Es gibt wenige Momente, die sich so unauslöschlich in das Gedächtnis einer Frau eingravieren wie das Auspacken des ersten sündhaft teuren Paars Schuhe. War diese Geldanlage denn tatsächlich notwendig? Ja, das war sie. Spätestens das geheimnisvoll knisternde Seidenpapier und der zarte Geruch von Leder und frischer Farbe, der einen beim Öffnen des Kartons sanft umströmt, entschädigt für jegliche Zweifel und Vorwürfe aus dem engsten Freundeskreis. Wie kannst du nur? Du wolltest doch in den Urlaub fahren, oder? Aber wer denkt schon an weißen Sandstrand und azurblaues Meer, wenn sich das ganze Glück dieser Welt in einer weißen Box auf unseren Knien befindet?
So oder so ähnlich muss sich auch Carrie Bradshaw, "Sex and the City"-Kolumnistin in der gleichnamigen Fernsehserie und absolute Schuhliebhaberin, damals gefühlt haben, als sie ihre silbernen Manolo-Blahnik-Stilettos zum ersten Mal aus ihrer Box hob. Eingeschlagen in milchig weißes Papier, der schwarze Schriftzug auf der weißen Schuhschachtel etwas erhaben ... "Ich heirate mich selbst" hatte Carrie verkündet und tatsächlich die Stilettos als Hochzeitsgeschenk erhalten. Nachdem ihre Schuhe auf einer Hochzeitsfeier gestohlen worden waren, machte die Not erfinderisch.
Es war an einem Dienstagabend im September 2001 als diese Person erstmals via Fernsehbildschirm in unser Leben trat, die zur Schuh-Ikone der Glamourwelt werden sollte. Carrie Bradshaw, Besitzerin der bis dato wahrscheinlich größten bekannten Schuhsammlung im Fernsehen. In Amerika hatte die vom als liberal geltenden Pay-TV-Sender HBO produzierte Serie bereits drei Jahre zuvor die Mode- und vor allem die Schuhmodeszene revolutioniert: Extravagante Kostüme kombiniert mit bunten Schuhen jeglicher Form und Farbe, aus Leder und Stoff mit aufgenähten Applikationen. Hauptsächlich Manolos.
"Manolos sind besser als Sex"
Manolo Blahnik. Ein Name, der zur Marke wurde. Wir kaufen nicht Stilettos, High-Heels oder Slingpumps, nein, wir kaufen Manolos. Wenn es das Finanzbudget zulässt. Denn unter 400 Euro sind die handgefertigten Edelschühchen des spanischen Designers leider nicht zu haben. Geht es nach Carrie, macht das nichts: "Ich mag mein Geld genau da, wo ich es sehen kann ... hängend in meinem Kleiderschrank." Nur als sie einmal nachrechnete, dass sie inzwischen 40.000 Dollar (knapp 25.000 Euro) in ihre Schuhsammlung investiert habe, verschlug es der sonst sehr wortgewandten Journalistin einmal kurz die Sprache.
Dabei lag sie mit dieser Schuhwahl Ende der neunziger Jahre genau im Trend. Nur ein paar Jahre vorher war dem spanischen Designer Manolo Blahnik der internationale Durchbruch gelungen. Zwar eroberten Manolo Blahniks Schuhkreationen schon in den siebziger Jahren die Laufstege - Yves Saint Laurent, Christian Dior, Calvin Klein und John Galliano schätzten die ausgefallenen Stile, den Materialienmix und die Vielfalt. Aber erst allmählich entdeckten auch die Stars und Sternchen diese Schuhe für sich. Dann aber richtig. "Manolos sind besser als Sex", wird Madonna zitiert. Auch Diana, verstorbene Princess of Wales, war den Designerstücken ebenso verfallen wie Kylie Minogue und Jerry Hall. Der Ritterschlag für Blahnik war es aber wohl, dass sogar Marge Simpson 1991 eine Comic-Version der High-Heels trug.
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Ohne ihre heißgeliebten Manolo Blahniks würde auch Carrie Bradshaw nirgendwo hingehen, mit ihnen, wenn es sein müsste, wahrscheinlich quer durch die Wüste oder durch die Antarktis. Ganz bestimmt aber die New Yorker Boulevards hoch und runter - wie gewohnt im Laufschritt auf zehn Zentimeter hohen Absätzen auf der Suche nach einem Taxi.
Das Schicksal und die Seriendramaturgie wollen es so, dass die zierliche Blondine, als sie eines Abends wieder einmal nach Hause stöckelte, prompt überfallen wurde. "Bitte, sehr geehrter Herr Dieb", handelte sie tapfer, "Sie können meine Fendi-Tasche haben, meinen Ring oder meine Uhr - aber bitte nicht die Manolo Blahniks". Aber genau die wollte er. Auch Diebe haben offensichtlich Sinn für Trends. Wir waren beeindruckt von Carries Geistesgegenwärtigkeit. Und spätestens an diesem Abend tobte sich die kleine New Yorkerin in unser Herz - denn Schuhe verraten über eine Frau viel mehr als Handtaschen oder Uhren. Wer gut zu seinen Schuhen ist, der ist auch ein zuverlässiger Freund fürs Leben.
So sind den auch die vier "Sex and the City"-Mädels der Inbegriff von besten Freundinnen. Die liebesdurstige PR-Beraterin Samantha Jones, die konservativ-naive Charlotte York, die zynische Anwältin Miranda Hobbes und eben Kolumnistin Carrie Bradshaw halten zusammen wie Pech und Schwefel, so unterschiedlich sie auch sind. Ihre Freundschaft ist der Ruhepol in der ständig rotierenden New Yorker Fashion- und Lifestyle-Welt.
Man kann "Sex and the City" also nicht nur als Intelligent Product Placement einordnen, sondern auch als Wegbereiter für sexuelle weibliche Emanzipation im prüden amerikanischen Fernsehen. Und quasi nebenbei lernt der Zuschauer am Ende doch alles über Kleider, Handtaschen, Sonnenbrillen, Accessoires und die aktuelle Schuhkollektion von Manolo Blahnik.
So kommt es, dass wir auch nach dem hundertsechsundachzigsten Mal den Trailer der fünften Staffel gerne anschauen. Carrie Bradshaw, in einem zauberhaften, rosafarbenen Tüll-Ballerina-Kleid, flirtet mit ihrer Liebe New York - bis ein dicker Stadtbus ihr unsanft die rosarote Brille der Liebe entreißt und sie mit einem Schwall Dreckwasser in die Realität zurückbugsiert. Aber was ist schon real in dieser unwirklichen Stadt? Eben dass auf dem Bus ausgerechnet für Carries Kolumne geworben wird. So was gibt's nur bei "Sex and the City".
Diese Schuhe sind Kunst
Die Tatsache, dass Carrie jedes noch so grausame Outfit tragbar erscheinen lässt, reizt Sarah Jessica Parker privat bis zur Grenzenlosigkeit aus. Schlafanzugähnliche Jogginghosen für sich und ihren Sohn James, dazu Ugg-Boots, besser bekannt als Ugly-Boots, die genauso aussehen wie sie heißen, ungekämmte Haare und Schlabberpullis sind dann ihr Markenzeichen. Ein persönlicher Boykott der Schuhindustrie, vielleicht? Jedenfalls machte Parker im letzten Sommer auf ihren derangierten Körperzustand aufmerksam, der von den "Sex and the City"-Drehs herrühre: "Ich habe während der Dreharbeiten 18 bis 20 Stunden am Tag hohe Schuhe getragen. Ich habe meinen Körper zerstört, während ich hochhackig durch die Szenen gelaufen bin. Vor allem habe ich damit meine Knie kaputtgemacht", klagte die US-Aktrice.
Inzwischen schlägt sie wieder positivere Töne an: "Diese Schuhe sind Kunst. Eines Tages werde ich meine Manolos einer Sammlung übergeben." Sie habe einen ganzen Schrank voll. Und auch an eine Nicht-Teilnahme am Kinofilm "Sex and the City", der am 30. Mai 2008 in die deutschen Kinos kommt, war nicht mehr zu denken.
Manolo-Blahnik-Schuhe (400 - 2000 Euro, Obergrenze offen) gibt es in Deutschland im Departmentstore Quartier 206, Friedrichstraße 71, 10117 Berlin, Tel.: 030-20 94 68 00 und im Modehaus Marion Heinrich GmbH, Falckenbergstr. 9, 80539 München, Tel.: 089-22 67 48.