Sarah Jessica Parker im Image-Dilemma:Chronische Carrieritis

Die beiden "Sex and the City"-Kinofilme sind abgedreht, die Serie sowieso - doch die Rolle der Carrie Bradshaw wird Sarah Jessica Parker irgendwie nicht los. Auch beim Promo-Termin für ihren neuen Film ist das übermächtige Alter Ego präsent.

Antje Wewer

Vor der Suite herrscht betont heitere Gelassenheit; Sarah Jessica Parker sei "wahnsinnig reizend", schwärmen die PR-Damen; es ist ja schließlich nicht ihre Schuld, dass jetzt einige der Fotografen den angesetzten Fototermin boykottieren, weil sie zu lange in einem stickigen Raum warten mussten. Nein, denn: Parker bemüht sich um jeden Journalisten sehr, und das sind dieser Tage Hundertschaften.

BESTPIX Crown Oaks Day

Ihre Seriengarderobe hat Sarah Jessica Parker zum Modevorbild gemacht - und bei öffentlichen Auftritten pflegt die 46-Jährige noch immer den Carrie-typischen Stilmix.

(Foto: Getty Images)

Nach London und Moskau ist nun Berlin an der Reihe, nach jedem der etwa ein Dutzend anberaumten Interviews huscht ein eigens aus New York eingeflogenes Haare-und-Make-up-Team ins Zimmer, um Parkers Wangen abzupudern und ihre fluffig geföhnten Locken mit noch mehr Glanzhaarspray einzunebeln.

Katzenhafte Plaudertasche

Ihr Publizist sitzt mit im Raum, und zwar so, dass er während der Gespräche Blickkontakt mit ihr halten kann. Zur Begrüßung springt die 1,62 Meter kleine Frau, die Sex and the City zur Multimillionärin gemacht hat, elegant wie eine Katze vom Sofa. Auf hohen Pumps läuft sie um den Couchtisch herum, quietscht: "OHMYGOD, ich liebe Ihre Glitzer-Ballerinas!"

Und plaudert dann munter weiter: "Ist das nicht ein herrliches Wetter heute?" Schnipst mit den Fingern und sagt: "Gestern Abend habe ich das beste Wiener Schnitzel seit Jahren gegessen! Wissen Sie, wo man in Berlin die beste deutsche Küche isst?"

Sie geht auf die fünfzig zu, hat aber die Statur einer 15-jährigen osteuropäischen Bodenturnerin. Und während sie hochkonzentriert aus graugrünen Augen ihr Gegenüber fixiert und dazu von panierten Riesenschnitzeln schwärmt und davon, "dass ich glücklicherweise essen kann, was ich will", denkt man sich so seinen Teil.

Sie spielt kurz mit den Kindern einer Kollegin und hängt sich eine merkwürdige Mops-Kette um den Hals, die ihr gerade ein Journalist geschenkt hat. Mit anderen Worten: Parker delivered, liefert ab, und zwar die Vorstellung der coolen Kumpel-Freundin aus Amerika, und übrigens, bitte nicht falsch verstehen: Das ist durchaus sympathisch. Und mehr, als viele ihrer Hollywood-Kollegen in PR-Interviews auffahren.

Der Fluch des Erfolgs

Bei diesem geht es um Parkers neuen Film, Working Mom, verfilmt nach dem Bestseller der britischen Autorin Allison Pearson. Parker verkörpert darin die ambitionierte Investmentbankerin Kate Reddy, Mutter von zwei Kindern und Architektengattin. Die, wie könnte es bei dem Titel auch anders sein, Kind und Karriere vereinbaren muss und dabei gleichermaßen gegen Läuse, intrigante Kollegen und die Versuchung ankämpft, sich in ihren attraktiven Boss (Pierce Brosnan) zu verlieben.

Sehr ähnlich sei ihr die Figur der Kate Reddy, sagt Parker. Schließlich müsse auch sie diesen Spagat meistern. Auch sie, die Mutter von drei Kindern, ziehe statt Blackberry oft einen Schnuller aus der Handtasche und habe Babybrei an der Bluse kleben. Und auch bei ihr gleiche jeder Morgen einer "militärischen Operation".

Eine weitere Folge von Sex and the City

Es ist schwer, in ihr diese Kate Reddy zu sehen. Weil Parker nun einmal der Fluch vieler Serienschauspieler ereilt hat, was die New York Times auch als "Post-Carrie-Parkeritis" beschrieb. 94 Episoden, von 1998 bis 2004, plus zwei Filme lang hat sie sich als Carrie Bradshaw aus Sex and the City ins Bewusstsein der Menschen, insbesondere der Frauen, gebohrt.

Und so schaut man ihr auch in Working Mom zu, als wäre es eine weitere Folge von Sex and the City: Mr. Big hat ihr halt nur den Laufpass gegeben, sie hat einen anderen geheiratet, ist von New York nach Boston gezogen, hat den Beruf gewechselt und Kinder bekommen ...

"Ich hatte das Glück, gefragt zu werden, als Carrie bei einer Sache dabei zu sein, die einen Nerv getroffen hat. Alles andere habe ich mir hart erarbeitet", sagt Parker und schaut dabei so bockig wie eine Zweijährige, der man den Schnuller entzogen hat.

Für einen Teenie aus Ohio, der weder Familien- noch sonstige Beziehungen zum Showbusiness hatte, hat sie es weit gebracht. Sie ist Unicef-Botschafterin, sammelt mit Caroline Kennedy Geld für Privatschulen in New York und sitzt im Vorstand des "American Ballet Theatre".

Insofern gibt es bei Rollen wie dieser aktuellen tatsächlich viel mehr Parallelen zu ihrem eigenen Leben als jemals zur leicht verwirrten, modevernarrten Carrie Bradshaw. Nicht nur ist Parker eine erfolgreiche Geschäftsfrau - ihre Parfums sind ein weltweiter Drogerie-Renner, ihre eigene Produktionsfirma heißt "Pretty Matches", sie beriet das Modelabel Halston - auch kursieren Tausende Paparazzi-Bilder, die Parker dabei zeigen, wie sie ihre Kinder morgens im West Village in die Schule und mittags auf den Spielplatz bringt.

Meist trägt sie dabei Pferdeschwanz, Daunenweste, Ugg-Boots und statt Schminke Sonnenbrille. Und wirkt dabei wie eine authentisch engagierte, bodenständige Mutter, mit der man sich möglicherweise ganz lustig über Babywindeleimer und den besten Coffee-to-go unterhalten könnte. Der Carrie-, äh, Kumpeltyp eben ...

Während andere Stars früher oder später aufs Land flüchten, bleibt Parker stoisch in New York wohnen. "Die Fotografen verfolgen jeden Schritt, den ich mit meinen Kindern mache. Aber ich werde mich nicht in einem Haus mit Garage und Kiesauffahrt verstecken. Mein Mann arbeitet am Broadway und wir beide lieben unser Großstadtleben." Seit 1997 ist sie mit dem Schauspieler Matthew Broderick verheiratet, das Paar hat einen gemeinsamen Sohn, den achtjährigen James Wilkie.

Über-Mutter mit Kindermädchen und Babysitter

Eine Leihmutter hatte 2009 ihre Zwillingstöchter ausgetragen. Jahrelang habe man zuvor versucht, die Familie zu vergrößern. Sie hätte, sagt Sarah Jessica Parker, diese Wahl nicht getroffen, wenn sie in der Lage gewesen wäre, nach der Geburt ihres Sohnes noch eine erfolgreiche Schwangerschaft zu erleben.

Heute "gehöre ich nicht zu den Über-Müttern, die angeblich alles alleine machen. Wir haben ein Kindermädchen für die Zwillinge und einen Babysitter, der bei der Betreuung unseres Sohnes hilft." Vielleicht nicht 08/15. Aber durchaus nachvollziehbar.

Sarah, die Kämpfernatur

Ist es für einen Promi nicht extra schwer, ein geeignetes Kindermädchen zu finden? "Nicht schwieriger als für jede andere Mutter. Natürlich ist Diskretion für uns wichtig." Müssen ihre Nannys nicht eh eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnen über das, was es bei den Parker-Brodericks so alles zu sehen gibt? Parker guckt genervt, überlegt kurz und sagt, unerwartet zugeknöpft: "Dazu sage ich nichts."

Warum nicht? Oder besser gesagt: Wenn das häusliche Miteinander so geheim ist, warum hat sie sich dann gerade für die US-Vogue quer durch ihr Townhouse fotografieren lassen, in der Küche, im Kinderzimmer, mit Mann und Kindern?

"Da", sagt sie streng, "habe ich die Bedingungen diktiert" (glaubt man ihr übrigens sofort). Mit Mario Testino habe sie einen Fotografen ausgewählt, dessen Arbeit sie seit Jahren bewundere: "So konnten die Kinder gut auf das Shooting vorbereitet werden." Im dazugehörigen Text bezeichnet sie sich als "Bitter Ender": Also jemand, der nicht aufgibt, auch wenn die Sache schon längt verloren ist.

Wahrscheinlich muss man das auch sein, mit so schlechten Startbedingungen wie Parker. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen als eines von acht Kindern in Ohio auf. Ihre Mutter Barbara, eine Lehrerin, lebte zeitweise von Sozialhilfe, ihr Stiefvater war Lastwagenfahrer. Die kleine Sarah ertrotzte sich Ballettstunden. Ergatterte mit elf Jahren ihre erste Rolle am Broadway.

Und klingt heute manchmal wie ein Disziplin-Roboter: "Dafür bin ich in der Branche bekannt, ja. Nach dem Dreh ist bei mir immer vor dem Dreh; meine Dialoge für den nächsten Tag lese ich immer schon auf dem Nachhauseweg im Taxi." Am Ende bietet sie an, die Interviewzeit zu verlängern, "weil Sie, glaube ich, noch nicht zufrieden sind mit den Antworten ..."

Doch. Sie wird weiter durchhalten; bis sie Carrie abgeschüttelt hat. Oder uns, die wir sie so gerne in ihr sehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: