Schauspielerin Eva Green:Zu schüchtern für das echte Leben

Schauspielerin Eva Green: Alle Kameras sind auf eine Frau gerichtet: Eva Green hat ein Faible für düstere Genres und Extreme, für brutale, manische, mindestens mysteriöse Frauen.

Alle Kameras sind auf eine Frau gerichtet: Eva Green hat ein Faible für düstere Genres und Extreme, für brutale, manische, mindestens mysteriöse Frauen.

(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Die Schauspielerin Eva Green gilt als Femme fatale. Tatsächlich trat sie vor die Kamera, um ihre Ängste zu überwinden.

Porträt von Marten Rolff

Wer etwas über die Schauspielerin Eva Green lernen möchte, sollte sie einmal kurz in Beziehung setzen zu ihrer unmittelbaren Umgebung. Und Zeuge werden, welche Welten sich dazwischen auftun.

Der Ort: ein Korridor eines Luxushotels in London Mayfair. Der Anlass: Interview-Marathon für den neuen Film. Der Flur ist erfüllt vom soldatischen Hämmern der Absatzschuhe. Assistentinnen delegieren Reporter und Kamerateams. Wer ist wann dran, wer wartet wo? PR-Alltag.

Journalisten-Wünsche werden an solchen Tagen stets maximal säuselnd quittiert, trotzdem klingt hier jedes "Ich sehe, was ich für Sie tun kann" stets wie "Vergiss es!". Alles ganz normal. Bis man in eine Suite geschoben wird und vor einer gequält lächelnden Eva Green steht. "Grausam, oder?", sagt sie verständnisvoll. "Solche Interviews können enorm frustrierend sein."

Ein Star, der sich vorab für ein Gespräch entschuldigt - natürlich muss das nichts bedeuten. Höfliches Eröffnungsgeplänkel, ein wenig kokett womöglich. Hier jedoch ist man damit direkt beim Thema: Denn viele werden Eva Green vor allem als 007-Trauma aus "Casino Royale" kennen, und nicht wenige halten sie dazu für Hollywoods Erotikjoker fürs Fach der Femme fatale.

Doch Green selbst hält sich für das Gegenteil davon, für eine notorische Außenseiterin der Filmwelt. Und sie erklärt das später ungefähr so: Sie sei auch Schauspielerin geworden, weil sie oft nicht wusste, wie sie der Realität entgegentreten sollte. Nun erweise sich leider vieles, was die Schauspielerei mit sich bringt, als beängstigend real. Es klingt nicht wie eine Klage. Eher wie eine Feststellung.

Sie hat eine Händedruck, der an gekühlte Aubergine erinnert

Auch äußerlich wirkt Green anders, als ihre Rollen suggerieren. Sie hat ein Faible für düstere Genres und Extreme, für brutale, manische, mindestens mysteriöse Frauen. Ob als Schwert schwingende Kreuzfahrerkönigin bei Ridley Scott, als Hexe in "Camelot" oder als Lehrerin, die ihre Schülerin missbraucht, in "Cracks".

Im neuen Tim-Burton-Film, einem liebevoll die Exzentrik feiernden Märchen, spielt sie die resolute Leiterin eines Heims für Kinder mit besonderen Begabungen. Ihre Schützlinge muss sie mit der Armbrust vor augapfelfressenden Monstern verteidigen.

Wer solche Bilder im Kopf hat, ist eher auf raumgreifende Ein-Meter-Achtzig gefasst. Und nun steht da eine zierliche Frau in hochgeschlossener, schwarzer Spitze, mit einem Händedruck, der an gekühlte Aubergine erinnert. In der Linken hält sie die Schuhe, weil ihre Füße schmerzen.

Sie kann sich auch in kurze Antworten so vertiefen, dass es wirkt, als spiele sie

Im Gespräch hat Greens Aufmerksamkeit etwas Somnambules. Weil sie sich auch in kurze Antworten so vertiefen kann, dass es wirkt, als spiele sie. Erzählt sie etwa von den Dreharbeiten mit Tim Burton, dann klingt ihre Stimme sanft verschwörerisch. "Die Insel der besonderen Kinder" war der zweite Film mit ihm, sie liebt es, "dass man sich am Set selbst fühlen darf wie ein Kind".

Burton arbeitet oft mit denselben Leuten. "Es ist ein Familiending, man ist geschützt wie in einer Blase", sagt Green. Es gebe viel Spielraum für eigene Ideen und vor allem: "kein richtig oder falsch". Ganz im Gegensatz zur Arbeit mit vielen anderen Regisseuren, die - nun rollt ihr Ton dunkel metallisch, so als spreche da Darth Vader - "einem nur sagen: Mach dies! Lass das! Geh dorthin!"

Zu gehemmt, um Lehrern zu antworten, trotz sehr guter Leistungen

Eva Green und Marlène Jobert.

Eva Green (links) im Jahr 2006 mit ihrer Mutter Marlène Jobert, die ihre Tochter bis heute berät.

(Foto: Getty Images)

Dass Hollywood brutal ist, mag eine Binse sein, doch bei Green klingt es nach Martyrium. Sie war anfangs irritiert, wie wenig ihre Meinung zählte. Dass es oft nur darum geht, welche Frau neben dem Helden toll aussieht. Dass man nur ein Studio betreten muss, "um sich wie Dreck zu fühlen".

Viele Leute würden ihr raten, öfter nach LA zu fliegen, auf Partys zu gehen, sich ins Gespräch zu bringen. Da sei es natürlich ein Problem, wenn man sich vor Kalifornien fürchtet und gern allein auf dem Sofa sitzt. Die Leute würden sie "seltsam" nennen, weil sie so wenig rede. "Ich kann mich einfach extrem schlecht verkaufen."

Es klingt paradox, aber Eva Green macht Filme, weil sie schüchtern ist - "dramatisch schüchtern als Kind." Zu gehemmt, um Lehrern zu antworten, trotz sehr guter Leistungen. "Ein Nerd", sagt sie. Eine Katastrophe mit Jungs. Und das in Paris. Als Tochter von Marlène Jobert, einer Ikone des französischen Kinos der Sechziger und Siebzigerjahre, die mit Chabrol, Jean-Luc Godard oder Louis Malle arbeitete.

Die Mutter schleppte die Tochter zu Therapeuten, was schwierig wird, wenn das Kind sogar zu ängstlich ist, um mit Ärzten zu reden. Irgendwann entdeckte Green, dass die Schauspielerei die Chance für sie sein könnte, sich auszudrücken. Und als die damals etwa 20-Jährige zum ersten Mal offiziell eine Theaterbühne betrat, lag ihr plötzlich halb Paris zu Füßen.

Doch die Leute sehen nur, was sie sehen wollen. Die Schönheit, den Erfolg. Auf der Schauspielschule hätten manche getuschelt: "Klar kriegt die einen Agenten. Als Tochter der Jobert." Sie sahen nicht das Mädchen, das Panik hatte, mit der Mutter verglichen zu werden. "Ich hatte Textausfälle auf der Bühne", sagt Green. Es wurde wohl nicht groß bemerkt, ihr Partner half ihr. Ja, und das Problem daran? "Die höllische Angst, dass es wieder passiert."

Die berühmte Mutter hielt die Tochter für zu sensibel für die Schauspielerei

Sie sei ein Kontrollfreak. Und sie neigt dazu, Kritik an ihr für gerechtfertigt zu halten. Leider seien die Menschen leichtfertig damit: "Die rufen: Das und das fand ich blöd! Dann stehst du da und denkst: Danke, und wie soll ich das jetzt morgen Abend wieder spielen?" Oder die nächsten 27 Male, ohne ohnmächtig zu werden?

Auch das sei ein Grund gewesen, dass sie seit dem Wechsel zum Film kein Theater mehr gemacht habe. Green sagt, sie liebe die Bühne, die Rollen, die es dort gibt. Aber im Film seien Szenen wiederholbar.

Greens Mutter, die mit der Geburt ihrer Töchter der Kamera den Rücken kehrte und heute Kinderbücher schreibt, war ursprünglich gegen die Schauspielerei. Sie hielt ihre Tochter für zu sensibel. Doch als sie merkte, dass es Eva Green ernst war, fing sie an, sie zu unterstützen, sie berät sie bis heute.

Die Schauspielerei als Beweis dafür, überhaupt zu existieren

Marlène Jobert soll ziemlich verblüfft gewesen sein, welche Extreme sich vor einer Kamera in ihrem neurotisch stillen Kind Bahn brachen. Das Kind liebte Jack Nicholsons Irrsinn in "Shining". Es bewunderte Isabelle Adjani, für die Radikalität, mit der sie ihre Rollen durchzog. ",Da sind zwei Personen in dir', sagte meine Mutter. Ein merkwürdiger Gegensatz. Ich verstehe mich ja selbst nicht", sagt Green.

Die Schauspielerei als Beweis dafür, überhaupt zu existieren. Gleich im ersten Film vor zwölf Jahren war es so. Bernardo Bertolucci, "Die Träumer", er hatte Green im Theater gesehen. Eine Coming of Age-Geschichte vor dem Hintergrund der Studenten-Revolte von 1968. Ein Pariser Geschwisterpaar und ein junger Amerikaner entdecken die Erotik und sich selbst.

Es scheinen oft Männer zu sein, von denen sie sich missverstanden fühlt

James Bond 007 - Casino Royale

Daniel Craig als Killermaschine 007 (rechts), verletzlich durch eine Frau (Eva Green als Vesper Lynd) - das hat den Film erst berühmt gemacht.

(Foto: Jay Maidment)

Es geht um Freiheit und Konventionsbruch, doch das Bemerkenswerte an dem Film ist nicht seine etwas hölzerne intellektuelle Verschraubtheit, sondern die traumwandlerische Sicherheit, mit der da drei Schauspielnovizen ein Lebensgefühl transportieren. Man sieht Greens Scham, einen halberigierten Penis, es gibt eine blutige Entjungferungsszene auf dem Küchenfußboden. Ein Skandal selbstverständlich.

Ihre Eltern waren schockiert; auch weil sie wussten, dass Maria Schneider ihr Leben lang unter den Sexszenen mit Marlon Brando in Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris" gelitten hatte. Eva Green indes war eher schockiert von den heftigen Reaktionen. Sie war auf einen Schlag berühmt, aber sie fühlte sich auch missverstanden.

Es scheinen oft Männer zu sein, von denen Green sich missverstanden fühlt. In Beschreibungen rühmen sie ihre fast schon verstörende Schönheit, ihre Unnahbarkeit. "Augen wie 300 Meter tiefe Bergseen", "mysteriöse Aura", das sind so die Raster. Was auch daran liegen mag, dass Green diese Augen effektvoll betont: mit viel Kajal und Lidschatten, Wimpern wie schwarze Markisen und einem Teint wie Alabaster. Der Guardian hat mal geschrieben, für diese Blässe trage sie Lichtschutzfaktor 50 unter ihrem Make-up.

Oberflächlich betrachtet mag das alles wirken, als sei Green gerade unterwegs zu einer exklusiven Gothic-Party, um dort reihenweise Kerle abblitzen zu lassen. Doch dass Make-up "ja nur Make-up ist", wie sie oft betont, ein sehr persönlicher Versuch, etwas Drama ins Private zu retten, das wollen nur wenige wissen. Green färbt sich die Haare schwarz, seit sie 15 ist; sagt, dass sie Eskapismus und starke Farben liebe. "Rot wäre auch gut." Stimmt es, dass sie eigentlich blond ist? Ja, aber eben nicht marilynblond, sondern "mausfarben".

Sie hat keine Probleme, mit Erotik zu spielen. Es müsse nur passen. Sie kann nicht verstehen, dass die Leute kaum unterscheiden zwischen Leinwand-Sex, der - wie bei Bertolucci - eine Geschichte transportiert, und Sex als Selbstzweck. Lars von Trier, den sie verehrt hat, wollte Green für die Hauptrolle in "Der Antichrist". Im Gespräch muss der dänische Regisseur ihr dann vorgekommen sein wie eine Mischung aus Ballettmeister und Gynäkologe. Tenor: Für diese Szene ist die vierte Position vorgesehen, dabei dann untenrum freimachen, bitte, und den Kopf zurückwerfen. Green sagte jedenfalls ab.

Als Bondgirl Vesper Lynd hatte sie etwas viel Gefährlicheres einzubringen als Sex

Bei "Casino Royale" war es ähnlich. Eva Green hat am Drehbuch gefallen, "dass es auch eine Liebesgeschichte erzählte". Dann stand eine Nacktszene unter der Dusche auf dem Plan. Sie lehnte ab, Daniel Craig bestärkte sie darin. Schließlich hatte sie als Bondgirl Vesper Lynd etwas viel Gefährlicheres einzubringen als Sex: Facette, Gefühle, Betrug. Daniel Craig als Killermaschine 007, verletzlich durch eine Frau - das hat den Film erst berühmt gemacht.

Greens Ängste wurden mit den Erfahrungen weniger. Gut, es gibt Abende wie bei Jimmy Kimmel, in dessen Show sie einen Film vorstellte. Wo sie im schulterfreien Abendkleid etwas linkisch auf die Bühne stakste, in die Scheinwerfer blinzelte und allen Ernstes flehte: "Bitte seid nett zu mir!" Aber das ist nichts im Vergleich zu ihrem ersten Casting, "das sich anfühlte, als habe man mir alles Blut aus dem Körper gepumpt".

Im Gespräch mit Eva Green erfährt man also, dass Schüchternheit ein ungewöhnlicher Karrieremotor sein kann. Womöglich ist "Hollywood-Nerd" sogar eine interessante Marketing-Nische, die Green bedienen lernen musste. Manche ihrer Filme mögen auf manchen sperrig wirken. Aber wenn sie zwischendurch am Set lachen und auf Monster schießen darf, dann lässt sich der PR-Wahnsinn, der gleich wieder durch die Tür der runtergekühlten Hotelsuite brechen wird, ertragen.

Es geht ihr vor allem darum, dass ein Part vielschichtig ist

"Oh je, noch ein abgedrehter Charakter", stöhne ihre Mutter bei ihrer Rollenwahl oft, erzählt Eva Green durchaus belustigt. Sie müsse dann immer erklären, dass es ihr nicht darum gehe, ob ein Part düster oder abgedreht, sondern ob er vielschichtig sei. Sie ist jetzt 36. An der Rolle von Burtons Heimleiterin Miss Peregrine hat Green auch gereizt, dass "ich nicht der Liebe hinterherjagen muss, sondern mütterlich sein darf". Gerade hat sie im Allgäu und im Bayerischen Wald mit Alicia Vicander und Charlotte Rampling gedreht, "eine normale, realistische Geschichte über die Beziehung zweier Schwestern".

"Vielleicht müsste ich ja mal in einer amerikanischen Komödie. . .", überlegt sie und bricht ab. Aber nicht, weil das Interview zu Ende ist. Vielmehr wirkt es so, als erscheine ihr diese Idee doch zu absurd.

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