Süddeutsche Zeitung

Sack Reis:Von Schwob zu Schwob

Verglichen mit dem schwäbischen EU-Kommissar Günther Oettinger wirkt sogar die chinesische Regierung wie ein Vorbild an Vornehmheit.

Von Kai Strittmatter

Eddzad. (Schwäbisch für: tiefes Luftholen). Der Oettinger. Hier auch noch? Ja, muss sein. Der Oettinger Günther von der CDU. Der Kaschper von Stuttgart. Wo man solche wie ihn "em Depp sei Soggehalder" nennt. Was hier nur salopp dahergeschrieben und keineswegs anstößig oder respektlos gemeint ist. Kann alles außer Hochdeutsch und Selbstbeherrschung, der Mann. Schafft das Unmögliche, lässt nämlich die chinesische Regierung aussehen wie ein Ausbund an Vornehmheit und Klasse, wenn sie über eine Sprecherin ausrichten lässt, Oettingers Warnung vor den "Schlitzaugen" offenbare ein "irritierendes Überlegenheitsgefühl" mancher Westler. "Wir hoffen, dass sie lernen, sich selbst und andere objektiv zu betrachten und andere zu respektieren und als Gleichberechtigte zu behandeln." Danke, Peking.

Man hat ja als Schwabe (ich bin einer) sonst nicht so viel, für das man sich schämen kann. Hatten einen super Lauf, die Schwaben: Daimler und Porsche, Fischer-Dübel und Motorsäge, Spätzle-Schwob und Zwiebelrostbraten, Hegel und Schiller, Albert Einstein und Harald Schmidt. So gesehen erfüllt Oettinger wahrscheinlich eine ihm vom Weltgeist zugedachte Bestimmung im Ökosystem der Landsmannschaften: Er hält das Überlegenheitsgefühl der Schwaben im Zaum.

Das Schöne an der Rede, die er letzte Woche vor Unternehmern in Hamburg hielt - und das wurde kaum zitiert - ist ja, dass er sie eröffnet mit der Aufforderung an die Europäer, es doch nicht beim Export der S-Klasse zu belassen, sondern bitte auch "unsere Werte" und "unser Menschenbild" in die Welt hinauszuschicken. Um sich sodann an Frauen und Homosexuellen und Chinesen, also geschätzt an zwei Dritteln der Weltbevölkerung zu vergehen. Letzteren attestierte er noch, sie kämmten sich das Haar über den Schlitzaugen "mit Schuhcreme". Oettinger, du Seggl, jetzt mal von Schwabe zu Schwabe: Der Chinese mag Schuhcreme im Haar haben - abr du hosch an Mählbabb drondr un en dr Gosch sowieso. Was hier nur salopp dahergeschrieben und keineswegs respektlos gemeint ist.

Oettinger besteht weiter darauf, seine Äußerungen seien "aus dem Kontext gerissen" worden. Er betonte, er habe seine Äußerung "Neun Männer, eine Partei. Keine Demokratie. Keine Frauenquote. Keine Frauen, folgerichtig" nie als Kritik an Chinas KP verstanden wissen wollen, sie sei im Gegenteil mit höchster Bewunderung ausgesprochen worden.

Exklusiv! Eilmeldung! Exklusiv! In einer überraschend am Freitag in Pekings Großer Halle des Volkes anberaumten Pressekonferenz verteilte der EU-Kommissar zuvor unveröffentlichte Passagen seiner Rede. Demzufolge hatte Oettinger bei der Veranstaltung in Hamburg zudem von seiner liebevollen Beziehung zu EU-Ratspräsident Donald Tusk geschwärmt, dem "Polackenlackl", und gescherzt, Michelle Obama könne sich glücklich schätzen, werde sie doch "jeden Morgen mit einem Negerkuss geweckt". Seinen Pekinger Gastgebern entbot Oettinger ein herzliches "Glüß Gott". Das Kanzleramt begrüßte die Klarstellung "als weiteren Beleg dafür, wie ausgezeichnet qualifiziert" Oettinger sei. "Nichts liegt ihm ferner als die Diskriminierung einzelner Rassen", betonte Regierungssprecher Seibert in Berlin: "Er behandelt sie alle gleich." In Peking, Washington und den Redaktionsräumen der Zeitschrift Emma zeigte man sich in einer ersten Reaktion sprachlos.

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SZ vom 05.11.2016
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