Samenspender ohne Anonymität:"Plötzlich stehen 20 Kinder vor der Tür"

Die Spender der weltgrößten Samenbank müssen damit rechnen, dass ihre Anonymität aufgehoben wird.

Lukas Fritsch

Seit über 15 Jahren liefert die dänische Samenbank Cryos Spermien in die USA und Europa. Seit 1990 hat sie rund 12.000 Frauen zu einer künstlichen Schwangerschaft verholfen - auch vielen in Deutschland. Damit zählt sie zu den größten Samenbanken der Welt. Die vollkommene Anonymität der Samenspender ist dabei, wie Firmengründer Ole Schou sagt, der Schlüssel zum Erfolg. Alles, was Cryos von ihnen besitzt, ist eine Spendernummer - keine Adresse, keine Ausweisnummer, keinen Namen.

Samenspender ohne Anonymität: Wenn die Anonymität der Samenspender aufgehoben wird, kann jedes Kind erfahren, wer sein biologischer Vater ist.

Wenn die Anonymität der Samenspender aufgehoben wird, kann jedes Kind erfahren, wer sein biologischer Vater ist.

(Foto: Foto: Istockphoto)

Die Firma läuft vor allem deshalb so gut, weil Dänemark eines der letzten Länder in Europa ist, in dem die absolut anonyme Samenspende möglich ist.

Bis jetzt noch.

Nach einem Plan des dänischen Steuerministers Kristian Jensen soll die Samenspende besteuert werden - ein Angriff auf die Anonymität der Spender. Und das wird, so fürchtet man bei der Samenbank, viele ihrer Klienten abschrecken und so der Firma Cryos seiner Existenzgrundlage berauben, der Spermien.

Alle Spender erhalten, je nach der Qualität ihrer Spermien, eine Aufwandsentschädigung zwischen 26 und 53 Euro. Diese Prämie sollen sie jetzt, wie jedes andere Einkommen auch, versteuern. Nun kann von niemandem eine Steuer abkassiert werden, dessen Name der Steuerbehörde unbekannt ist. Deshalb, so der Minister, müsse die Anonymität fallen, und Cryos soll die Namen seiner Spender an den Staat weitergeben.

Alle Namen dokumentiert

Für Ole Schou kommt das überhaupt nicht in Frage. Als er die Firma gründete, traf er mit der örtlichen Steuerbehörde die schriftliche Abmachung, dass die Spenden anonym abgegeben werden dürften. Nun teilte man ihm mit, dass diese Abmachung nicht mehr gelte. Hinzu kommt, dass seit April 2007 eine neue EU-Richtlinie gilt, nach der alle Spenderdaten registriert werden müssen.

Jetzt liegt der Fall der anonymen Samenspende dem dänischen Parlament vor. Eine Entscheidung steht noch aus. Solange darf Cryos weiterarbeiten wie bisher. Was danach geschehen wird, ist bisher unklar. "Wir hoffen das Beste, aber wir befürchten das Schlimmste", sagte Samenbank-Chef Schou.

"Plötzlich stehen 20 Kinder vor der Tür"

Unbegründet ist die Angst nicht. Vor zwei Jahren schränkte Großbritannien die Anonymität von Samenspendern ein. Alle Spendernamen werden nun dokumentiert, und jedes Kind hat mit 18 Jahren das Recht, den Namen seines biologischen Vaters zu erfahren. Das schreckt viele Spender ab. Innerhalb eines Jahres schrumpften die Spenderzahlen um die Hälfte.

Auch in Deutschland gibt es keine anonymen Samenspenden. Allerdings müssen die Spender hier nicht mit Unterhaltszahlungen rechnen - zum Beispiel, wenn der soziale, aber nicht leibliche Vater des Kindes die Vaterschaft anficht. So wurde es 2003 im "Kinderrechteverbesserungsgesetz" festgelegt.

Trotzdem hat jedes Kind mit seiner Volljährigkeit Anspruch darauf zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist. Daraus könnten sich nun wiederum erbschaftliche Ansprüche ergeben, denn das Erbschaftsrecht bezieht sich in Deutschland auf die biologische Abstammung des Kindes - prinzipiell. Bis heute hat es noch keinen solchen Fall gegeben.

Auch in den meisten anderen europäischen Ländern wurde in den letzten Jahren die anonyme Samenspende abgeschafft. Einerseits, um eventuelle genetische Krankheiten zurückzuverfolgen, andererseits habe jeder Mensch ein Anrecht darauf, zu erfahren, wer seine tatsächlichen Eltern sind.

Dependance in New York

Gert Bruun Petersen, der medizinische Direktor von Cryos, glaubt trotzdem, dass seine Samenbank viele Spender verlieren würde. "Die meisten sind Studenten, die sich ein kleines Taschengeld dazu verdienen wollen. Jetzt stellen Sie sich mal vor, plötzlich klingeln 20 Kinder an Ihrer Tür im Studentenwohnheim und wollen ihren Vater kennen lernen - was dann?"

Laut Hans-Georg Koch, Leiter des Referats Recht und Medizin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, gibt es noch ein weiteres Argument gegen die Anonymität. Die Nachvollziehbarkeit genetischer Krankheiten wird heute als so wichtig erachtet, dass eine Dokumentation der Spender für den Notfall vorgeschrieben ist.

Schlechte Zeiten also für die dänische Samenbank und ihre Kunden? Peter Norregaard, leitender Beamter der dänischen Steuer- und Zollbehörde, kann die Sorgen nicht nachvollziehen: "Der Minister wird Cryos nicht von der Steuer befreien, aber wir können mit Sicherheit garantieren, dass die Spender nach außen hin anonym bleiben." Für Firmengründer Ole Schou ändert das nichts: "Unsere Spender wollen einfach nicht namentlich registriert werden - vor allem nicht von einer Behörde."

Laut einer internen Umfrage der Samenbank würden ihr, wenn sie die Namen an die staatliche Behörde weitergeben würde, gerade noch 23 Prozent ihrer Spender erhalten bleiben.

Für diesen Fall hat Schou schon vorgesorgt: Er eröffnete eine Dependance in New York. Dort ist die anonyme Spende noch möglich.

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