Schlaf-Irrtümer:Lieber ein Idiot als übermüdet

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Wer wenig schläft, ist intelligent, heißt es. Dabei ist ausreichende Nachtruhe viel besser als ihr Ruf. Längst ist belegt: Zu wenig Schlaf macht alt und ruiniert die Gesundheit.

Werner Bartens

Wenn Napoleon recht hatte, sind die meisten Menschen Idioten: "Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau, sechs ein Idiot", soll er gesagt haben. Von sich behauptete der Kaiser, kaum Schlaf zu brauchen. Doch seinen Mittagsschlaf hielt der Eroberer heimlich oder er war tagsüber so übermüdet, dass er im Sattel einschlief. Der Franzosenherrscher hat etliche Nachahmer gefunden. Menschen entziehen sich freiwillig dem Schlaf, durch Schichtarbeit und Jetlag sabotieren sie physiologische Rhythmen. Eine ganze Gesellschaft ist überarbeitet und übermüdet.

Wer weniger schläft, wird dick und dumm: Das glauben Forscher schon länger. Offenbar kommt es aber auch darauf an, wann man ins Bett geht. (Foto: ddp)

Dabei ist längst belegt, wie erholsam Schlaf ist. "Zu wenig Schlaf macht alt und ruiniert die Gesundheit", sagt der Schlafforscher Jürgen Zulley. Schlafmangel schwächt Immunabwehr, Wundheilung und macht anfällig für verstopfte Gefäße und gestörte Verdauung. Die Wahrscheinlichkeit für eine Erkältung verdreifacht sich, wenn Probanden zu wenig schlafen. Schlaf stärkt das Gedächtnis: Inhalte, die man am Tag aufgenommen hat, werden durchgearbeitet. "Schlafmangel macht müde und dumm", sagt Zulley. Während belegt ist, dass zu wenig Schlaf dick machen kann, spricht wenig dafür, dass sich Fettleibige mit ausreichend Schlaf eine Diät sparen können.

Wie man schlafen soll, allein oder zu zweit? Frauen erholen sich besser, wenn sie getrennt schlafen, Männer schlafen hingegen tiefer, wenn sie Gesellschaft haben. Die Erholung versauen kann auch zwanghaft geplanter Schlaf. Jede Abweichung von der Norm gilt mittlerweile als krankhaft. Der Norm nach gehen Menschen in Mitteleuropa um 23.04 Uhr ins Bett und wachen sieben Stunden 14 Minuten später auf. Wer diesem Schlafideal stetig nacheifert, hat Chancen, erst recht schlecht zu schlafen.

Der Schlaf vor Mitternacht gilt als besonders kostbar. Dabei gilt das nur eingeschränkt. Wer um 22 Uhr ins Bett geht, erlebt die Phase des erholsamsten Schlafes tatsächlich vor Mitternacht; ein abweichender Rhythmus führt zum bleiernen Gefühl am Morgen. Wer allerdings gewöhnt ist, um ein Uhr ins Bett zu gehen, hat seine tiefste Schlafphase zwischen ein und drei Uhr nachts. Und die ist genauso gesund wie die vor Mitternacht, wenn dies der regelmäßige Schlafrhythmus ist. Ungesund sind häufige Wechsel, etwa bei Schichtarbeitern.

Zu langer Schlaf kann der Gesundheit allerdings auch schaden. Die Anfälligkeit für Krankheiten ist bei mehr als acht Stunden Schlaf täglich erhöht. "Mit dem Schlaf ist es wie mit der Ernährung: auch hier ist weniger mehr", sagt Daniel Kripke von der University of California in San Diego. Befragungen von Millionen Testpersonen zeigen, dass ausdauernde Langschläfer sich wenig Gutes tun. Das Gefühl von Abgeschlagenheit, das Langschläfer kennen, mindert die allgemeine Widerstandsfähigkeit gegen Stress und Krankheiten.

Wer lange in den Kissen bleibt, ist nicht nur nicht gesünder - es gibt auch keinen Beleg dafür, dass Langschläfer bessere Laune oder mehr Lebensfreude haben als jene, die sich früh raus den Federn quälen. Zudem leiden Langschläfer häufiger unter Stimmungsschwankungen.

© SZ vom 16.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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