und führte zu endgültiger Kapitulation in Nacht zehn. PureDoxyK erfand noch in dieser Nacht den "Everyman" - ein Schlafmuster, das drei bis vier Stunden Nachtschlaf plus kurze Nickerchen im Vier-Stunden-Rhythmus vorsieht. Das Muster hat sich mittlerweile zur großen Herausforderung der nicht ganz so extremen Mehrphasen-Schläfer entwickelt.
Pavlina übrigens gab sein Experiment nach fünfeinhalb Monaten auf und konvertierte vom "Uberman" zum "Frühaufsteher". Obwohl beileibe nicht neu - ist auch der "Frühaufsteher" ein Muster, das in der Netzgemeinde der Wenig-Schläfer reges Interesse findet. Für das Ende des "Uberman"-Experiments hat Pavlina eine einfache Begründung: Weil der Rest der Welt nun einmal am Nachtschlaf hängt, empfand er in seinen einsamen Stunden nach Mitternacht schon bald grässliche Langeweile. Doch der Texaner hat einen Traum: Er möchte künftig je nach Terminlage zwischen Normalschlaf und "Uberman" wechseln können.